Archiv des Autors: Redaktion verdichtet.at

Bezaubernd einfach

Zauberer, Magier, Illusionist, Taschenspielertrickser,
Bällchen unter den Hütchen Verschieber.
Angespannt warten, genau hinsehen, investigativ,
weite Ärmel, „aha, so könnte es gehen“, Erwartungshaltung,
das Taschentuch wird zur Taube aus dem Zylinder,
und doch staunen, „aahh“, macht die Menge.
Die Eltern freuen sich, dass ihre Kinder lachen,
Mann nützt die Gelegenheit, legt Frau die Hand an ihre Hüfte,
sie legt ihre auf seine, streichelnde Finger.
Der Hut geht um, die Hilfiger-Golfer-Verschnitte
und die Prada-Dämchen sind plötzlich in Eile,
die klimperndsten Münzen sind die der kleinen Leute.
Der Zauberer verbeugt sich tief, schwenkt den Arm in Theatermanier,
packt den Koffer wieder ein, das Äffchen klettert von seiner Schulter.

Der Zylinder und der Stab des Zauberers mit Konfetti und falschem Schnee

Der Zylinder und der Stab des Zauberers mit Konfetti und falschem Schnee

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: fest feiern | Inventarnummer: 24169

Hund Joschi

Hund Joschi ist der Boss im Gasthaus. Joschi ist ein Dackel und schaut lustig aus seinen Knopfaugen. Er ist Passivraucher. Im Gasthaus wird der Trunksucht gefrönt. Immer wenn jemand das Gasthaus betritt, geht Joschi durch die erste Tür. Durch die zweite schafft er es nicht. Die Leute hier sind nett zu ihm. Joschi will wahrscheinlich nur hinaus, weil er einen Haufen machen muss.

Der zehn Jahre alte Dackel

Der zehn Jahre alte Dackel

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 24168

The Story of Chantal Buxbaum

Für Chantal Buxbaum, geboren in einem Kärntner Seitental, ist es nicht gut gelaufen. Keine Ausbildung, Trinkerei, Absturz, Verlust des Arbeitsplatzes, Frühpension. Dann Entzug, jetzt ist sie clean – das ist wieder positiv. Zudem ist sie keine schöne Frau, sie war nie hübsch – so heiratete sie auch nie, und sie ist kinderlos – sie hat nichts, worum sie sich kümmern müsste, außer sich selbst.

Die Einsamkeit und die Stille sind für sie das Schlimmste, daher sieht sie viel fern, sehr viel, eigentlich ist der Fernseher immer an, sie schläft auch regelmäßig vor ihm ein. Besonders bei den Soaps am Nachmittag fiebert sie mit. Dann ist sie eine neue Figur, eine, die in der Serie nicht vorkommt, aber vorkommen sollte, wie Chantal meint. Sie spielt diese Rollen, die in ihre eigene Persönlichkeit übergehen. Sie ist dann im Fernseher. Immer häufiger ist sie so im Fernseher. Vielleicht kommt sie einmal gar nicht mehr aus ihm heraus.

Die Puppe auf dem Stuhl FLOHMARKT nach rechts

Die Puppe auf dem Stuhl FLOHMARKT nach rechts

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary | Inventarnummer: 24167

Auf der Uni

                                                           Nach einer Idee von meinem Sohn Michael

Einige meiner Kommilitonen auf der Uni muten mich seltsam an. Sie sind wie immer, grüßen natürlich, sind mehr oder weniger gesprächig, sie sind unauffällig – kann man sagen. Aber gerade das, dass einige von ihnen so wie immer sind, ist das Merkwürdige, denn ihr Verhalten ist ständig gleich, es ändert sich überhaupt nichts, sie sind nie wütend oder missmutig, sie agieren genauso, wie man sich es von ihnen erwartet, roboterhaft.

Und die, die wirken wie menschliche Automaten, werden mehr. Was soll das, was ist da los? Meine ursprünglich gebliebenen Kommilitonen und ich tauschen uns aus. Das ist doch nicht normal, ist der Tenor. Gerade Lizzy, die gestern noch am misstrauischsten war, ist heute wie die, die wie Humanoide wirken – nett, freundlich, unverbindlich. „Weißt du nicht mehr, worüber wir gestern gesprochen haben?“, frage ich sie. Nein, sie hat keine Ahnung.

Ich gehe zu meinem üblichen Platz im Hörsaal. Auf dem Pult liegt mein Federpennal – könnte man meinen. Aber es ist nicht meines, denn meines befindet sich noch in meinem Rucksack.

Die Uni-Mensa am Morgen des 16. August 2023, Nahaufnahme von Süden

Die Uni-Mensa am Morgen des 16. August 2023, Nahaufnahme von Süden

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: fantastiques | Inventarnummer: 24166

Bernhard und Bianca aka Bibi und Bernard

1990 – Wie alles begann

Bernhard und Bianca kannten sich bereits seit ihren ersten Lebenswochen. Ihre Familien waren Nachbarn gewesen, und wie es das Schicksal so wollte, wurden ihre Mütter zur selben Zeit schwanger. Im Grunde genommen waren sie wie Geschwister, denn ihre Geburtstage lagen nur knapp sieben Tage auseinander. Auch konnte man ihnen eine gewisse optische Ähnlichkeit nicht absprechen – die einem gemeinsamen Spieleabend der damals frisch eingezogenen Nachbarspaare geschuldet sein könnte. Man schenkte dieser Erkenntnis nur wenig Beachtung, war man doch im besten Einvernehmen – speziell was die regelmäßigen Spieleabende anging.

Die Kinder hatten eine wunderbare Kindheit, denn wie Zwillinge erlebten sie die schönsten Augenblicke ihres Weges gemeinsam. Sei es der erste Schultag, ihre kindliche Leidenschaft für zwei von Disney erfundenen Mäusepolizisten, die zufällig dieselben Namen trugen, oder ihr gemeinsamer Berufswunsch, Friseurin und Friseur zu werden, um später einen Beauty-Salon zu eröffnen. Die erste Liebe traf beide recht hart, denn sie waren Hals über Kopf in denselben Kerl verknallt.

Heute – wie es weitergeht

Es waren nun schon beinahe 15 Jahre vergangen, seit Bianca und Bernhard ihren Beauty-Salon „Chez Bibard“ eröffnet hatten. Sie waren hinlänglich als Bibi und Bernard bekannt, was die Namensgebung ihres Salons nicht unwesentlich beeinflusst hatte.

Es waren ihnen viele gute Jahre vergönnt gewesen, doch mit der Zeit stiegen auch die Mietpreise und Kosten ins Unermessliche. An die Liebe war – bis auf ein paar kürzere Affären hier und da – kaum zu denken, war doch stets ihr Salon der Mittelpunkt ihrer beider Aufmerksamkeit gewesen. Doch nun war es Zeit für einen Neuanfang. Mit Mitte dreißig würden sie nun aufs Land ziehen, die horrenden städtischen Mietpreise gegen mehr Lebensqualität eintauschen, und wer weiß, vielleicht hätte man sogar noch Zeit für die große Liebe.

Gesagt, getan, bezogen sie nach einem tränenreichen Abschied aus ihrem städtischen Umfeld ein kleines Häuschen im Dorfkern eines idyllischen Örtchens, das ihnen Möglichkeit bot, oben zu wohnen und unten ihren Salon zu betreiben.

Alles schien perfekt, und am Tag der feierlichen Eröffnung glänzten neben dem Salon auch sie selbst von Kopf bis Fuß. Bibi pflegte sich im Stil der 50er-Jahre zu kleiden, mit rückenfreien Petticoat-Kleidern, die ihren Tattoos die nötige Bühne boten. Auch Bernard war Tattoos nicht abgeneigt, doch sah er seinen Körper als lebende Leinwand, seinen Kopf zierten unzählige Piercings. Doch sein ganzer Stolz galt seinen Ohr-Tunneln, die nahezu faustgroß auf seinen Schultern ruhten.

Sie verstanden sich als Künstler, und obwohl ihnen die Wünsche Ihrer Kunden stets Befehl waren, durfte die eigene Note nach erfolgter Verschönerung des Individuums nicht fehlen.

In ihrem neuen Umfeld erschienen die beiden wie zwei Paradiesvögel, die das Idyll eines heimatlichen Schwarz-Weiß-Filmes schmückten. So war es gewiss nicht verwunderlich, dass am Tag der Eröffnung nur sehr wenige Besucher den Weg in den neuen Salon fanden.

Einige Wochen später fanden sich dennoch immer mehr Kunden bei ihnen ein, denn der nächste Friseursalon war sage und schreibe eineinhalb Stunden Autofahrt entfernt. Und im Vergleich zur langen Autofahrt schien das bunte Duo dann doch das geringere Übel zu sein.

Nun endlich angekommen und sogar teils ins Dorfleben integriert, hatten Bibi und Bernard ihr Ziel erreicht: günstigere Mieten, weniger Arbeitsstunden und mehr Freizeit. Doch waren sie es nicht gewohnt, damit umzugehen. Schnell wurde ihnen langweilig, denn Clubbings oder andere Events konnte man im Dorf nicht finden. So saßen sie abends bei einem Bierchen im Wohnzimmer und frönten ihrer Leidenschaft – Krimis. Zwar wurden die Mäuse-Helden ihrer Kindheit aus der gleichnamigen Disneyserie mittlerweile durch Agatha Christies Hercule Poirot abgelöst, denn dieser war stets stilecht und mit Bartwichse gezwirbeltem Schnurrbart ihr neuer Held ungelöster und kniffliger Kriminalfälle.

Als Bibi eines Tages die Pfarrersköchin mit Lockenwicklern versah, hörte sie, wie diese mit der Wirtin im Nebensessel den neuesten Tratsch teilte.

„Hast du schon gehört“, begann sie, „die Schwester vom Huber-Bauern ist aus dem Afrika-Urlaub nicht mehr zurückgekommen, anscheinend hat sie sich dort einen Einheimischen angelacht.“ Mit großen Augen entgegnete die Wirtin: „Ah da schau her, mit Anfang vierzig hätte sie hier wohl auch keinen mehr abbekommen.“ Gehässig grinsend erwiderte die Pfarrersköchin: „Na ja, wer’s braucht“ und ließ schulterzuckend von ihrem nicht anwesenden Opfer ab, um nun deren Bruder verbal in Angriff zu nehmen. „Am Huber-Bauer-Hof selbst ist es seit neuestem des Nachts übrigens immer hell beleuchtet. Im Stall brennt Licht, man hört laute Musik spielen und sieht Schatten, die sich auf- und ab bewegen. Vielleicht feiert er ja jetzt Orgien, wo sie nicht mehr da ist.“ „Welche Musik?“, fragte die Wirtin neugierig, doch die Pfarrersköchin entgegnete nur gleichgültig: „Das weiß ich doch nicht, aber der Jäger vom benachbarten Wald hat es beobachtet und im Tante-Emma-Laden erzählt.“

Nachmittags wiederholte sich das Szenario, jedoch nun in maskuliner Ausführung zwischen dem Mann der Wirtin und dem Gemeindearbeiter, die sich zur selben Zeit ihre Haare schneiden ließen. Es folgten Aussagen zu diversen Praktiken im Stall, gewissen Bedürfnissen alleinstehender vierzigjähriger Frauen – in Afrika, und weitere Aussagen in Bezug auf Größenunterschiede. Zwar hatte sich der Dialog zwischen den Männern nicht wirklich in politisch korrekter Sprache und ohne sexuelle Anspielungen zugetragen, doch das wahre Ausmaß des Gesagten würde die guten Sitten erheblich erschüttern.

Bibi dachte bei sich: Diese dummen Tratschmäuler, wenn die Schwester vom Bauern sich in Afrika bei oder auf jemandem niedergelassen hatte, wäre diese wenigstens zweimal erfüllter, als sie es sich von den einheimischen Männern in diesem Kaff hätte erwarten können.

Des Abends tranken Bibi und Bernard ein gepflegtes Feierabendbier auf ihrem Balkon. Als Bernard Bibis grübelndes Gesicht bemerkte, fragte er gerade aus: „Was los Bibi, bedrückt dich was?“ Diese erzählte ihm unmittelbar vom Tratsch des Tages, doch die Geschichte mit dem hell erleuchteten Stall, der Musik und den Schatten ließ sie nicht recht Ruhe finden. Auch Bernard war unmittelbar interessiert, da die Geschichte dem ländlichen Feierabend ein wenig mehr Würze verlieh. Voller Tatendrang meinte er zu Bibi: „Lass uns zum Hof fahren, vielleicht finden wir ja was heraus?“ Bibi musste nicht lange überredet werden, und gemeinsam fuhren sie mit ihren breiträdrigen E-Bikes – einem Überbleibsel ihres städtischen Lebens – zum Hof des besagten Huber-Bauern.

Dort angekommen dämmerte es bereits. Sie ließen sich im Wald nieder, und während sie den Hof beobachteten, fühlten sie sich wie zwei Hobby-Detektive, die an einem heißen Fall dran waren.

Gegen zehn Uhr begann das Spektakel: Im Stall wurde es taghell, Musik erklang aus dem mit Brettern verkleideten Gebäude, und wie es die Tratschweiber erwähnt hatten, begannen auch Schatten auf  und ab zu tanzen. Neugierig pirschten sie sich näher heran, und das Herz schlug ihnen bis zum Hals. Diesen Adrenalinkick hatten sie sich nach so vielen Monaten ländlicher Assimilation wahrlich verdient!

Aufgeregt und voller Vorfreude über das, was sie entdecken könnten, hofften sie fast darauf, dass sich die Orgien-These der Tratschweiber bewahrheiten würde. Vor dem Stall angekommen, versuchten sie, einen Blick durch die Bretter zu erhaschen, und was sie beobachteten, war wahrlich bemerkenswert:

An der nächstgelegenen Wand des Stalls war eine Leinwand befestigt, die einem alten Reflektor als Wiedergabefläche diente. Zu sehen war eine Szene aus dem Ballett Schwanensee und auch die Musik entstammte dem besagten Stück. Vor der Leinwand tanzte der Huber-Bauer, der in einem Tutu und Gummistiefeln die Bewegungen der verzauberten Schwanenprinzessin nachahmte.

Nach anfänglicher Verwunderung waren Bibi und Bernard regelrecht berührt von der Hingabe, die dieser stämmig gebaute und große Mann in seinen Bewegungen ausdrückte. Nach einigen Minuten fassten sie einen Entschluss: Sie wollten den Huber-Bauern davor bewahren, sein Gesicht vor den Dörflern zu verlieren, und mussten ihn mit dem Tratsch konfrontieren sowie mit der Tatsache, dass er Beobachter hatte.

Sie fassten sich ein Herz und klopften laut an die Stalltüre. Es wurde still im Stall, und nach einiger Zeit öffnete der Huber-Bauer einen Spalt breit die Türe. „Was wollt ihr hier?“, brummte er griesgrämig aus dem Stall, doch Bibi und Bernard nahmen ihm sogleich den Wind aus den Segeln.

„Wir haben dich beim Tanzen gesehen“, entgegnete Bernard, „und wir wollen dich vor den Dörflern warnen, die bereits jetzt eifrig über die die Beleuchtung und die Musik in deinem Stall tratschen.“

Beschämt und unsicher blickte der Huber-Bauer auf die beiden, doch er wusste, dass sein Treiben aufgeflogen war. „Bitte verratet mich nicht“, sagte er mit leiser Stimme. „Die Leute hier können gemein werden, wenn man nicht so tut, wie sie es von einem erwarten.“ Da lachten Bibi und Bernard und erwiderten: „Oh das wissen wir nur zu gut. Schau uns an, wir entsprechen ja wohl kaum dem Bild, das man hier gewohnt ist.“ Der Huber-Bauer musterte die beiden von Kopf bis Fuß und meinte lachend „Ja, da mögt ihr wohl recht haben.“ Als Zeichen seines Vertrauens ließ er sie herein und gemeinsam heckten sie einen Plan aus, der die Dorfbewohner täuschen sollte …

Schon am nächsten Tag hingen Plakate im Salon „Chez Bibard“, die verkündeten, dass sie gemeinsam mit dem Huber-Bauern ein Hofkino veranstalten würden, jeder war dazu eingeladen, und sollte es im Dorf Anklang finden, würde man es regelmäßig anbieten.

Als die Dörfler die Plakate lasen, stellte sich beim einen oder anderen durchaus ein gewisser „Aha-Moment“ ein, denn plötzlich ergaben die Beobachtungen des Jägers Sinn: Der gute Huber-Bauer hatte nur sein Equipment justiert, um einen willkommenen Beitrag gegenüber der Dorfgemeinde zu leisten. So ein toller Mann aber auch. Zwinker …

Vierzehn Tage später fand das erste Hofkino statt, und es sollten noch viele folgen. Die Frauen aus dem Ort kamen mit Köstlichkeiten, die sie für kleines Geld verkauften, und die Männer trugen Bier- und Limokisten auf den Hof. Man freute sich über das Zusammenkommen, und bei ein, zwei, drei Bier ließ es sich plötzlich auch ganz ungezwungen miteinander reden.

Bibi und Bernard waren nun gänzlich angekommen. Sie waren Teil der Gemeinschaft, und auch der Huber-Bauer, Martin war sein Name, war gerettet. Vielleicht mag es fast ein wenig kitschig erscheinen, doch mit Martin fand Bernard die Liebe, vielleicht sogar die große, aber das würden sich die beiden noch ein wenig genauer ansehen.

Doch auch Bibi hatte sich ein wenig verknallt. Denn gemeinsam mit dem Dorfpfarrer konnte sie endlich wieder ihre geliebten Spieleabende veranstalten.

Und die Moral von der Geschichte? Die Anstößigkeit liegt immer in der Imagination des Betrachters …

Verena Tretter

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 24165

Archiv September 2024

29.9.24: Verena Tretter: Bernhard und Bianca aka Bibi und Bernard
28.9.24: Tim Tensfeld: gesichter lachen in der luft.
28.9.24: Bernd Watzka: Der ewige Zug. (Sonett)
28.9.24: Johannes Tosin: Die Geburt
28.9.24: Robert Müller: Der Lindenbaum
28.9.24: Johannes Tosin: Fluss
6.9.24: Bernd Watzka: Das Lall
6.9.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Epilog
6.9.24: Johannes Tosin: Problembär
6.9.24: Johannes Tosin: Majestät

Der Lindenbaum

Grafik & Copyright: Norbert Christoph Schröckenfuchs

Grafik & Copyright: Norbert Christoph Schröckenfuchs

Am Brunnen vor dem Tore – stand einst die Linde, stolz
Heut’ ist der Brunnen vergiftet – die Linde abgeholzt
Sie stand dem Fortschritt im Wege – der Zubringer-Autobahn
Den Kinder- und Altenkasernen – dem Wirtschaftswachstums-Wahn

Kannst du auf der Straße träumen – in Dreck und Lärm und Gestank?
Die Autos, die Straßen, der Fortschritt – machen die Menschen krank
Vielleicht hast du Glück und findest – noch eine Linde am Bach
Dann setz dich in ihren Schatten – und denke darüber nach!

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: let it grow | Inventarnummer: 24164

gesichter lachen in der luft.

es brennt. holz. wärmeausschüttungen.
schwarze schafe steigen in den himmel.
in der windverwehenden wolle – es blicken vielseitige gesichter [nach unten] in unsere.
ein lachen durchfährt die gesichter, während sie von der luft gestreckt werden.
es bleibt nur das hinterschauen und fragen.
wo werden sie wohl morgen ihre gesichter zeichnen?

Tim Tensfeld
https://www.autorenwelt.de/person/tim-tensfeld
https://www.literaturport.de/lexikon/tim-tensfeld

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 24163

Würfelzucker

Du hast mich doch unlängst gefragt,
ob ich mich an mein Eheversprechen halte.
Willst du es wirklich wissen?
Dann erzähl ich es dir:

Es war nicht einer, es waren viele.
Und es hat mir Spaß gemacht.
Keine Sekunde dachte ich dabei an dich.
Ob ich einen von ihnen liebte?
Das kann ich gar nicht sagen,
vielleicht, vielleicht auch nicht.
Sie begehrten mich, und das reichte.
Ich war nicht bloß für sie die Frau,
die im Garten werkte, kochte, putzte, wusch und bügelte.
Ich war ein atmendes Wesen,
das ihnen gefiel und um das sie sich bemühten.
Süß war ich wie Würfelzucker.
Und nun fühl ich mich wie in Wasser aufgelöst.

Der vielleicht tanzende Unterkörper der Schaufensterpuppe und seine Spiegelung in der Galerie M am 29. Mai 2024

Der vielleicht tanzende Unterkörper der Schaufensterpuppe und seine Spiegelung in der Galerie M am 29. Mai 2024

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 24162

Aquarell

Mein Boot legt ab in die Ferne.
Das volle Segel treibt den Rumpf.
Das Ruder bestimmt die Richtung.
Die Küste entfernt sich, verschwindet.
Nur Wasser sehe ich und Luft,
zwei Schattierungen von Blau.
Der nächste Hafen gibt mir Proviant
und vielleicht eine Frau,
aber ich werde nicht bleiben.
Mein Bett liegt über dem Meer.

Die linke Meerjungfrau am gelb-weißen Haus am St. Veiter Ring

Die linke Meerjungfrau am gelb-weißen Haus am St. Veiter Ring

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 24161