Kategorie-Archiv: Michael Miritsch

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Adorno träumt

Ich versuche, die Hypernomalie der furz-verkackten Psychonomie zu finden. Steige deswegen auf den Berg der Dummheit, um mich von ihm abseilen zu lassen, um auf ein Trampolin zu springen, um mich wieder hochzuschnalzen, um mich von dem Berg der Dummheit abseilen zu können.

Ein Satz aus dem Mund meiner Tochter, wäre gar nicht so schlimm, nur sie ist acht. Wir sitzen zwischen Schafen und träumen in den Tag hinein. Heidi ist nicht mehr, Peter ein Relikt der Vergangenheit. Ein Traum, der für sich nie enden wird und gar nicht erst anfängt. Wir gehen von einem Schaf zum anderen, die Finger der Linken des einen und die Finger der Rechten der anderen festhaltend. Ein Lächeln des gegenseitigen Verstehens. Das Schaf mit dem schiefen Ohr vor uns springt zur Seite. Flucht vor uns oder die Vertrautheit der Gegenseitigkeit der anderen Schafe. Die Wiese, ein Blumenmeer des Frühlings, gekämmt von einer leichten frischen Brise. Die Füße streifen die kleinen Blümchen blau und weiß, manche knicken, manche nur noch ein zerdrücktes Relikt des Seins. Das Singen des Summens im Baum in voller Blüte am Rande des Weges im Wind des Erwachens.

Wir gehen und hüpfen entlang des Grates zwischen Abgrund und Massivität des Granits. Es ist die Freiheit der Schwerelosigkeit, die uns weiter bewegt. Im Herzen so leicht und doch so gewichtig. Ein Stein, ein Sprung, ein Schritt. Er ist überwunden. Weiter entlang des Pfades. Tief durch das Grüne auf den Stufen hinab zum Grund, um danach die Höhe wieder zu erklimmen. Die Welle nach unten, der Weg nach oben, danach wieder nach unten, entlang der foucaultschen Falte zwischen Realität und Traum. Es ist schön, so zu schreiten in Zweisamkeit der Ruhe und Einsamkeit. Gestört durch Artikulationen des Entgegenkommens mit dem Sinn der Erwiderung. Ein vorsichtiges Annähern und knappes Berühren an manchen Stellen. Vorbei. Das Blau der Tiefe, erweitert durch gelbliche Wärme, verfärbt sich auf den weißen Flächen unserer Hülle in Rot. Ein Kribbeln und Fühlen mit Wärme berührt uns. Der Weg ist das Ziel des Weiterkommens.

Die Schafe lassen sich zählen, aber nicht streicheln. Der Hang ist ihr Leben, hier sind sie zu Hause und freuen sich über das neue Grün. Wir sind tief in uns im Traum, der kein Traum im Traum ist. – Wie geht es Ihnen zu Hause? Die Zeilen aufzunehmen mit den Augen in den Gedanken in das Gefühl der Transformation ins eigene Ich.

Wir sehen uns an, tief in die Augen, faltenbildend. Tief verbunden.

Ein Strömen und Fließen in Richtung des Grundes, über Steine, die dadurch mit einem silbrigen Schimmer spiegelnd überzogen sind. Finger lösen sich voneinander und tauchen tief in die Kühle der umspülten Samtheit ein. Ein Stören des Schimmers, ein Brechen des Flusses des Strömens. Ein Kichern, Funkelndes durchschneidet das Blau und landet auf Rot, es tut gut, diese Kühle zu spüren. Steine werden genommen, angeschaut, gedreht, nach Geschichten betrachtet in ihren Farben, ihr Glitzern untersucht, in den Händen gewiegt die Kälte, die Samtheit, die Rauigkeit gespürt, geherzt. Weg und Flug in den Abgrund, tief das Poltern, lang der Weg, weg für jetzt und immer. Die Schritte am Grat des Seins führen uns weiter, die Wärme öffnet die Schalen, die einen fest umzurren, um geschützt durch das Dasein schreiten zu können. Flatternd und leichten Schrittes, die Finger wieder in sich greifend, die Wärme der Finger spürend, weiter, immer weiter, dem Strahlen des Gesichtes entgegen, zu neuen Schafen. Die Schalen berühren sich und wehen durch den leichten kühlen Wind. Nehmen den Geruch des Blauen, des Gelben, des Weißen, des Blauen auf.

Weich, moosig, zart der Untergrund, die Schritte tief und rund, immer weiter durch das Weite der Träume, die immer freier entlang des Grates entstehen. Das Haar wiegt sich in der Luft von dem ständigen Auf und Ab der Bewegung. Blond und braun, wo sich die Strähnen berühren und ineinander kurz zusammen weben, durchflutet vom Gelb und Blau.

Die Finger verwebt ineinander.

Der Traum ist unendlich und nicht greifbar, die Schafe rücken eng aneinander, es gibt ein schwarzes Schaf dazwischen. Ist das schlecht? Warum sollte ein schwarzes Schaf schlecht sein? Zu Ostern haben wir ja zwei Lämmer gebacken, ein weißes und ein schwarzes, und ehrlich, unser Schwarzes schmeckte uns dreimal besser als das Weiße. In der Mitte steht es, wir schlüpfen durch den Zaun, kein elektrischer, und bewegen uns Finger in Finger auf das schwarze Lämmchen zu. Der Kopf bewegt sich von unten seitlich nach oben zu uns.

Es lächelt, und wir nähern uns. Die Weißen stieben davon. Nur das Schwarze bleibt vor uns stehen. Unsere Finger berühren es. Zwischen den Felsen einer Steinmure finden wir den Rest eines Bergsteigerseils, abgetrennt von der Macht der Mure. Der Schädel und die Knochen eines Schafes liegen verstreut herum. Wir sammeln die Teilchen auf. Einige wurden auf Steinplateaus von Raben durch Fallenlassen zerschmettert. Zerschmetterte Knochen, die nochmals zerschmettert wurden. In einer durchsichtigen Vesperbox finden die gebleichten Schafteile einen Platz. Weiß statt Schwarz im Blau mit Gelb. Finger in Finger, mit der Schachtel in der Hand, über Blumen und Steine hüpfen und springen wir. Tanzen ist ein schönes Wort. Tänzeln zwischen den Schafen und Träumen, tief verwurzelt im Blau, das durch weiße Fläumchen nun gefüllt wird. Der Weg auf dem schmalen Grat weich und glitschig, das Leben in der Tiefe des Sumpfes. Nein, es ist nicht sumpfig, sondern nur glitschig. Der Halt ist da, der Ast biegt sich.

Weiter, der Weg ist lang. Der Blick traumhaft. Die Decke aus Blumen und Grün wunderschön. Der Hauch der Luft, der von der Schlucht gegen den Himmel strömt, streift unsere Nasen tief und befreiend. Der Geruch der Wärme der Tiefe erfüllt uns. Die Ruhe und die Erholung, das Fallenlassen und in die Tiefe des Blaus zu sehen. Die Fläumchen schafen sich zusammen. Eine Herde ohne ein Schwarz darin. Der Traum treibt weiter, die Fläumchen auch. Der Ort ist unbekannt, die Weite spürbar, die Endlichkeit bewegt sich in eine Unendlichkeit des Weiter. Die Knochen in der Kiste rasseln. Es ist das Geräusch des Verlorenen, aber auch Gefundenen. Schaf, du bist bei uns. – Und Sie? Wie weit sind Sie schon? – Ein Fragment des Tages, der sich gerade überlegt, was als Nächstes passieren und erscheinen könnte.

Gesang in der Luft, begleitend ein Singsang aus vielen Melodien, ein Chor, ein Kanon, es ist die Realität, dass vieles, was nicht zusammenpasst, doch ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Ein Verweilen, ein Ruhen in sich, die Stimmen der Vielfalt in sich spüren. Hoch geht es über Gesteinsanhäufungen, die es zu erklimmen gilt. Ein Bachbett am Fuße eines Wasserfalls ohne Wasser, nur mit Steinen, große und mächtige, Überbleibsel vieler Schwalle. Heute stöhnt, schnauft es nur im Echo des Grabens, wo sonst das Raunen und die Stimmen des Wassers zu hören normal ist. Schwer ist der Weg und warm, aber es ist schön, nach oben zu kommen, steil nach oben bis zu dem Punkt, an dem es nicht mehr geht. Ein Ende des Weges, ein Blick nach oben mit den vielen Gedanken, was wäre, wenn ein Strömen und Fallen wäre. Tief ist am Grund ein Loch zu sehen, ausgespült und immer wieder gefüllt mit Material, das der Schwerkraft folgen musste und infolge der Schwerkraft nicht weiter geschwallt wurde. Ein Blick über das Blau mit den vielen weißen Pluderchen, eine Ruhe der Stille, wieder mit den Fingern ineinander verwoben. Ein Atmen aus tiefer Brust, ein Blick des tiefen Vertrauens. Der Block schreit nach Verweilen, auf dem wir uns dann niederlassen zum Blick in den tiefen Grund. Geordnet in sorgfältigen Flächen, mathematisch genau, strukturiert bis zum Gehtnichtmehr, ja, das ist der Grund. Wer hätte das von oben hier je erwartet und vermutet.

Hier von oben auf dem Block, ganz anders betrachtet als auf dem Grund, wie abgehoben und klar plötzlich ersichtlich. Die Schnur zwischen den Strukturen gar störend und laut. Wie eingeschnitten in die Berechnung der Logik und des Seins. Störend und doch zu akzeptieren, als Faden der Bewegung und der Verbindung. Wie geht es weiter, nach einem tiefen Schluck. Weiter muss man, auch wenn der Ort zum Verweilen ist, denn irgendwo muss man hin. Ob das Ziel auch wirklich das Ziel ist oder gar wieder der Ausgangspunkt, das scheint unklar, aber doch so sicher, dass der Ursprung auch das Ende sein wird. Wir gehen dem Grunde wieder zu, leicht annähernd. Ist ja fast irrsinnig, wieder weiterzuschreiten, statt ständig zu verweilen. Ein Ort der Ruhe und der Besinnung. Warum nur der Drang des Weitergehens, warum nur? Des Lachens wegen, das ist es. Zweige wie verzweigte Peitschen streifen uns in unserer gebückten Haltung. Demut oder nur das Durchdringen der Tiefe zur Findung der Lichtung und Freiheit. Wir schieben die Äste mit unseren Armen beiseite, manche sind widerspenstig, manche willig. Der Boden weich und tief. Endlich können sich wieder die Finger ineinander verweben. Die Köpfe sich zueinander bewegen. Die Augen sich gegenseitig in den anderen spiegeln und widerfinden. Ein Lächeln und ein tiefes Atmen.

Schafe auf dem Plateau. Bewegen sich kaum. Manche mit dicken Bäuchen, manche mit kurzem Fell, viele mit gesenktem Kopf. Sollen wir uns ihnen nähern oder weiter am Grat entlangschreiten? Wir wollen die Herde mit den gesenkten Köpfen nicht stören.

Eine Brücke über einen Graben, so tief und verwachsen, dass der Grund nicht wahrgenommen werden kann. Schmal ist sie und wackelig. Ein Schritt folgt vorsichtig auf den nächsten. Die Brücke schaukelt leicht mit uns hin und her. Ein gleichmäßiges Ruhiges. Zu langweilig für uns. Wir laufen nun die Brücke mehrmals auf und ab, springen dabei, und die Brücke schwingt in leichten Amplituden behutsam mit. Sie folgt unseren Vorstellungen, wie und was, jedoch sehr träge und manchmal unerwartet. Die Schlucht unter uns, offen, jederzeit bereit, uns zu verschlingen. Der Pfad schlängelt sich entlang der Lippe des Schlundes, die Zahnreihen unter uns warten auf ein Abrutschen von dieser. Unsere Finger halten sich nun ganz fest, fast ängstlich, mit der Wärme und dem Drücken verschwindet jedoch die Furcht, und die Neugier, die spitzen Reihen unter uns zu betrachten, gewinnt Raum. Das Blau über uns, das nun von weißen Fetzen eingehüllte Gelb, gestaltet den Raum und die Zeit, die in sich fließt und weiterschreitet. Schräg nach unten leitet uns der Pfad. Schmal noch dazu. Im Gesicht ein kalter Wind, der zum Grund schiebt. Kalt und kräftig, die Haare verwirbelnd, die Schalen verschließend. Das Blau und Weiß der Blumen auf den Wiesen nicht mehr breit, sondern in sich verschlossen, sind froh, einen Halt zu haben, um nicht zum Grund gerissen zu werden. Wir klammern uns aneinander, machen uns schmal, das Blau mit den weißen Fetzen gibt uns Halt, denn kein Schwarz ist vorhanden. Die Knochen in der Kiste rasseln bei unseren schnellen federnden, beschwingten Schritten. Es zieht uns nicht in den Grund, und wir wollen auch nicht zum Grund. Wir lieben das Schreiten dazwischen. Weder hoch oben noch tief unten. Wir sind nicht greifbar und festhaltbar, aber nicht ziellos und hoffnungslos.

Schafe vor uns und hinter uns, die Köpfe zum Grund gedreht. Wir durchtrennen sie mit einer klaren geraden Linie. Eine Linie des Schreitens dazwischen, ohne die Absicht, damit etwas bewirken zu wollen. Geradlinig und weiterführend, scheinbar nicht zielorientiert.

Zwischen den Weißen sind nun Schwarze im Blau. Das kalte Blasen spürbar und in sich lauter. Bäume berühren und kommunizieren in sich laut. Es ist kein begleitendes Rascheln mehr, sondern die Dominanz der Töne. Eine Höhle der Geräusche, beklemmend und nach einem greifend. Man duckt sich und macht sich klein, die Kleine drückt sich an den Großen. Die Schritte im gemeinsamen Einklang. Die Finger nach wie vor ineinander verwoben und der Blick gemeinsam. Der Grund nun nicht mehr klar greifbar unter uns, verhängt mit schweren Schwaden. Der Weg geht immer weiter, das Blasen immer kälter. Die Schafe sind weg, nicht mehr sichtbar und nicht mehr fühlbar. – Was machen Sie denn gerade? Wo fangen sich gerade Ihre Gedanken im Wind der Träume? – Der Pfad nur noch schwer erkennbar, zwischen Abgrund und Wand. Der Gang sehr vorsichtig. Das Weiß im Blau, das Blau ist gar nicht mehr, ist vor uns, über uns, seitlich und hinter uns. Es ist dicht da und feucht im kalten Wind. Es umhüllt uns und versperrt den Weitblick. Nur noch die Nähe ist erkennbar und spürbar. Die Ruhe des weißen Mantels fast erdrückend. Die Finger ineinander verwoben, die Sicherheit darin und die Geradlinigkeit des Schreitens. Aus dem Nichts kommt uns eine gemauerte Wand entgegen. Die ist nicht unendlich, sondern endlich. Die Wand eines Gebäudes. Starke Drähte verbinden das Bauwerk über dem Abgrund mit dem Grund. Oder hängt der Grund an dieser Schnur fest, damit der Grund nicht verschwindet? Aus dem weißen Nichts kommt eine Gondel, die einlädt, in das Nichts zu fahren. Der Obolus ist entrichtet, und die Fahrt beginnt, rau und wild, vom heftigen Blasen geschüttelt, dem Grund entgegen durch das Nichts. Arm in Arm und nur zu zweit in dieser Gondel, glücklich, zugleich neugierig und angespannt, dem Grunde entgegen.

Michael Miritsch

www.verdichtet.at | Kategorie: spazierensehen| Inventarnummer: 15143