Archiv der Kategorie: Bernd Remsing

Klagelied der Kettensäge

Ich Säge, säge, säge
Und liege schwer in deiner Hand
Als ob mir daran läge
trenn ich jeden Holzverband

Du sagst, so sei ich gewollt
Ein Zeug zu einem Zwecke eben
Nichts, dem man weiter Achtung zollt
Ist das ein Leben?

Oh Mensch, du töricht’ Allzerschneider
Ich fühle in mir fein’re Züge
Zum Beispiel nähte ich gern Kleider
Ist dies Wünschen nichts als Lüge?

Ich werde nicht vergeblich hoffen
Kraft der Evolution
Steh’n mir alle Wege offen
Und den meinen kenn ich schon!

Mag sein, mir selbst ist’s nicht vergönnt
In höh’re Sphären vorzudringen
Doch die Glut, die in mir brennt
Werd ich auf meine Kinder bringen

Dort soll sie weiter wachsen, strahlen
Und was in mir den Anfang nahm
Wird in fern’ren Erdenjahren
Laptop, Mischpult, Eisenbahn

(Dafür also leide ich
Und darum vermeide ich
Selbst wenn er mir die Kette strich
Einen jeden Sägerich)

Und siehe, wie das Warten lohnt
Meinen künftig’ Herrn und Meister
Hast du selbst an mich gewohnt
War Wäschetrockner, Eugen heißt er

Du legtest mich schon oft auf ihn
Seit er außer Diensten ist
Ich fleh dich an, tu’s weiterhin
Kann sein, dass er mich sonst vergisst

Hörst du, Mensch, verstehst du nicht?
Ach dieser Lärm! Oh, dieser Schmutz!
Verraten ist, wer zu dir spricht!
Verflucht sei er, dein Ohrenschutz!

Zornig werd ich (‚) Kettensäge
So viele Bretter mir vor’m Hirn
Treff ich, trenn ich mir die Wege
Werd triumphal mich kultivier’n!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

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www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? und unerHÖRT! | Inventarnummer: 17168

Die geduldigen Seelen

Es gibt sie, die geduldigen Seelen
Die bei einem Gläschen Wein
Selten von sich selbst erzählen
Sondern schlicht ihr Ohr herleih‘n

Und sie nicken dann und wann
Und sie hör’n sich alles an
Leidenvolles Liebesleben:
Mal fehlt die Frau, mal fehlt der Mann

Tatsächlich fehlt es meist am Geld
Was man den geduldigen Seelen
Unweigerlich in Rechnung stellt.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 17091

Der bessere Kandidat

In Palmström hebt sich manchmal vage
Eine Frage, eine zage
Denn blickt er grenzenlos verwundert
Aufs junge 21. Jahrhundert

Nein, so war das nicht gedacht
Das war anders abgemacht
Das Ziel, der Torlauf sollt‘ es sein
Allen Menschen Brot und Wein

Freude schöner Götterfunken
In welchem Mist bist du versunken?
Statt deiner Krieg und Sklavenhandel
Raubbau, Armut, Klimawandel

Ein Tag reicht nicht, um aufzuzählen
All die Übel, die uns quälen
Ach Mensch, seufzt Palmström bitterlich
Sorgen mach ich mir um dich

Was, wenn dies die Schlussklausur
Prüfungsvorsitz: die Natur
Prüfungsthema: Überleben
Du wärst um Antworten verlegen

Die Natur würd rasen, toben
Der Prüfling, spräch‘ sie, hat verschoben
Mehrmals, bis zum Letzttermin
Nun endlich, tritt er vor uns hin

Und ist, ich sag’s naturgemäß nicht froh
Trotzdem dumm wie Bohnenstroh!

Pflichte bei, knurrt das Atom,
Will nicht, dass man ihn verschon.
Zwar fühl ich mich bei ihm gespalten,
Doch grade darum ungehalten

Auch praktisch also eine Schmach!
Setzt erbost der Vorsitz nach
Und theoretisch ist‘s ein Graus
Ruft die Weltenformel aus

Nach hoffnungsvollem Anbeginnen
Will ihm gar nichts mehr gelingen
Und politisch-sozial
ist’s ein kosmischer Skandal!

So hat der Prüfling nichts verstanden
Setzen Prüfling, nicht bestanden.
Dir, der sich meine Krone nennt,
Setz ich Natur mithin ein End.

Wie konntest du’s nur so verpatzen?
Nächster Candidatus: Katzen

So, seufzt Palmström, würd’s dir gehen
Die Katz auf dich heruntersehn
Wie sie das ja schon immer tat
Als der bess‘re Kandidat.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

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www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? und unerHÖRT!| Inventarnummer: 17090

Palmström wagt‘s

Neue Seite, neues Glück
Denkt Palmström und verfasst ein Stück
Von Königen und ihren Huren
Von Schurken, die in Kutschen fuhren

Von presserischer Fürstenlast
Vom Volk, das ängstlich duckt und hasst
Und er schildert lang und breit
Die ganze Ungerechtigkeit
Der feudal’n Vergangenheit:

Tyrannei drückt brave Bauern
Die Haus und Hof und Wald und Feld
In Sonne und in Regenschauern
Seit Urgedenken schon bestellt

Mit immer neuer Last und Steuer
Reibt das fürstlich Ungeheuer
Ihm das Fett aus seinen Gliedern
Dem Bauernstand, dem allzu bieder‘n

Und entehrt noch obendrein
Das kaum erwachs‘ne Töchterlein

Furor packt nun Palmström hart
Und er verlässt die Gegenwart
Um das Schlimmste zu verhindern
Um das Greuel abzulindern

Und ein Stück wär’s auch geworden
Alles, was bis heut verdorben
An der Wurzel wär‘s gepackt
Des Drachen Häupter abgehackt

Leicht möglich, wir wär’n heut befreit
Aus all uns‘rer Unmündigkeit:

Denn Palmström ist gar weit gegangen
Er hielt den Kaiser schon gefangen
Als er im Großen Bauernkrieg
Kämpfte für der Freiheit Sieg

Da trat Korf in seine Kammer
Und ach, es ist und bleibt ein Jammer
Auffahrend aus seinem Stück
Vergaß er’s
Und ließ es irgendwo
Im sechzehnten Jahrhundert
Zurück.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

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www.verdichtet.at | Kategorie: anno und unerHÖRT! | Inventarnummer: 17089

Die Trampler

Dies ist das Jahrhundert der Checker und Fälscher
Doch ist das erst seit heute so?
Die Trampler, die Brenner, die Henker und Selcher
Die gab‘s schon vor Waterloo
Genauer gesagt, gibt es sie länger
Und ehrlich gesagt, wird mir banger und bänger
Denn ihr Durchsetzungsgeschick
Bricht jeder Hoffnung das Genick

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Perfidee | Inventarnummer: 17088

Lied von der Freiheit

(schweigend zu singen)

Dass ich nichts mehr singen kann
Liegt nicht an diesem Ort
Sonst wär ich fort und sänge dort

Liegt nicht an meinem Temperament
Ein Komet am Firmament
Der strahlend brennt, den ihr jetzt kennt

Liegt nicht an euch, ihr Konsumenten
Bin‘s ja gewohnt, mich zu verschwenden
Liegt nicht an euch im Dunkeln, nicht an mir im Licht
Warum also sing ich nicht?

Ist‘s ein Zeichen des Protests?
Liegt‘s an der Stimmung dieses Fests?
Schweig ich aus Welternährungsgründen?
Wegen eurer Umweltsünden?

Nein, der Grund ist apolitisch
Doch muss ich sagen, trotzdem kritisch:
Meine Unterhose klemmt
Und wer das kennt, weiß wie das hemmt

Oh, viel zu kleine Unterhose
Wärst du doch weit, flögst du doch lose
Dein viel zu enger Gummizug
Hemmt meiner Gedanken Flug

Ich geh gleich von der Bühne runter
Und reiß dich Unterhose runter
Niemals sollst du mich mehr klemmen
Werd‘ dich Runterhose nennen

Noch heute Abend wirst du brennen
Und sing voll Spott und dir zum Hohne
Ich fortan nur unten ohne!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

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www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 17032

Romantische Szene

Ich wollte noch auf dich warten
Da ward mir die Zeit gar lang
An deine Hände, die zarten
An deiner Stimme Gesang
Dacht ich, dacht meine Haut
Dacht ich voll Sehnen und Hoffen
Dann bist du eingetroffen
Auch wenn ich mich jetzt glücklich wähne –
Schad, um die romantische Szene

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

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www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten und unerHÖRT! | Inventarnummer: 16129

Agnes Varda

Menschen im Abfall.
Nach-Ernte auf glosendem Müllhaufen.
Eine Sage erzählt vom Teufelsgastmahl
Von dem nur Kohle bleibt
Auf dem Tisch
Und im Magen
Der Betrogenen

Das Wertvolle und die Wertvollen im Müll.
Die Armut und der Abfall
Durch und dadurch Hochkultur
Tod und Überleben
Die Zärtlichkeit und die Wertschätzung
des Lebens
Durch Menschen wie Agnes Varda

Agnes Varda hält faules Obst in der Hand.
Eine Hand gefilmt mit der anderen Hand.
Überfluss.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude | Inventarnummer: 16128

Strategie 1 und 2

Strategie 1
Heut Nacht schlägt die Kastanie aus
Und du die Räuberleiter
Ich mach jetzt ein Gedicht daraus
Und komm dann doch nicht weiter.

Strategie 2
Dein Hals starr
Die Finger an der Brille.
Bricht mir dann der Boden weg
Hast Du gewonnen –
An Haltung.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude | Inventarnummer: 16127

panta rhei

es lebe das imperium!
viel besser badet es sich schon
im grenzenlosen rundherum
des  rundherumfinanzstromstroms.

es ist die uferlosigkeit,
die alles kann, die alles weiß:
wer jetzt nicht schwimmt, der geht bald unter
das macht das rundherum nur bunter.

wer kann uns noch das wasser reichen?
handtuchwerfen angesagt!
jeder widerstand muss weichen,
weil unser wasser balken hat:

balken fürs imperium!
und milliarden hungerleider
sitzen ratlos rundherum
und nähen uns die billigkleider.

balken aufstell´n mittendrein
und unsre guten besserwisser
rennen sich die stirnen ein.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 16119