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Carlos der Goldfisch

                 Ring – ring.

Bernd:     Hallo Spatzi!

Monika:  Ich bin nicht mehr dein Spatzi. Was willst du?

Bernd:     Ich bin hier, um Carlos zu besuchen.

Monika:  Carlos?

Bernd:     Den Goldfisch.

Monika:  Du spinnst wohl! Umdrehen und zu dir nachhause gehen, aber pronto!

Goldfische im Botanischen Garten

Goldfische im Botanischen Garten

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 25007

Richard Milhous Nixons Frisur

Nenas Sohn Sakias:
Mama, ich möchte zum Friseur gehen.

Nena:
Nein, Sakias, das geht nicht. Als Musiker musst du lange Haare haben.

Sakias:
Aber meine Haare sind viel länger als deine.

Nena:
Na und? Ist doch gut.

Sakias (denkt:)
Ich würde so gern ordentlich aussehen. Die Frisur von Richard Milhous Nixon würde mir doch super stehen.
(spricht:)
Nur die Spitzen schneiden, Mama?

Nena:
Kommt nicht infrage!

Nenas Sohn Sakias auf der Schlosswiese in Moosburg am 5. Juli 2018

Nenas Sohn Sakias auf der Schlosswiese in Moosburg am 5. Juli 2018

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 25010

Moskauer Musikgeschichten 1

Die Rache der Philharmoniker

Mein Chef, Botschafter Dr. Franz Cede, pflegte mich als seine Stellvertreterin zu Veranstaltungen zu entsenden, bei denen er verhindert war oder die ihm aus irgendeinem Grund nicht zusagten. Seinem eigentlichen Stellvertreter, dem jungen, unbedarften Botschaftsrat K., traute er das offenbar nicht zu; er nannte ihn nach dem alten Diplomatenwitz einen „Geschickten, nicht Gesandten“.

Dass K. sich nur gebeugt und im Rückwärtsschritt aus dem Botschafterkabinett entfernte, imponierte dem geradlinigen Cede nicht. Dabei unterließ er jeden Tadel, sondern seufzte nur einmal vor sich hin: „Wo hat der K. diese Unsitte gelernt? Hat der schon am Kaiserhof gedient?“ Ich bemerkte, wahrscheinlich habe er zu viele Sisi-Filme gesehen.

Der Botschafter bekam natürlich immer die interessantesten Einladungen, wollte doch jeder den obersten Repräsentanten der Republik bei sich haben und nicht unbedingt das dritte Glied. Außerdem war mein Allround-Service für ihn sehr bequem: Ich brauchte keinen Dolmetsch und keinen Chauffeur, ich kaufte das Blumenbouquet selbst ein, ich hielt Reden und überreichte Grußbotschaften, machte Taxi-Dienste und ging zur Not noch mit einem einsamen Besucher auf einen Absacker ins Kempinski oder National. Meine Tage schienen 48 Stunden zu haben.

Warum mich der Botschafter damals zum Konzert der Wiener Philharmoniker ins Tschaikowski-Konservatorium geordert hat, weiß ich heute nicht mehr. Aber es war mir „eine große Freude und besondere Ehre“ – mit diesen Worten begannen üblicherweise die Botschafterreden, die er nach zwei Jahren schon auf Russisch vom Zettel ablesen konnte –, die Philharmoniker begrüßen und anhören zu dürfen. Beim Dirigenten Valerij Gergijew hatte ich so meine Zweifel, bzw. wohlgenährten Vorurteile. Der Putin-Protégé hatte zwar schon Gastauftritte in Wien absolviert, aber noch nie mit den Philharmonikern.

Als ich vom Gartenring in die Alexander-Herzen-Straße – neuerdings in Bolschaja Dmitrowka umbenannt – einbog, geriet ich in eine Demonstration: Eine Menschenmasse schob sich auf beiden Seiten die Straße hinunter, auf der Fahrbahn stand der Autoverkehr. Je näher ich dem Konservatorium kam, desto klarer wurde mir, dass es sich um keine Demonstration handelte, sondern um Menschenmassen, die alle dem Konzert zustrebten. Ich konnte mich nur mit Mühe und mit Hilfe von zwei Milizionären zum Eingang durchkämpfen, das Riesenbouquet über meinem Kopf balancierend. Die Moskauer hätten ihre Großmutter verkauft, um an eine Karte der Wenskije Filgarmonisti zu kommen. Ich beobachtete tumultartige Szenen rund um die Türen. Unter Polizeischutz gelangte ich zur Künstlergarderobe, wo ich die Blumen endlich ablegen konnte, rote Rosen und weiße Lilien in einem Nest aus Philodendrenblättern, staatstragende Farben.

Als Staatsgast hatte ich einen Platz in der sechsten Reihe fußfrei, reserviert für die Prominenz. Er befand sich direkt unter dem Dirigentenpult. Die Philharmoniker marschierten unter dem frenetischen Applaus des Moskauer Publikums ein, gefolgt von Valerij Gergijew. Ohne einen Ton gehört zu haben, waren die Menschen schon außer Rand und Band, klatschten stehend und stampften mit den Füßen, dass es klang wie eine heranrückende Panzerarmee, unter der der Boden bebte. Die erste Hälfte war der Strauß-Dynastie gewidmet, die bekanntesten Ohrwürmer von der Blauen Donau, über Radetzki-Marsch, Kaiser-Walzer bis zu Polka schnell, Prater, Wienerwald, Champagner-Serenade und einigen Stücken, die Johann Strauß Sohn in Zarskoje Selo geschrieben hat.

In Moskau war es damals üblich, in Ermangelung eines Programmheftes, eine Ansagerin auftreten zu lassen, die in der übelsten Pathetik des Staatsfernsehens die Nummern ansagte, meiner Meinung nach eine unsäglich barbarische Sitte. Als der Vorschuss-Applaus endlich verstummt und Ruhe eingekehrt war, nach unzähligen Verbeugungen der 72 Männer (es gab damals noch keine Musikerinnen bei den Philharmonikern) alle Platz genommen hatten, erklangen die Walzermelodien.
Eine zweite Unsitte hatte in russischen Konzertsälen und Opern Einzug gehalten: Bei besonders bekannten Stücken mit hohem Erkennungswert auf offener Bühne zu klatschen und durch anhaltenden Applaus eine Wiederholung zu erzwingen. Aber die Wenskije verweigerten dies, da konnte Gergijew noch so sehr fuchteln und strampeln. Sie blieben ruhig sitzen und schauten in Pokerface-Manier ungerührt vor sich hin.

Ach, Gergijew, wie konnte man ihn nur den Philharmonikern vorsetzen? Wer hatte diese unsägliche Idee? Die Manager von Gazprom, die das Konzert gesponsert hatten? Aber von den Wienern wusste man, dass sie nicht nur sehr gut spielten, sondern auch gut rechnen konnten. Gergijew mochte noch so sehr rudern, die Philharmoniker spielten, wie sie immer und überall spielen. Sie brauchten auch überhaupt keinen Dirigenten, sie bildeten immer den gleichen genialen Klangkörper. Sie hätten auch im finstersten Verlies genauso gespielt. Gergijew, ein ossetischer Hüne von Gestalt, mühte sich redlich ab mit ausladenden Gesten und kam so sehr ins Schwitzen, dass die Schweißtropfen aus seiner langen Mähne und dem Gesicht bis in die sechste Reihe spritzten.
Ich hatte den Eindruck, dass die Musiker sich sogar den Spaß machten, ihm davonzugaloppieren wie eine Reitertruppe des Tschingis Khan oder in Ton und Tempo zurückzufallen zum zartesten Pianissimo, unabhängig davon, welche Anstrengungen und Verrenkungen er unternahm.

Aber, um Gottes willen, welcher Teufel hatte Gergijew geritten, sich nicht an die Kleidungstradition der Philharmoniker anzupassen, sondern in einem violetten Langhemd aufzutreten, in dem silbrige Lurex-Fäden glitzerten? Schon bald war es schweißdurchtränkt und zeigte dunkle Flecken auf dem Rücken und unter den Achseln. Er streckte sich oft so sehr in die Höhe, dass es hochrutschte, oder er ging so heftig in die Knie, dass die Mittelnaht der Hose zu platzen drohte. Sein Dirigat beschränkte sich nicht nur auf die Arme, sondern er setzte auch seine Füße ein, stampfte auf, schlenkerte sie so heftig vor und zurück, dass ich fürchtete, seine Hose würde gleich herunterrutschen, und er würde sich wie ein Riesen- Rumpelstilzchen in der Mitte auseinanderreißen und im Podium versinken.

Auch ich als unbeteiligte Zuhörerin war von dieser atemberaubenden Akrobatik schon schweißgebadet. Vielleicht nahm das alles nur mein böser Blick wahr, das Publikum jedenfalls war außer Rand und Band. Von den Gesichtern der Musiker konnte ich keine Gefühle ablesen, sie schauten stoisch vor sich hin, eine Phalanx aus gepflegter Langeweile – fadesse oblige. Nur ab und zu meinte ich, Anzeichen von unterirdischen Blitzen wahrzunehmen, ein lautloses Zucken wie in einer von weitem heranrollenden Gewitterfront. Welche Nervenstärke! Vielleicht standen sie das einzig beim Gedanken ans Konto durch, so wie eine fromme Ehefrau beim Beischlaf an die Jungfrau Maria.

Vielleicht ging ihnen gar nicht mal dieser Clown am Dirigentenpult am meisten auf die Nerven, sondern das noch kulturferne Gazprom-Publikum der Neureichen, das dem Gebrauch der gerade aufkommenden Handy-Kultur frönte. Geklingel, Gepiepse, Gespräche, kleine Blitze und blau leuchtende Bildchen zwischen den Reihen. Wer zahlt, schafft an. Ich habe vor Jahren einmal im Musikverein erlebt, wie sich das Orchester beim ersten Huster wie ein Mann erhob und abzog. Leicht benommen überstand ich die erste Hälfte und konnte in der Pause mit weichen Knien den Blumenstrauß an den Kapellmeister loswerden, zusammen mit den Grüßen des Botschafters, im Namen der Republik. Maestro Gergijew bekam von Gazprom ein noch dreimal größeres Bouquet, überreicht von einer wunderschönen jungen Frau, hart an der Grenze zur Edelnutte, wie man sie neuerdings in den Moskauer Hotel-Lobbys herumsitzen sieht.

Die größte Sünde haben aber meiner Meinung nach die Programmgestalter begangen – nach den Strauß-Melodien ein Tschaikowski-Potpourri anzusetzen. Und wieder erlaubten sich die Philharmoniker einen musikalischen Scherz: Wenn sie zeitweise den Strauß wie Tschaikowski gespielt hatten, schlugen sie bei Tschaikowski Strauß-Töne an. Gegen den Strich. So schaut die Rache der Philharmoniker aus, eleganter, lustiger und genialer geht es nicht. Auch nicht bösartiger und schräger, Strauß wie Tschaikowski und Tschaikowski wie Strauß klingen zu lassen!

Wieder einmal nur mein lange gepflegtes Vorurteil, dass ein einziger Strauß-Walzer mehr musikalische Einfälle enthält als eine ganze Tschaikowski-Symphonie? Er hat eine nette, eingängige Idee, die er dann vier Sätze hindurch variiert und auswalzt. Ich sehe immer den jungen Tschaikowski mit glühenden Ohren im Musikpavillon von Zarskoje Selo stehen, seine ersten Werke in den Händen drehend und auf einen Moment wartend, sie dem Maestro aus Wien übergeben zu dürfen.

Die Russen liebten und verehrten natürlich ihren Tschaikowski grenzenlos, sahen aber auch in Strauß einen Fast-Russen mit seinen 13 Saisonen in St. Petersburg und seiner angebeteten Fast-Verlobten Olga Smirnitzkaja. Da macht es nichts aus, dass deren Offiziers-Vater im weltberühmten Konzertmeister und Kompositeur Strauß einen dahergelaufenen ausländischen und ungläubigen Zigeuner sah und als Ehemann ablehnte. Einmal fiel das Gastspiel fast aus, weil die russischen Zöllner die Strauß-Truppe als zwielichtiges Gesindel, vermeintliche Landstreicher festhielten und nicht in dieses kultivierte Land lassen wollten. Nur durch die Intervention aus dem Sommerpalast trafen sie doch noch rechtzeitig zur 10. Saison in Zarskoje Selo ein.

Was sollte ich machen gegen meine in Wien trainierten Ohren, angefangen von der Familienmusik über die ungezählten Konzerte der Jeunesse musicale bis zu den Abonnementkonzerten das ganze Leben hindurch, ganz zu schweigen von allen Neujahrskonzerten seither. Man kann das Gehör, das genealogisch tiefste und älteste Organ, nun mal nicht ummodeln, das ist eine physiologische Tatsache, Vorurteile hin oder her. Das ist wie eine DNA.

Erinnert und aufgeschrieben nach dem Neujahrskonzert 22 mit den Wiener Philharmonikern unter Daniel Barenboim und am 2.1. unter der 9. Beethoven auf Ö1.

1./2.1.2022

Veronika Seyr
www.veronikaseyr.at
http://veronikaseyr.blogspot.co.at/

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 22014

 

Das Anstrengendste auf der Welt ist Happiness

Der alten Frau im Park
sind nur die Tauben geblieben
und wenn die Krumen aus sind
werden sie wegfliegen.

Der Clown im Zirkus lässt sich
mit Popcorn beschmeißen,
ungeschminkt fehlt ihm das Geld
für etwas zum Beißen.

Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness.
Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness.

Die Lehrerin steht in der
Schule im Mittelpunkt,
doch zuhause wartet nur
Schnaps und der Hund.

Und der fliegende Fisch will
sich in die Lüfte erheben,
doch die Schwerkraft zwingt ihn
zurück ins Meeresleben.

Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness.
Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness,

besonders wenn du
zu den unhappy People zählst,
besonders wenn du
zu den unhappy Fischen zählst.

Der Bademeister ruft
zur Ordnung im Hallenbad,
die Kinder geben ihm zur Auskunft.
„Sei doch nicht so fad!“

Die Kassiererin in der Drogerie
HASST es zu sagen:
„Heute gibt’s Aktionsklopapier,
sogar mit drei Lagen!“

Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness.
Das Anstrengendste auf der Welt ist
Happiness.

Zombie Cash

Dieser Text ist auch als Song zu hören.
www.zombiecash.at

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 21131

Der abwesende Gott

Wo war er,
als all das Böse, Schlechte und Gemeine auf die Erde niederkam?
Er war nicht hier.

Gott hat mich verlassen.
War er denn überhaupt jemals bei mir?
Nie spürte ich doch seine Anwesenheit.

Der Heiland über der Eingangstür

Der Heiland über der Eingangstür

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 21010

Die letzte Fahrt

Er stand am Bug des Schiffes und hielt sich mit einer Hand am Tau der Takelage fest. Der Wind peitschte ihm erbarmungslos die Gischt ins Gesicht, seine dunklen Locken klebten auf der Haut. Seinen Kopf gegen den Himmel gerichtet, flehte er die Götter an, die Meeresbewohner zu beruhigen.
Die Ruderer an Bord kamen schwer voran, manche riefen ihm zu:
„Orpheus, hilf uns doch! Musiziere und beruhige die Götter!“ Mit Mühe kletterte er auf den rutschigen Dielen zu seiner Lyra und begann zu musizieren. Im Rhythmus gab er den Seemännern den Takt vor, besänftigte das wütend gewordene Meer und endlich konnten sie bei ruhiger See durch die Ägäis segeln.
„Das war knapp“, meinte ein Ruderer später und klopfte Orpheus freundschaftlich auf die Schulter. Die Sonne erhellte wieder das Firmament und trocknete die Kleidung der Seefahrer, die bis auf die Haut nass geworden waren. Zum Dank spielte er weiter auf seiner Lyra und bald erreichten sie die Insel Lesbos.

Reges Treiben herrschte im Hafen und nach einem kurzen Marsch kamen sie in eine kleine Stadt. Sie wollten sich stärken nach der anstrengenden Fahrt, und entlang der Stadtmauer wurden die ersten Waren feilgeboten.
Orpheus fiel eine bedrückte Stimmung auf, ganz anders als auf den anderen Inseln, die sie bisher erreicht hatten. Die Landwirte mit ihren Eselskarren, Töpfer und Schmiede, die Frauen an den Ständen, in kümmerliche Kleider gehüllt, hatten alle einen abweisenden Gesichtsausdruck. Oder war es gar Trauer, die Orpheus in ihren Augen sah?
„Was ist den Menschen hier widerfahren?“, wandte er sich fragend an einen Mannschaftskollegen.
„Lesbos ist bekannt dafür, dass die Menschen hier sehr arm und unglücklich sind. Es fehlt ihnen an den schönen Dingen des Lebens. An Musik, Kunst, Vergnügen.“
Sie saßen an einem kleinen, wackeligen Holztisch, verspeisten Oliven und Schafskäse und tranken jeder einen Becher Wein. Die gedämpften Stimmen der Händler im Hintergrund boten Waren feil und wurden nur wenig von den Vorbeimarschierenden beachtet, die alle mit gesenkten Köpfen ihren Blick auf die staubige Straße richteten.

„Meiner Frau Eurydike, die Götter mögen sie selig ins Reich aufgenommen haben, versprach ich am Sterbebett, meine Musik weiterzuführen und Gutes zu tun. Meint ihr, ich könnte hier auf der Insel mit meiner Lyra die Leute wieder fröhlicher stimmen?“
Die Seeleute erhoben ihre Weinbecher und prosteten ihm zu:
„Ja, Orpheus! Wunderbar!“ Ein junger Matrose sprang auf eine kleine Steinmauer und rief den Menschen zu:
„So kommt und hört! Orpheus ist auf eurer Insel und wird euch mit seinem Gesang den Tag erhellen und erträglicher machen. Kommt herbei!“ Euphorisch die Hände schwingend, bedeutete er den Bewohnern, näherzutreten. Orpheus nahm seine neunsaitige Harfe und begann zu musizieren.
Bald drängten Männer, Frauen und Kinder mitsamt Eseln und Ochsen um den kleinen Platz und lauschten seiner Stimme. Manche hatten Tränen in den Augen, andere tanzten zur Musik, wieder andere nahmen ihre Mitbürger bei der Hand oder fielen einander in die Arme. Den ganzen Nachmittag erfreuten sich die Bewohner der Stadt an der Darbietung von Orpheus.
Auch nächsten Tag und übernächsten Tag konnten es die Menschen kaum erwarten, ihn zu hören. Er hatte große Freude daran, die Einwohner glücklich zu sehen, und in Gedanken war er bei seiner verstorbenen Frau Eurydike.
Die Bewohner sprachen mit leiser Stimme:
„Mit seinem Gesang und der Dichtkunst kann er Götter betören, auch Menschen und sogar Tiere, Pflanzen und Steine. Bäume neigen ihm sich zu, wenn er spielt, und die wilden Tiere scharen sich friedlich um ihn.“

Nach einer Woche stand Orpheus im Hafen und verabschiedete sich von seinen Seefahrern.
„Dies war meine letzte Fahrt. Ich werde hier bleiben, es ist wohl meine Bestimmung.“
„Wir werden wiederkommen, Orpheus. Dann lass uns die Weinbecher erheben und uns deiner Gesangskunst lauschen.“ Die Mannschaft bestieg das große Schiff, nahm an den Rudern Platz und verließ den Hafen.

Bei seinem nächsten Auftritt bemerkte Orpheus unter den Zuhörern eine Frau, sie verweilte in der hintersten Reihe und beobachtete das Treiben. In einem ultramarinblauen seidenen Kleid mit aufgestickten fünfzackigen Sternen aus feinsten Goldfäden stand sie reglos in der Menge, mit versteinerter Miene. Ihr blondes langes Haar wehte im Wind und sie wirkte erhaben und elegant. Sie tanzte nicht, lachte nicht und sie sprach auch nicht mit den anderen. Manchmal blickte sie Orpheus tief in die Augen, als wolle sie ihn verführen. Entgegnete er mit einem Lächeln diesen Blick, wandte sie den Kopf ab und verschwand.

Jeden Tag kam sie auf den Vorplatz an der Stadtmauer, und während einer Mittagspause, als es unerträglich heiß wurde, drängte er sich durch die Menge auf die betörend schöne Frau zu. Mit einer leichten Verbeugung stellte er sich vor und fragte nach ihrem Namen.
„Ich heiße Europē“, entgegnete sie mit kräftiger Stimme.
„Nun, Europē, wie kommt es, dass du täglich meiner Darbietung lauschst, obwohl sie dir augenscheinlich nicht gefallen mag?“, fragte er gutmütig. Sie verzog ihren Mund zu einem abscheulichen Lächeln. Schlagartig war ihr Gesichtsausdruck nicht mehr feminin und zart, er glich eher einer Fratze. Mit spitzer Zunge und bebender Stimme antwortete sie:
„Ich bin lediglich hier um zu beobachten. Es interessiert mich nicht, wie du Menschen betörst und ihnen den Kopf verdrehst. Auf mich wirkt das nicht, es ist geheuchelt und ich harre der Dinge, die da kommen mögen!“, fauchte sie ihn an. Bei ihren Worten wich Orpheus jäh zurück und er konnte nicht fassen, was er gehört hatte.
„Aber ist es denn so schlimm, Gutes zu tun? Den Menschen wieder Zuversicht, Freude und Glück zukommen zu lassen? Viele Bewohner hier leiden Hunger und sind von Kriegsfahrten heimgekehrt, haben schreckliches Elend gesehen. Was ist verkehrt daran, ihnen mit ein wenig Gesang, Musik und Dichtkunst den Weg zu ebnen nach den reinen, feingeistigen Freuden und nach der Liebe?“

Lange Zeit starrte sie ihm in die Augen. Der Wind schien stillzustehen und es war, trotz der Mittagshitze, eine frostige Kälte zu spüren. Die Menschen, die vorher den Platz gesäumt hatten, hatten die Worte von Europē gehört und liefen eilig weg aus Angst.

„Liebe, Mitgefühl, Empathie kann man nicht erzwingen, du Narr!“, entgegnete sie giftig und verließ den Platz.

Manuela Murauer
waldgefluesteronline.com

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 20111

 

 

 

 

 

 

Das Mikro

Was sagt der Tourmanager zur hübschen Bassistin?
„Weißt du was, Darling? Du kriegst ein Mikro.“
„Wozu denn? Ich kann ja nicht singen“, sagt die Bassistin.
„Das nicht, Mädchen, aber die Leute wollen dich atmen hören.“

Mischanlage im Fluc & Fluc Wanne

Mischanlage im Fluc & Fluc Wanne

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 20032

Aufgeb’m tuat ma an Briaf

Es kummt wohl für jed’n – einmal so a Zeit
Wo einfach nix glatt geht – und di nix mehr g’freut
Z‘erst strampelst und denkst dir – des kann’s ja net sei
Machst halt einmal Pause – und steigst wieder ei

Aber’s geht net, aber’s geht net – es hat ja kein Sinn
Da kannst di am Kopf stell’n – jetzt streikt die Maschin

Da fahrst auf der Autobahn – und bist no guat drauf
Und dann drängen s’ und blinken s’ – und fahr’n dir fast auf
Bis’s vorn wo an Crash gibt – und die Geg’nfahrbahn gafft
Und dei Tank ist bald leer und – im Handy kein’ Saft

Warum geht nix, warum geht nix – was is da vorn g’schehgn
Du hast seit aner Stund
– ka Bewegung mehr g’sehgn

Du baust an dein’ Häusl – am Samstag in Ruah
Da geht der Zement aus – und der Baumarkt hat zua
Jetzt denkst dir, beim Nachbarn – da burgst dir an aus
Aber der ist beim Heurig’n – und es ist niemand z’haus

Jetzt geht nix mehr, und du hast – an hilflos’n Zurn
Du kannst nimmer weiter – und der Tag ist verdurb
m

Es geht wohl bei jed’n – amal etwas schief
Damit dir was einfallt – denk alternativ
Oder drah die G’schicht um – weil des warat ja g’lacht
Und von dera Seit’n – hast es eh noch nie g’macht

Und auf einmal geht alles – du bist wieder guat drauf
Wia die Großmuatter g’sagt hat – nur an Briaf gibt ma auf
Wia die Großmuatter g’sagt hat – nur an Briaf gibt ma auf

Robert Müller

Dieser Text ist auch als Song zu hören, vertont und gesungen von Jimmy Schlager.

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 19110

Hexenlied

Wir schütteln uns beim Möhrenkochen
Und setzen unsre Röhrenknochen
Tief ins Gemüsebeet

Wir streichen Farbe, bis sie deckt
Dahinter ist der Sinn versteckt
Der sagt was, was kein Mensch versteht

Es liegt ihm doch sehr viel daran
Dass Schimmel weiß und Pferd sein kann
Das hat dem Sinn den Sinn verdreht.

(Schrilles Gelächter)

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: unerHÖRT! | Inventarnummer: 19045

 

Das Gehirn des Dmitrij Schostakowitsch

aus den „Russischen Kuriositäten“ von Veronika Seyr

In den Morgenstunden des 22. Juni 1941 überschritt die deutsche Wehrmacht mit der „Operation Barbarossa“ die sowjetische Grenze – für die Menschen der Sowjetunion der Beginn des Großen Vaterländischen Krieges. Den damals schon weltberühmten Komponisten Dmitri Schostakowitsch erreichte diese Nachricht als Vorsitzenden der Prüfungskommission in der Klavierklasse des Leningrader Konservatoriums. Ohne Unterbrechung wurde der Wettbewerb weitergeführt, obwohl die ganze Stadt sofort massive Verteidigungsmaßnahmen traf. Später nahmen auch die Professoren und Studenten am Barrikadenbau teil. Anfang August erschienen die ersten deutschen Flugzeuge über der Stadt, es begannen die Bombardierungen und der Artilleriebeschuss. Von da an wurde die Stadt 900 Tage und Nächte bis Februar 1944 eingeschlossen und bombardiert, in der Leningrader Blockade starb fast die Hälfte der Bevölkerung, eineinhalb Millionen Menschen, sie wurden von der Artillerie getötet, verbrannten, verhungerten, erfroren oder fielen Seuchen zum Opfer.

Die allgemeine Mobilmachung wurde angeordnet. Jungen von siebzehn bis zu Männern von sechzig wurden einberufen. Schostakowitsch hatte sich zweimal freiwillig gemeldet, aber er wurde nicht eingezogen. Als die deutsche Luftwaffe begann, Brandbomben auf die Stadt zu abzuwerfen, organisierte das Konservatorium eine Art von freiwilliger Feuerwehr, die während der Angriffe auf den Dächern ausharren musste. Ein Augenzeuge berichtet, wie man Schostakowitsch einen Feuerwehrhelm aufgesetzt und ihm gesagt hat, er soll auf das Dach steigen und sich fotografieren lassen. Die ganze Welt kennt dieses Foto. Es sollte aufrütteln, Leningrad zu Hilfe zu kommen. Der international bekannte Komponist wurde als Sympathieträger für die Sowjetunion eingesetzt. Schostakowitsch war keine zehn Minuten auf dem Dach, trotzdem stand er ab jetzt im Mittelpunkt der sowjetischen Propaganda, die Stalin persönlich orchestrierte und dirigierte.

Am 19. Juli 1941, einen Monat nach dem Angriff, begann er mit der Komposition einer neuen Symphonie. „Meine Symphonie Nr. 7 widme ich unserem Kampf gegen den Faschismus, dem Heldentum unseres sowjetischen Volkes, unserem Sieg über den Feind und meiner Heimatstadt Leningrad“, schrieb er auf die Titelseite. Er beging gerade seinen 35. Geburtstag, indem er nicht feierte, sondern fast 24 Stunden ohne Pause an einer neuen Komposition schrieb.
Die Musiksprache dieses Werkes ist stark vereinfacht, was nicht verwunderlich ist, da die Symphonie breiten Zuhörerkreisen die Idee des Kampfes und des Sieges über den Feind vermitteln sollte.

Die Gestalt des Künstlers, der vom Kampf inspiriert, mitten in der Verteidigung eine Symphonie komponiert, war ein großartiges Werkzeug der Kriegsanstrengungen. Außerdem entsprach das nationale Genie ganz und gar der russischen Psyche. Bald schon rankten sich viele Legenden um die Entstehung der 7. Symphonie.
Die abenteuerlichste entstammt aber nicht der sowjetischen Propaganda oder dem russischen Volksmythos, sondern den Forschungen des chinesischen Neurologen Wang Dajue. Er will wissen, dass Schostakowitsch nicht als Feuerwehrmann auf dem Dach verletzt wurde. Als Trümmeraufräumer auf dem Newski-Prospekt soll ihn ein Schrapnell in die Stirn getroffen haben. Die kaum sichtbare Wunde wurde von ihm selbst, der Familie und Freunden als so unbedeutend eingeschätzt, dass sie nicht mehr behandelt wurde als durch einen Kopfverband. Der Splitter blieb aber in der linken Gehirnhälfte, im Cornu inferius des linken Gehirnventrikels, stecken.

Viel später, erst nach dem Krieg, begann er über Kopfschmerzen zu klagen und ließ sich von Ärzten untersuchen. Dr. Wang Dajue pflegte in den 50er-Jahren engen Kontakt mit sowjetischen Neurologen und konnte den Metallsplitter in Schostakowitschs Gehirn mit Röntgenaufnahmen lokalisieren. Wenn er den Kopf nach rechts drehte und leicht abwärts wandte, strömte ihm eine Fülle von Melodien in den Kopf, die er aufschrieb und in seine Kompositionen einwob. Der Fremdkörper habe sein Gehirn stimuliert und mit Gedankenblitzen überflutet, behauptet der Neurologe. Nichts davon ist gesichert außer seine späteren Kopfschmerzen.

Wenn etwas an dieser Legende stimmen sollte, wäre es die unerträglichste Grausamkeit, dass ausgerechnet ein deutscher Bombensplitter verantwortlich sein soll für die besten Stücke der Weltmusikliteratur.

Es bedarf aber gar nicht der Legende des chinesischen Neurologen, um sich von Schostakowitschs ungewöhnlicher Komponierweise zu überzeugen. Es gibt viele Zeugnisse dafür, die meisten und besten vom Komponisten selbst. Es war 1927, also vierzehn Jahre vor der 7. Symphonie, als er beim Verfassen der Oper Die Nase ins Stocken geriet. Er hatte den ersten Akt unglaublich rasch geschrieben, in einem Monat im Sommer. Nach einer kleinen Pause machte er sich an den zweiten Akt, er schrieb ihn in drei Wochen nieder. Der dritte Akt machte ihm jedoch Schwierigkeiten. Gleichzeitig stieg der Druck, denn das Leningrader Maly-Theater hatte beschlossen, das Werk in das Programm der nächsten Spielzeit aufzunehmen.

In dieser Zeit hatte Mitja einen eigenartigen Traum.
„Ihm träumte, dass der Termin der Premiere seiner Oper Die Nase bereits festgelegt ist und er zur Generalprobe gehen muss. Aber es scheint sich alles gegen ihn verschworen haben. Mitja, der immer genau und pünktlich ist, verspätet sich aus unerklärlichen Gründen. Ob in der Straßenbahn oder im Bus, überall wird er aufgehalten. Endlich gelangt er ins Theater, von Weitem hört er schon die Vorwürfe des Dirigenten Samuil Samossud. Eiligst durchquert er das Vestibül und stürzt in den Saal. Das Orchester probt gerade den dritten Akt. Schostakowitsch setzt sich ganz nach hinten und hört zu, klar und deutlich hört er die Musik des dritten Akts, sieht und hört den Chor und die Sänger … Die Oper endet, der Vorhang fällt, Beifall. Das Publikum ruft nach dem Komponisten … Da wacht Schostakowitsch auf, ganz außer sich. Er läuft ins Nebenzimmer, erzählt den Hausgenossen aufgeregt von seinem Traum und der darin gehörten Musik. Er setzt sich hin und schreibt sie auf. Innerhalb von drei Wochen hat er den dritten Akt fertig komponiert und ihn zu Samossud gebracht.“ (M. Dolgopolow, In: Izvestija 13. 9. 1975, zit. nach Krysztof Meyer. Schostakowitsch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, S 117f )

Zu den interessantesten Teilen der Oper gehört das Zwischenspiel zum zweiten Bild. Es ist das erste Musikstück, das ausschließlich für Perkussionsinstrumente geschrieben wurde. Das war damals eine absolute Neuheit. Edgar Vareses Ionisation wurde erst drei Jahres später geschrieben. Angeblich wussten die beiden Komponisten nichts voneinander. Ähnlich überraschend, dass einige Stellen im ersten und zweiten Akt verblüffend an Arnold Schönberg und Anton von Webern erinnern, obwohl Schostakowitsch sie nicht gekannt und nie deren Partituren gesehen hat.

Einen Monat nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion begann Schostakowitsch mit der Arbeit an der 7. Symphonie, der Leningrader. Beendet hat er sie am 27. Dezember 1941, nachdem er im Oktober mit der Familie nach Moskau, später nach Kuibyschew evakuiert worden war. Fünf Sätze in fünf Monaten, und zu welcher Zeit!
Am 17. September 1941 notiert Schostakowitschs Jungendfreund Walerian Bogdanow-Beresowski in seinem Tagebuch:
„Auf seine Einladung hin fuhren wir zu ihm hinaus in die Skorokodow-Straße.

Die enormen Partiturseiten, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet lagen, machten den Umfang der Besetzung deutlich. Schostakowitsch spielte uns die neue Symphonie nervös und angestrengt vor. Er bemühte sich ersichtlich, alle Farbnuancen des Orchesters wiederzugeben. Der Eindruck war kolossal. Es ist ein erstaunliches Spiegelbild der gegenwärtigen Zeit, ein Widerschein der äußeren Ereignisse, der in eine sehr komplizierte musikalische Form umgesetzt wurde, ohne in irgendeiner Weise die Gattung zu verflachen. Diese Symphonie ist sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Form kühn und unerschrocken, vor allem im ersten Satz mit seiner langen Entwicklung nach der Exposition. (...)
Plötzlich drang von der Straße das gellende Heulen der Sirenen zu uns herein. Der Komponist kümmerte sich nach Beendigung des ersten Satzes darum, dass sich seine Frau und die beiden Kinder in den Schutzraum begaben, er selbst jedoch wollte das Spiel nicht unterbrechen. Begleitet von den dumpfen Explosionen der Flugabwehrkanonen, stellte er uns den zweiten Satz vor und zeigte Skizzen zum dritten Satz, schließlich spielte er alles noch einmal.
Als wir aus dem Petrograder Stadtteil zurückkehrten, sahen wir von der Straßenbahn aus den Feuerschein – eine Spur des zerstörerischen Werks dieser Barbaren der Lüfte. Unter dem Eindruck der Musik und des edlen Pathos der Symphonie verspürten wir die Sinnlosigkeit dessen, was um uns geschah, besonders eindringlich.“

Die Siebente wurde am 5. März 1942 in Kuibyschew vom ebenfalls dorthin evakuierten Orchester des Bolschoi Theaters unter Samuil Samossud uraufgeführt.
Am 22. März 1942 kam das Orchester in Moskau zusammen. Inzwischen hatten die deutschen Truppen die Ukraine, Weißrussland, die Moldawische Republik und das Baltikum in ihre Gewalt gebracht. Immer häufiger flogen sie Angriffe auf Moskau. Dennoch war das Konzert ein großes Ereignis, und nur mit Mühe fanden alle Besucher im Saal Platz. Ein Musikkritiker erinnert sich an die Moskauer Erstaufführung: „Vor Beginn des 3. Satzes trat der Leiter der Flugabwehr neben den Dirigenten. Er hob die Hand und meldete in ruhigem Ton, um keine Panik hervorzurufen, das Einsetzen des Fliegeralarms. Trotzdem verließ niemand seinen Platz, die Symphonie wurde zu Ende gespielt. Ihr mächtiges Finale, das den Sieg über den Feind ankündigt, schuf eine unvergessliche, mitreißende Atmosphäre. Die stürmischen Ovationen gingen über in eine leidenschaftliche Manifestation patriotischer Gefühle und in Begeisterung über das Talent unseres großen Zeitgenossen.“

Die Erstaufführung im belagerten Leningrad fand am 9. August 1942 unter der Leitung von Karl Eliasberg in der Philharmonie statt. Die Musiker wurden zum Teil von der Front geholt, andere aus ihren Kellerlöchern im belagerten Leningrad. Sie waren ausgehungert, ausgemergelt, in Uniformen oder Lumpen. Aber sie spielten die „Leningrader“. Auf Befehl des Kommandanten der Leningrader Front setzte man eine umfangreiche Militäroperation in Gang: Am Tag des Konzerts wurden die Deutschen mit einem wahren Sperrfeuer belegt; 3000 großkalibrige Granaten gingen auf sie nieder.

Danach zog die „Leningrader“ in einem unvergleichlichen Siegeszug um die ganze Welt, und ihr Erfolg hält bis heute an.

Dabei haben sowjetische Komponisten während der Leningrader Blockade insgesamt 192 Werke verfasst, darunter neun Symphonien, acht Opern, sechzehn Kantaten und fünf Ballette. Im Gespräch und im Gedächtnis blieb aber nur die Leningrader Symphonie, die Siebente von Schostakowitsch.

22.7.16

Veronika Seyr
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