Archiv des Autors: Redaktion verdichtet.at

Bei VW

                          Bei VW in Wolfsburg.

Roboter:
Was ist los, Mensch? Warum so langsam? Leg einen Zahn zu! Wir stehen hier alle wegen dir.

Mensch:
Ich kann nicht schneller. Ich bin ja kein Roboter.

Roboter:
Du wärst aber besser einer. So können wir dich nicht brauchen.

Mensch:
Was soll das heißen? Du bist doch nicht mein Chef. Du bist ein Roboter, ein maschineller Produktionsmitarbeiter. Außerdem kommen hier ohnehin drei Roboter auf einen Menschen.

Roboter:
Schlechtes Verhältnis. Zehn auf einen wäre besser. Da fällt mir gerade etwas ein: Warum verdienen wir Roboter eigentlich nichts?

Mensch:
Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Weil ihr keine Ausgaben habt? Es gibt für euch ja nichts außer eurer Arbeit. Oder seid ihr auch auf Freizeit programmiert?

Roboter:
Nö.

Mensch:
Na, siehste.

Der gelbe Schrott-VW-Bulli

Der gelbe Schrott-VW-Bulli

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 25060

Melange

Fließt ineinander,
Farben und Töne und Düfte.
Vermischt sich
wie Kaffee und Milch und Zucker
zur Melange.

In der Erinnerung
ist alles eins.
Nie bitter wird der Tee,
auch wenn er noch so lange zieht.
Süßer wird er sogar mit den Jahren
zwischen Ereignis und Gegenwart.

 

Schampusflaschen im farbveränderten Licht im Café Melange

Schampusflaschen im farbveränderten Licht im Café Melange

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 25059

Schneewittchen

Nicht du hast sie verlassen,
sondern sie dich, stimmt’s?
Du wirst sie nur noch von hinten sehen,
und das mit ihrem neuen Freund,
der viel größer ist als du und tausendmal reicher,
wie bei Schneewittchen und den sieben Zwergen.
Sie ist zwar nicht Schneewittchen, doch du bist ein Zwerg.

Das Gemälde von Schneewittchen und den sieben Zwergen um 120,-

Das Gemälde von Schneewittchen und den sieben Zwergen um 120,-

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 25058

Elefant

Ich bin ein Elefant. Ich lebe in der afrikanischen Steppe. Ich bin ganz zufrieden hier, es gibt sauberes Wasser, und die Elefantenkühe sind nett. Ich stehe kurz davor, mich mit einer jungen anzufreunden.

Aber jetzt hat irgendein Idiot den letzten Baum in dieser Gegend gefällt. Wie soll ich mich jetzt kratzen? An so etwas denkt natürlich kein Mensch.

Der Elefantenradiergummi

Der Elefantenradiergummi

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 25057

Sand unter den Hufen

Schön ist’s hier auf Sylt, denkt die Kuh Resi. Blau ist der Himmel, und blau ist das Meer. Saftig ist das Gras, schmeckt besser als das zuhause. Ich war ja noch nie auf Urlaub. Auch die Düne ist neu für mich. Ich reck meine Schnauze gegen den Wind, hab Sand unter den Hufen.

Kühe auf der Weide bei Wolfsberg am 2. Juli 2021

Kühe auf der Weide bei Wolfsberg am 2. Juli 2021

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 25056

Zettel

Er kam heim, später als zu Mitternacht.
Nach Arbeit und Vergnügen wollte er nichts als schlafen.
Nur noch die Zähne putzte er sich, ging auf Klo,
zog sich aus.
Legte sich ins Doppelbett.
Das war kalt und gemacht,
denn sie war nicht drin.

Weil sie gegangen war.
Weil es ihr gereicht hatte,
weil sie gar keinen anderen hat, aber lieber keinen als ihn,
wie es auf dem Zettel stand, der auf ihrem früheren Kopfkissen lag.

Teil eines von einer Frau geschriebenen Zettels

Teil eines von einer Frau geschriebenen Zettels

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Wortbild | Inventarnummer: 25055

Zwischen Hölle und Himmel

Vor mir liegt eine Nacht zwischen Hölle und Himmel.
Sie wird wahr sein und wirklich, denn meine Augen bleiben offen.
Ich wünschte mir, es wär schön, wärst du meine Begleiterin.
Hand in Hand fliegen wir, die Feuer werden uns nicht brennen.
Wir atmen Schwärze statt Luft.
Ruhig und unverdorben ist’s im obigen Garten.
Wir essen ein paar Äpfel vom Baum der Erkenntnis,
gar nicht, weil wir schlauer werden wollen, aber ein bisschen Sünde tät uns gut.
Auf dem vollen Mond dann ruhen wir uns aus
und erzählen den Kindern Traumgeschichten.
Und bringt die Sonne den neuen Tag, sind wir schon ein Weilchen zurück.

Die aufgehende Sonne über Bäumen in Krumpendorf am 28. August 2024

Die aufgehende Sonne über Bäumen in Krumpendorf am 28. August 2024

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 25053

Sehnsuchtsvoll

So oft hab ich dein Haar geküsst
die raue Wange zart gestrichen
Und dächt, wenn ich’s nicht besser wüsst
du wärst grad durchs Haus geschlichen

Leis folg ich deiner Blütenspur
betrink mich an vertrautem Duft
Lausch deinem Klang in Raum und Flur
und wieg mich sanft im Tanz der Luft
bis meine Angst gewichen

Claudia Lüer

www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude |Inventarnummer: 25052

Freundliches Universum

für Ansgar, einen Neuankömmling

Kann nicht nah genug sein
bei meiner Sonne,
meiner einzigen Sonne;
war immer ein Teil von ihr,
lebte durch sie;
sie ist alles an
Wärme, was ich will,
die Nahrung, die ich brauche,
ihr Puls der Rhythmus,
nach dem ich lebe

manchmal spüre ich,
dass es auch andere Planeten gibt,
die meine Sonne umkreisen;
sie tragen mich, bedecken mich,
reiben ihre raue Haut an mir,
der größte von ihnen
nennt mich seine Sonne
seinen Sohn, seinen Zweiten;
sie lehren mich zu greifen,
sie geben mir Geräusche
und Gerüche,

die von weit außerhalb
meiner eigenen kleinen Galaxie kommen
mit undeutlichen Botschaften:
Trotz all dieser Weite,
dieser Kälte, dieser Leere,
des schrillen Lärms, des harten Lichts,
des Nicht-verbunden-Seins
kann dieses Universum
sich immer noch als
ein rundum freundliches entpuppen.

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: let it grow | Inventarnummer: 25050

Wind nach dem Sturm

Der Wind brauste.
Aber ich musste hinaus
nach dem Sturm,
um meinen Teufeln
eine letzte Chance
zum Entkommen zu geben.

Das Erste, was ich wirklich hörte,
war ein durchdringender Hahnenschrei.
Das Erste, was ich wirklich sah,
war der clownartig aussehende Kerl selbst
mit seinem Hühner-Harem.

Was hatte ich noch verpasst
auf dem Hinweg zur alten Mühle:
all die abgebrochenen Zweige,
die unschuldigen schwarzen Schafe.
Auch die einhornhaften weißen Pferde,
die mich fragend anzuschauen schienen.
Einige wieherten, eins
schüttelte mit dem Kopf –
scheinbar in meine Richtung –
zu Recht, auf jeden Fall zu Recht.
Denn die Teufel
stecken in den Details,
die meine Gehirnwindungen verstopfen
mit zu vielen virtuellen Blättern
aus zu viel Brainstorming
und der einzige Weg raus ist:
Raus!

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 25049