Schlagwort-Archiv: Von Mücke zu Elefant

Wutrede eines Schafes

Um uns die Wolle abzuscheren
Genügt doch schon weitaus
Unser ängstliches Begehren
Nach Sicherheit und Haus

Es geht vermess’nerem Verlangen
Kein Schafskopf auf den Leim
Doch um Schafe einzufangen
Braucht’s nur ein Bedürfnis sein

Wir halten still ein ganzes Leben
So wurden wir erzogen
Und stell’n nach diesem Leben eben
fest:
Wir wurden d’rum betrogen

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 22070

Insekt

Die Frau mit den orangen Haaren
stand neben mir in der Apotheke Ebenthal.
Ihr Gesicht war ebenmäßig mit vollen Lippen,
und sie war mit einer Eins-a-Figur gesegnet.

Aber sie wusste, dass sie gut aussieht,
und sie merkte, dass ich sie beobachtete.
Ich war bloß Luft für sie, und falls ich versucht hätte,
mit ihr ins Gespräch zu kommen, ein lästiges Insekt.

 

Das I-LOVE-YOU-Girl

Das I-LOVE-YOU-Girl

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 22062

Leseratten für Leseratten

Gebrauchsanweisung für „Leseratten“ in der Volksschule:

Der Autor als „Lesepate“ an einer Wiener und einer Volksschule in NÖ zu seinen Schulkindern:

Leseratten (siehe Foto) sind sehr neugierige Tiere – sie wollen nicht wochenlang zwischen denselben Seiten liegen, sondern immer etwas Neues kennenlernen – das solltet ihr auch!! Lasst euch nie eure Neugier nehmen oder schlechtmachen! Nur solange ihr neugierig seid, etwas Neues kennenlernen wollt, lernt ihr etwas dazu.
Nur Menschen, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen immer erweitern, erleben interessante neue Gebiete und können überall mitreden. Darum sollten Leseratten jeden Tag wenigstens zwei Seiten „Nahrung“ zu sich zu nehmen dürfen.

Jeder sollte mindestens eine Leseratte zu Hause haben!!!

Leseratten für Leseratten

Leseratten für Leseratten

Robert Müller
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21134

Cats at Work

„Gehen wir nachher auf eine Maus?“, fragt der eine Katzenkollege den anderen. „Klar“, sagt der andere, „und mit ein bisschen Katzenmilch dazu.“

Die Katze Lady Strange und die Waldmaus ohne Überlebenschance

Die Katze Lady Strange und die Waldmaus ohne Überlebenschance

Der rotgetigerte Kater mit dem halben Schwanz und die Katze Lady Strange

Der rotgetigerte Kater mit dem halben Schwanz und die Katze Lady Strange

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21133

Schmetterlinge

Gestern, an einem warmen Tag Anfang August, ging ich an einer Wiese vorbei. Auf ihr sah ich zwei Schmetterlinge miteinander turteln. Der eine wirkte unauffällig, wahrscheinlich das Weibchen, der andere, das mutmaßliche Männchen, war auf der Flügeloberseite dunkelgrün, gelb und schwarz, und was das Besondere war, auf der Flügelinnenseite hellrot und schwarz. Das ist selten bei Schmetterlingen, üblicherweise haben sie dort eine Farbe, mit der sie getarnt sind, wenn sie sich ausrasten.

Das würde ich gern fotografieren, dachte ich. Ich hatte aber weder mein Smartphone noch meine Kamera mit dabei. Irgendwie müsste es doch trotzdem gehen, überlegte ich. Da schoss ich die Fotos mit dem linken Auge und speicherte sie in meinem Gehirn.

Der dunkelgrün-gelb-schwarze Schmetterling mit der hellrot-schwarzen Flügelinnenseite

Der dunkelgrün-gelb-schwarze Schmetterling mit der hellrot-schwarzen Flügelinnenseite

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 22005

 

Das Glücksschwein

Mit einem lebenden Glücksschwein spätnachts nach Hause kommen, ist schon was Eigenartiges, fast schon Unangenehmes! Welche Frau will schon ein Schwein zu Hause haben? „Als ob ich mit dir nicht schon genug hätte“, wäre wohl ihr zu erwartendes Statement um zwei Uhr früh im Schlafzimmer.

Wohin mit diesem Zappelphilipp? In die Küche wäre unhygienisch, eigentlich bliebe nur die Badewanne, mit Katzenstreu als saugfähiger Unterlage. Wirklich ein blöder Einfall, beim letzten Preisschnapsen im alten Jahr ein Ferkel als ersten Preis auszusetzen! Und gerade ich, der ich die letzten 20 Jahre nie über den vierten Preis hinausgekommen bin, muss diesmal gewinnen! Der Herbert, der den zweiten Preis gemacht hat – immerhin eine Kiste übriggebliebenes Weihnachtsbier –, der hätte wenigstens einen Stall gehabt, am Stadtrand, wo seine Tochter ihr Reitpferd hat.

In mir steigt ein finsterer Verdacht auf: Wie war das beim letzten Spiel? Hat sich der nicht absichtlich den „Vierziger“ zerrissen, um mich gewinnen zu lassen? Dieser falsche Hund! Aber ich kann nicht weiterdenken, weil jetzt quietscht das blöde Ferkel los und lässt sich nicht das Maul zuhalten. Wie ein Rache-Engel – das dazu passende lange Nachthemd tut das Übrige zu diesem Horrorbild – erscheint meine Frau in der Schlafzimmertür. Vom ungläubigen Staunen – sie presst die Augen zu und reibt mit den Händen darüber – bis zum haltlosen Zorn dauert es nur zwei Sekunden, dann geht die Schimpferei los. Nein, das will ich jetzt nicht wiedergeben, es sind zu viele Sünden meiner Vergangenheit, viele meiner schiefgegangenen „guten Einfälle“ und der Hinweis auf beginnende Altersblödheit dabei. Eigentlich – so fällt mir dabei ein – wäre ein kleines bisserl Alzheimer bei meiner Frau fast schon wünschenswert – vielleicht könnte sie sich dann an so manches nicht mehr erinnern.

Mein Hinweis auf Umwandlung des noch immer laut quiekenden Glückssymbols auf Spanferkel steigert die Wut und Verachtung meiner Eheliebsten zur Weißglut. Ich sei noch dazu brutal und blutrünstig – einen Schlächter werde sie an ihrer Seite nicht dulden –, dieses liebe, unschuldige Tierchen zu morden und gierig in meinen fetten Wanst zu stopfen! Aber in den Arm nehmen will sie dieses süße Ferkel auch nicht, denn gerade beginnt es der Natur ihren Lauf zu lassen: Da läuft etwas Warmes stinkend an meiner nagelneuen Hose hinunter auf den Parkettboden.

Schleunigst verlasse ich Frau, Wohnung und Haus, setze mich und das Ferkel ins Auto und rase durch die Nacht zu Herberts Pferdestall, um dort das Schwein zu verstecken, es also zu entsorgen. Leider hat der Stall eine Alarmanlage, die restliche Nacht im Polizeiarrest war unangenehm genug mit der nassen Hose, die Alkoholprobe war natürlich positiv und somit das Gegenteil der negativen Gardinenpredigt, mit der mich meine Frau dann abholte. Dafür hat sich die Tochter vom Herbert dann bei mir herzlich für das „geschenkte“ Ferkel bedankt.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21106

Übers Einhorn

Liebes Einhorn,

du siehst einem richtigen Pferd viel ähnlicher als einer Phantasie-Figur. Vielleicht hat dir ein übermütiges Mädchen die Mähne gefärbt und eine gedrehte Zuckerstange an die Stirn geklebt?

Als Pferd bist du mir viel lieber! Was kann man schon mit einem Einhorn anfangen? Eigentlich nichts, außer es zu bewundern. Wofür eigentlich? Wenn du Flügel hättest, als Pegasus wärest du mir hoch willkommen – jeder Dichter wäre dir ein ergebener Diener, wenn er ab und zu auf dir reiten könnte.

Aber wie schon gesagt, als Pferd wärest du mir viel lieber. Du hast einen gut geformten Kopf, schöne blaue Augen und aufgestellte Ohren – das heißt, du bist gutmütig und neugierig –, also genau mein Partner. Ich habe auch lange Jahre geackert wie ein Pferd, und bei meinem Bauern habe ich auch die Pferde betreut: gefüttert, getränkt, gestriegelt und ab und zu mit einem Stück Zucker verwöhnt. Ich mag deine Kraft, deinen Geruch, deinen gutwilligen Fleiß und deine Zutraulichkeit, Bruder Pferd. Ab und zu bin ich auch auf einem Pferd gesessen, im Schritt oder leichtem Trab; den Galopp habe ich eher gefürchtet, das war mir zu schnell und gefährlich.

Wie gern hast du dich streicheln lassen, deine weiche Schnauze in meine Hand geschoben, um einen Leckerbissen aufzunehmen. Wie hast du dich gefreut, wenn ich dir das Halfter abgenommen und das Tor zur Weide aufgemacht habe, damit du dich austoben und am frischen Futter sättigen konntest. Wie willig hast du mir den Huf aufs Knie gelegt, damit ich dir die eingetretene Erde oder kleine Steine herauskratze. Sogar zum Hufschmied, den viele Pferde fürchten, bist du voll Vertrauen gegangen, nur mit dem Halfter an meiner Seite, weil du wusstest, es wird dir nichts Böses geschehen, die schon lockeren Eisen werden erneuert und zum Schluss bekommst du ein großes Stück Brot für dein Wohlverhalten.

Liebes Einhorn, komm her zu mir, ich will dir diese blöde Zuckerstange von der Stirn lösen und in Stücken verfüttern, damit du auch eine Freude hast. Als Einhorn wirst du nur angestaunt, aber als Kamerad von guten Menschen wirst du gestreichelt, gelobt, gefüttert, geputzt und geschätzt.

Liebes Keinhorn, so bist du mir viel lieber!!! Ich grüße dich mit Sehnsucht und dem Wunsch auf ein Wiedersehen.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21105

Haie

Haie sind alte und von der Evolution perfekt gestaltete Tiere. Sie haben praktisch nie Krebs. Menschen hingegen gibt es erst seit kurzer Zeit. Ihre Zellen mutieren relativ häufig. Es wird noch sehr lange dauern, bis die Menschen so weit entwickelt wie die Haie sind. Dann werden sie auf der sicheren Seite sein, gesetzt den Fall, dass die Menschen so lange überleben.

Zwei Ladys im Ich-bin-zu-mieten Elektroboot

Zwei Ladys im Ich-bin-zu-mieten Elektroboot

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21113

Der Igel

Wir haben einen neuen Kostgänger, einen Igel. Besonders gern frisst er Katzenfutter. Am gefährlichsten schätzt er wohl meinen Sohn ein, bei ihm faucht und knurrt er. Bei mir faucht er nur. Und wenn unser älterer Nachbar dabei ist, bleibt er ruhig. Anscheinend ist er ein kluges Exemplar. Er ist auch ziemlich groß. Wir kennen sein Geschlecht nicht. Wir nehmen aber an, dass er ein Männchen ist. Deshalb haben wir ihn Robert getauft. Sähen wir aber, wie er Salti schlägt, würden wir ihn in Annalena umbenennen.

Igel

Igel

Igelchen Sieglinde und Jeff

Igelchen Sieglinde und Jeff

Igelmutter Annalena beim Versuch, über die Stufe zu klettern, mit Töchterchen Sieglinde am 5. Juli 2021

Igelmutter Annalena beim Versuch, über die Stufe zu klettern, mit Töchterchen Sieglinde am 5. Juli 2021

Igelmutter Annalena rutscht beim Versuch, über die Stufe zu klettern, ab, mit Töchterchen Sieglinde am 5. Juli 2021

Igelmutter Annalena rutscht beim Versuch, über die Stufe zu klettern, ab, mit Töchterchen Sieglinde am 5. Juli 2021

Igelchen Jeff am 4. Juli 2021

Igelchen Jeff am 4. Juli 2021

Johannes Tosin
(Text und Fotos)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21092

Das Rehwild

Nimm an ein schwarzer Kater
Der im Größenwahn
Ja, im Wahn was tat er?
Er ging ein Rehwild an!

Er ging es an, ach wär’s nur das!
Er musst’ es auch gleich jagen
Die Leidenschaft am Herze fraß
Am Katerherzen will ich sagen

Er jagte und er legte es
In einem Wiesenneste
„Ach, dass ich nie mehr Rehwild fress!
Ich fraß mir weg das Beste!“

So maunzt’ geknickt der Wüterricht
Da hat man ihn gefangen
Und stellte ihn vors Tiergericht
Und wollt’ ihn auch gleich hangen

Nur dass er jung an Jahren
Hat ihm den Hals geschonet
Nach Trommeln und Fanfaren
Hat hohl die Eul getonet:

„Kater  fressen Rehlein nicht!
Nur Kleinvieh sei die Beute
Gattungsschranken sind hier Pflicht
Darum verkünd ich heute:

Weil Liebe ihn zur Schandtat trieb
Sei ihm die Lieb entzogen
Weder hab ihn jemand lieb
Noch sei er wem gewogen!“

Doch da der Kater gar so jung
Als er die Tat begangen
Erfährt das Urteil Milderung
In magischen Belangen

Gesetzt, dass es geschähe
Es liebt’ ihn wer so rein
Dass er die Seele sähe
Von uns’rem Katerlein

So sei er aufgehoben
Der Bann samt Fluch und Schwur
Die Klausel ist zu loben
Weil lehrhafter Natur –

Vielleicht in alten Zeiten
Gab es solch reine Liebe
Doch was wir uns bereiten
Das folgt vielmehr dem Triebe

Der arme schwarze Kater
Randvoll mit bitt’rer Reue
Als er dies hört’ verzagt er
Hier half ihm keine Schläue

Einst so frech und munter
Nach bösen Katerjahren
Kam der Kater runter
An Fell und Fang und Haaren

Er trug den Schweif gedrücket
Trüb wurden ihm die Augen
Die einst die Katz entzücket
Man mochte es kaum glauben

Es drückte ihm die Seele
Im Wachen und im Traume
Damit sie ihn nicht quäle
Hing er sie auf einen Baume

***

Ein Reh liebte zu pirschen
Früh fing es damit an
Es liebte vor allem die Hirschen
Was ihm gar übel bekam

„Rehwilder grasen und fressen
Nur Pflanzen grün und fad
Wie konntest du dich vermessen!?“
So sprach der Rehwildrat

Das Reh ward drum verstoßen
In den dunklen Tann
Es regnete Hagelschoßen
Es fror und weinte, doch dann …

Sah es des Katers Seele
An jenem Baume hangen
Ich will, dass man uns vermähle
Sprach es voll Wunderbangen

Es nahm die Seele vom Triebe
Und wickelt’ sich darin ein
Die Seele erglühte in Liebe
Und fuhr in den Kater ein

Der schoss aus dem Unterholze
Auf das Rehlein zu
Wir spar’n uns das Liebesgebolze
Sie heirateten im Nu!

Sie hielten sich in Ehren
Und ließen an sich alles dran
Höchstens – wer kann es verwehren?
Ein kleines Stück Ohr dann und wann

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21083