Immer schon bin ich, ohne tierischen Instinkt, mit dieser Welt zurechtgekommen. Um nicht in der Empfindung Ozean zu ertrinken, an der Sprache emporgeklommen. Jeder Welle, die heranrollt, hab ich ein Gefühl mit ihr benannt, und so die Möglichkeit, mich auszudrücken, in ihr erkannt.
Heute denk ich, vielleicht dran zweifeln? Und Sprache, etwa als Heer von Bildern nur verteufeln? Sind deren Wahrheiten oft nur noch Illusionen, und die als solche schon vergessen? Und deren Werte, gibt es welche? Wonach sollte man sie ermessen?
Pass auf! Wo ein Heer, dort findet sich ein Commandante! Der schickt die Wörter bloß zum Lügen an die Front, ganz infernante. Dort steh’n sie stramm, um alle zu vergiften, Und alles steckt im Dreck, hinauf bis zu den Hüften.
Der Wert der Wahrheit wird so lange attackiert, bis dass Worte schon im Mund zerfall’n und nichts bedeuten. Und wenn das Grauen vor ihr langsam kulminiert, dann kommt der Wunderheiler, die tote Sprache aufbereiten.
Er spricht mit Hass vom linken Ungeziefer und fletscht die Zähne, mit von Zorn erfüllten Kiefern. Die Krise wird zum Wort der dunklen Stunde, und niemand wird verschont, geh’n alle vor die Hunde.
Auch wenn’s ganz still ist, ist’s überall zu hören. Die Existenzkrise, die will uns echt verstören. Die Wachstumskrise des Kapitalismus. Die Fieberkrise der Natur. Der Fetischismus. Das Völkerrecht, Krise der Akzeptanz. Uns bleibt Verständigung, oder die Ignoranz.
Ein Unbehagen zeigt die Krise, endlos wiederholt. Fast wie zur Abwehr, und zum Schutz seelischer Not. Zum Schutz seelischer Immunität. Was für Gefahrenmanagement gutsteht.
Ich denk, so oft ich sie auch repetiere, die fünf Buchstaben, die halten mir die Welt vom Leib. Dieses Gefühl, als ob ich kollabiere, mir als erdrückend’ Lebensgefühl bleib`.
Wie zur Beschwörung sag ich’s vor mir her, das Wort Krise sei, so oft es geht, benannt. Denn was benannt ist, glaubt man leicht, es ist gebannt. Ich sage es so oft, es wirkt hypnotisch. Dabei fühl ich mich beinah schon neurotisch.
Es bringt Gemeintes umso leichter zum Verschwinden, ohne die Ursachen damit noch zu verbinden. Die Probleme sind’s, die oft an Wörtern kleben. Es irrt, der glaubt, sie los zu sein, jetzt eben. Durch Wiederholungen verschleißt ein Wort auf Dauer, die Wahrheit stirbt, was bleibt, ist oftmals nur noch Trauer.
Was, zum Henker, ist bloß cool? Verdammt, woll’n alle jetzt so sein? In Kindergarten oder school? Ist nicht geil oder gemein. Locker, souverän und lässig, ganz leger und übermäßig, autonom und trotzdem hip. Weltweit ein Verhaltenstyp.
Gut und nett? Das kommt nicht hin. Ein Geschmack? Das trifft es nicht. Nicht genug, so wie ich bin, Coolness nimmt mich in die Pflicht.
Heißt, hat Lust auf Abenteuer, zeigt sich offen, ungeheuer! Was die andern von dir halten, um dein Image zu verwalten, ist dir ziemlich einerlei, und geht dir am Arsch vorbei.
Verpönt ist trotzdem asozial, bloß nur Kumpel sein, fatal. Jedoch geg’n den Strom zu schwimmen, hört sich gut an und könnt’ stimmen.
Ist von globaler Gültigkeit, und nicht bloß Erscheinung. Schon gar nicht eine Modetorheit, lustbetont, frei in der Meinung.
Cool ist, was man hier so nennt, selbstbewusst und kompetent. Nach außen äußerst attraktiv, im Inneren bloß nicht naiv.
Nur so tun als ob, geht gar nicht, dass das keiner merkt, glaub ja nicht! Cool sein ist man aus Passion. Ist einer cool, das merkt man schon.
Wer beim Shooting dämlich lächelt, hat sein Image längst verspielt. Noch dazu mit Händchen fächelt, geg’n die Regel sich verhielt.
Cool sein, zeigt sich vehement, als beliebtes Kompliment. Gelassen, lässig, en passant, Geisteshaltung nonchalant. Abgeklärt, beherrscht, besonnen, wer so ist, hat schon gewonnen.
Mit zweiundsiebzig auf der Harley. His Headphones reproduce Bob Marley. Mit Fischers Helen geht das nicht, da verlierst du das Gesicht.
Cool sein ist mitunter stressful, funktioniert oft nicht successful. Es streikt der Zygomaticus, weil er dabei nichts leisten muss.
Es scheint, dass Coolness unerreichbar, im Modetrend mit nichts vergleichbar. Ein Trugbild scheint’s, und nicht zu fassen. Vielleicht wär’s besser, sie zu lassen.
Und ewig kreisen die Gedankenwelten … wollen sich einfach nicht niederlassen. Ihre Landefläche ist zu klein: A vier, Papier.
Erst später rinnt es wieder. Meine verstopfte Fantasie staute Ideen für Geschichten zurück. Am Morgen plätscherte sie noch, am Abend werde ich sie aus meinem Staubecken ablassen und in Geschriebenes gießen können, damit sie in anderen Köpfen neue Bilder und Wörter austreiben lässt.
Grapheme verwandeln sich in inneren Schall und der Schall verwandelt sich in Bild und löst sich in Empfindung auf, schiebt die Wehen an, welche Kopfgeburten einleiten.
Komme ich gar nicht weg von der Syntax, welche meine Gedanken mit den Tauen kultureller Voreingenommenheit festzurrt? Ohne Syntax wird’s andererseits eine stolpernde Parade der Nonsenswörter. Anscheinend kann ich nicht ohne Syntax denken, muss unentwegt den Sinn taxieren. Jedoch: Die Sinntaxe entspricht meines Erachtens nicht dem Wert der Äußerungen.
Derweilen ich drinnen schreibe, verwässert draußen Schnee bereits Angefeuchtetes. Er fällt nicht, sondern tropft; es ist zu warm. Alles frische Weiße wandelt sich unversehens in Verbrauchtes … ihm graut. Dem Papier graut nicht, ihm wird nur ein bisschen schwarz; aber vor meinen Augen.
Ihr Leut’, ich habe einen schweren Stand!
Kommen Fremde in unser Land,
lern’ ich ihnen erst Manieren
und danach das Diskutieren.
Am Anfang steht zunächst das Grüßen,
weil das alle können müssen.
In der Nacht oder bei Tage,
gegrüßt muss werden, keine Frage.
Ich höre, wie ihr bei euch grüßt,
Salam Alaikum, weil ihr müsst.
Guten Morgen heißt sabach,
hört man, seid ihr morgens wach.
Ist man fremd, dann sagt man Sie,
Servus sagt man, kenn ich die.
Oh Gott, sagt man, geht etwas schief,
Allah ruft ihr, wenn was schlecht lief.
Es suchen Schutz beim Himmelvater
Weltliche nicht nur, auch Pater.
Trotzdem kommt man ziemlich schnell
in den Himmel oder d’Höll.
Jetzt steh’n wir hier in der Künetten
und müssen uns mit Deutsch abgfretten.
Zuerst einmal das Alphabet,
dann schau’n wir, ob das eh schon geht.
Schwarz und gelb, das sind die Wespen.
Dunkelblau hernach die Zwetschken.
Schweine braten heißt hier grillen,
seit Neuestem heißt Nichtstun chillen.
Joggen meint, man ist gelaufen,
shoppen tut man statt einkaufen.
Ist was fertig, sagt man gar,
da wirst deppert! Wirklich wahr.
Bei euch färbt man die Haar’ mit Henna,
stirbt man, kommt man in die Dschenna.
Wenn ich von euch nun einer bin,
sagt Achmed, und ich wäre hin,
kriegte ich, bei euch im Himmel,
siebzehn Frau’n und einen Schimmel.
Da tät’ ich sagen, eine reicht,
und ohne Schimmel kann ich leicht.
Siebzehn Frauen! Muss schon bitten!
And’re Länder, and’re Sitten.
In seinem Inneren, ganz tief,
in anderen Sphären verborgen,
lag sein lyrisches Ich geborgen,
es zog sich zurück und schlief.
Eine der Musen, Göttin der Poesie,
erschien dem Schlafenden im Traum,
sie sang ihm ein Lied, er glaubte es kaum,
von neuen Ideen und Fantasie.
Der Träumer begann zu schreiben und lachte,
denn an jenem Morgen spürte er voller Heiterkeit,
wie sein lyrisches Ich nach langer Zeit
wieder zu neuem Leben erwachte.
Die erste bewusste Begegnung, wenn ich es mir so recht überlege, hatten wir an einem heißen Sommerabend im Vorjahr. Ausgangspunkt des Geschehens war eine Einladung zum Grillen bei den Nachbarn, eine spontane Angelegenheit, zu der sich auch andere Gäste eingefunden hatten, unter anderen ein geschiedenes Paar, das weiterhin Umgang miteinander pflegte, beide in eigenen Welten, jedoch anhaltend verbunden – wenn auch auf höchst seltsame Weise, wie sehr bald klar wurde.
Denn während sich der nunmehrige Singlemann volllaufen ließ und immer ausfälliger wurde, sah sich seine Exfrau anscheinend genötigt, die Situation zu „entschärfen“: Je ordinärer die Wortmeldungen ihres Exmannes ausfielen, desto beflissener wurde sie darin, das herunterzuspielen. Unzählige Male wurden seine allertiefsten Ansätze übertönt von ihrem hineingeträllerten „Alles gut!“.
Im Laufe dieses Abends, der im Übrigen, sofern man des Ignorierens Einzelner mächtig war, sehr ansprechend verlief, hörte ich gute zwei Dutzend Mal „Alles gut!“, bis ich schließlich um Mitternacht das Handtuch warf; ich hatte einen Arbeitstag vor mir.
Im Laufe der folgenden Monate schien mich diese Floskel zu verfolgen. Im Supermarkt fragte eine Frau vor mir an der Kasse, ob es was ausmache, das Gemüse mit einem Hundert-Euro-Schein zu bezahlen. Die Antwort der Kassiererin …
Bei der Besprechung mit dem Kollegen, als wir feststellten, dass uns noch einige Daten für ein Projekt fehlten …
Beim Gewandprobieren schallte aus der Umkleidekabine nebenan …
Plötzlich schien überall „alles gut“ zu sein. Und zwar von früh bis spät, egal, um welche Lebenslage es sich handelte. Mir kam das sehr verdächtig vor: Wann ist schon „alles gut“???
Dann beschlich mich ein Verdacht: Überkompensation.
Je schlechter die Klimaprognosen, je übler die politischen Machenschaften, je düsterer die Zukunftsvisionen, je hemmungsloser die sozialen Medien, desto öfter hörte ich diese beiden schlichten Worte, nichtssagend, und doch mit einer naiven Erwartungshaltung verknüpft. Der Wunsch als Vater des Gedankens: Es möge doch alles gut werden, am besten jetzt schon sein.
Schön, wenn Menschen positiv denken. Aber „Alles gut!“ schien mir zur Beschwörungsformel verkommen zu sein. Passend zum Bild der „guten Miene zum bösen Spiel“: Ich rede mir einfach „alles gut“, und das rede ich mir so lange ein, bis ich es glaube.
Aber ohne mich, meine Lieben. Und lieb seid ihr auch nicht alle.
PS: Da ich sehr überzeugt bin von evidenzbasierter Forschung, werde ich ab heute für jedes „Alles gut!“, das mir zu Ohren kommt, einen Euro in eine Kassa einzahlen – analog zur Fluchkassa, die es früher in manchen Firmen gab. Das erscheint mir rückblickend eine sehr gute Idee gewesen zu sein. Das Fluchen meine ich.
Er stand auf plumpen Füßen.
Dabei hatte er immer gewünscht, fein zu sein und elegant.
Das war er aber auch, das war er sogar sehr.
Er hatte wahrlich ein beautiful mind.
Doch niemand konnte es sehen, jeder dafür bemerkte seine ungelenke Erscheinung.
Aber wenn er sprach, legten sich seine Zuhörer in die Blumenwiese,
die er beschrieb, oder sie folgten ihm ins Weltall.
Keinen Zweiten in der Gegend gab es, der das vermochte,
nur diesen Tölpel mit dem schönen Geist.