Palmströms Erwachen

Als dann der erste Weltkrieg begann
Geschah´s, dass Palmström sich besann
Und kurz entschlossen legt er sich nieder,
Den Krieg zu verschlafen, war ihm doch lieber.
Um sicherzugeh´n, schlief er gleich hundert Jahr,
Und erwachte grad jetzt, weil er neugierig war…
„Halt“, rufen gleich vernünftige Leute,
„Sie wagen zu sagen, er schlief bis heute?

Schloss er sich denn in ein Zeitloch ein?
Und kehrt also jetzt, wie kann das sein,
Ungealtert ins Leben zurück?
Das, mit Verlaub, ist ein starkes Stück!“
Solchen Experten in dergleichen Fragen
Zu widersprechen, werd ich nicht wagen,
In Prinzipienfragen aber ist Palmström stur
Und da bricht er schon mal das Gesetz der Natur.*

Gegenwärtig ist Palmström schon weiter,
wir versäumten ihn nur als Kaffeezubereiter.
Das Radio bringt jetzt den Nachrichtenblock
Und Palmström bekommt einen heiligen Schock.
„Ei“, ruft er gellend, „der Krieg ist aus!“
Schon tanzt er Foxtrott durchs ganze Haus.
Fröhlich lässt er die Korken krachen
Am Boden bilden sich Sektersatzlachen…

Palmström rutscht aus, und während er fällt
Folgen Berichte aus aller Welt
„Ach“, stöhnt Palmström, „ist es denn wahr,
Dass mein Frieden nur Irrtum war?
Kann es denn menschenmöglich sein
Ein Jahrhundert zu schlachten, jahraus, jahrein?“
Doch der Nachrichtensprecher spricht monoton
„Die Welt im Krieg“ ins Mikrophon.

Palmström erhebt sich, voll Zittern und Bangen,
Reibt sich die blutig geschlagenen Wangen
Gefasst greift er schließlich zu einer Serviette,
Tupft sich die Lippen und geht wieder zu Bette.

*Siehe: Die unmögliche Tatsache, in der wir erfahren: Palmström wird modern überfahren, widerlegt aber seinen Unfalltod durch das Kfz-Verordnungsgebot.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

Diesen Text können Sie seit Dezember 2018 auch hören, gelesen vom Autor.

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