Fahrradlieder 4 - Fieselotte

(frei nach Brecht)

1)
Da lachst du dazu, Fieselotte
Und bist schon wieder ganz blau:
Zum Kotzen dies Getue, diese ach so hohen Gefühle
Interessieren doch keine Sau!
Wer ist´s denn am Ende des Tags
Der dich Trunkenbold
Bei jedem Wetter nach Hause bringt,
Während du davon schwärmst, wie Columbina dir hold
Oder wie schön die kirschrote Lady dir in die Schweinsohren singt?
Nein, weich mir diesmal nicht aus, diesmal sag ich‘s im Ernst:
Was hilft denn dir deine noble, musikalisch verzärtelte Fee,
wenn‘s mal Eis regnet oder auch nur ein klein wenig Schnee?
Ach was, ich weiß, dass du ja doch nichts draus lernst.
Nein, eins noch, dann wird’s mir schon fad:
Wie lange willst du noch klagen
Über die längst verflossene Erste?
Ein zerbrochenes Rad
Wird dich ja doch nicht nach Hause tragen!
Ja, ich weiß, du begehrst sie!

2)
Doch noch eins, ein letztes noch bloß:
Es geht um den läppischen Gernegroß
Das ist´s was mich am meisten stört:
Dein mystisches Herumgetue
Um das fette Rhinozeross,
Das ja noch nicht mal dir gehört.
Hätt‘ ich abgetragene Schuhe
Ich würf‘ sie ihm auf die Kurbel
So viel auf deine Mystik und dein mystisches Rhinos-Zerros-Geschwurbel.
Sag, gibt´s in dieser Stadt irgendein anderes Rad
Das eitler noch sich gebärdet, bei jeder noch so kurzen Fahrt?
Zum Beispiel als du Bier hol‘n warst in jener langen Juninacht
mit diesem Urzeitgerippe
Da hatte dich doch ziemlich schnell die Streife an der Strippe
Das hat dir Alko-Strafe eingebracht!
Du grinst?
Was hast du noch bezahlt als Fron?
Einen ganzen Monatslohn, den du ohnehin nie
Uns unversehrt nach Hause bringst.
Doch sing nur ruhig weiter, du närrischer Tor,
Wenn‘s mal wirklich um was geht,
Ziehst du ja doch nur mich
Allen anderen Rädern vor.

3)
Schweigend sitz ich nun da in meines Fahrradschuppens Kühle
Wie hätt ich´s nicht ahnen sollen: Auch Fieselotte hat Gefühle
Und doch: Ich unbereifter Esel hab sie blindlings übersehen
Daher ihre ständigen, kleinen und fiesen Gebrechen:
Bremse, Schaltung, Politur,
Sie wollte mir nur, ganz nach Fahrradnatur,
Aufrüttelnd ins Gewissen stechen.
Doch ich, oh träf‘ mich doch der Höhenschlag,
Seh nur wie ich mich müh´und plag
An ihren Zärtlichkeitserweisen
Und bin verroht genug,
Ihr andere Räder hochzupreisen!
Ja, sie ist nicht mehr die Schönste
Und war‘s vermutlich auch nie
Ja, wirft ihr Lack schon Falten
Doch würd‘ ich mich, genau wie sie sagt,
Nie an eine and‘re halten.

Da fühle ich eine Woge schmerzlichster Liebe von mir auf sie übergeh‘n
Und weiß es genau und ganz unbesehen
Noch nie fühlt‘ ich so rein und so echt
Und sag zu ihr mit bebender Stimme: Fieselotte, du hast ja so recht!
Und als ihre Augen ganz ölfeucht blinken:
Was ist, fahr‘n wir noch, an die Ecke – was trinken?

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 15141

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