Fahrradlieder 1 - Expressionistische Überlandfahrt

Rrrr, rrr, tk, tk, tk pfeifst du, tönst du, singst du mir,
wenn der Wind dir, sirr, durch die Speichen fährt,
singst du windgenährt
Mein musikdurchdrungenes Alurennrad.
Dein frisch gehäutetes Kirschrot leuchtet und glänzt schelmisch (matt) bei Tag
und glüht in der Nacht, ich weiß es, wenn du träumst von der Jagd durch die Stadt,
vom Sprung über die Schwelle vom schräggebissenen Straßenbahngleis.

Dann werden wir überlandfahren,
wenn das Land vom Winter befreit.
Wie Windräder im Sturm
deine Laufräder schwirren,
sphärische Klänge erzeugend.
Die rasende Wut in den Naben gefangen
macht dich rotieren.
Dein Kopf vibrierend gesenkt,
blitzende Kreise in den gespannten Rädern,
gegenläufige Räder aus Licht.

Ja, lass uns überlandfahren!
Die autogeschundenen Städte werden wir meiden
– solang‘s dich nicht nach andren Rädern sehnt, nach Kettenöl oder einem neuschneefrischen Lenkerband, das kühlend und fest um deine stolzen Hörner ich wickle.

Mein mir gefundenes, musikdurchdrungenes Alurennrad.
Einst hab ich dich getragen aus dunklen Kellergewölben, nun trägst du mich ans Licht.
Lass uns nach Holland fahren, wo alle Räder frei!
Und dort an den Grachten
werden wir
die silberbespiegelten Wasser betrachten.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 15138

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