Der Traum im Lärm

Ich schlafe unruhig, ganz so, als wäre meine Unterlage plötzlich hart geworden, hart wie Stein oder Holz. Mein unruhiger Schlaf wird wohl vom Lärm verursacht, der mich umgibt.
Diesen Lärm näher zu definieren ist mir nicht möglich, denn obwohl ich nicht wirklich tief schlafen kann, befinde ich mich in einer Art leichten Schlummers.
Ich träume gerade von meiner Freundin, die mich letzte Woche erst betrogen und dann verlassen hat. Es ist eigentlich ein Albtraum, den ich habe, doch plötzlich - Lärm, der mich aus dem Traum reißt.
Ich versuche mich von diesem nicht stören zu lassen und denke intensiv an die schöne Zeit, die ich gerade mit meiner Freundin habe, an die Spaziergänge und Schäferstündchen, und an das geplante gemeinsame Abendessen in zwei Tagen.

Eine Hand fasst meine Schulter zärtlich an, und eine vertraute Frauenstimme flüstert mir ins Ohr: „Michael, wach auf.“

Doch ich will nicht aufwachen. Ich habe mich für zwei Monate von der Arbeit freistellen lassen, um Zeit mit meiner Freundin verbringen zu können. Ich konzentriere mich auf den Urlaub, den wir gemeinsam verbringen werden. Zwei Wochen auf den Seychellen; ich habe meine Freundin eingeladen - Ehrensache.
Nächste Woche wollen wir einkaufen gehen. Meine Freundin braucht ein paar neue Bikinis, und auch ich sollte mich endlich von meinen Badehosen trennen, die mittlerweile verwaschen und ausgebleicht sind.
Der Lärm wird lauter. Ich überlege, aus meinem Halbschlaf hochzufahren und die Quelle des Lärms ausfindig zu machen, doch da ich gerade Pläne für unsere Zukunft schmiede, unterlasse ich das.
Ich werde meiner Freundin auf den Seychellen einen Heiratsantrag machen. Ich bin sicher, sie haben dort einen Standesbeamten und einen Priester. Dann können wir, wie schön, gleich dort am Strand heiraten. Ich bin sicher, dass sie Kinder von mir will. Wir könnten in das Haus meiner Eltern ziehen, das ist groß genug für eine zweite Familie.

Wieder werde ich an der Schulter angefasst. Doch jetzt ist die Stimme der Frau, der die Hand gehört, nicht so liebevoll wie zuvor. „Michael, ich störe dich nur ungern, aber ich muss in zwanzig Minuten abrechnen. Möchtest du ein einundzwanzigstes Glas Bier, oder soll ich dir die Rechnung bringen?“

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten |Inventarnummer: 17036

 

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