Der falsche Mönch

Und es begab sich Anno Domini 1991, dass der fahrende Schüler Robert eine Studienreise ins Ursprungsland unserer Kultur, nämlich nach Irland machte. Bekanntlich waren es irische Mönche, die im Spätmittelalter zu uns Barbaren kamen, um uns Lesen und Schreiben zu lehren, womit sie (ohne es zu wissen oder gar zu wollen) dem Gottseibeiuns Microsoft und verwandtem Gelichter die spätere Basis schufen. Doch nicht um diese zu erforschen, sondern in sittlicher Einsamkeit (er hatte leider kein sündhaftes Weib überreden können mitzufahren) die frommen Urväter und deren romanische Behausungen kennenzulernen war sein Begehr. Unterwegs traf er einen Gesellen aus Ostdeutschland mit derselben Absicht – und so zogen sie miteinander fürbass, denn die Zeiten waren schlecht und die um Kaugummi und Pennies bettelnden Kinder lästig und zahlreich.

Eines Tages kamen sie an ein Kloster, das schon sehr verfallen war – und kein Führer da, der sie belehrt, keine Quelle, die sie getränkt hätte. So lagerten sie in der Mitte zwischen den eingestürzten Kreuzgängen und sogen den in einer Flasche Bushmill mitgeführten Heiligen Geist zur Gänze aus. Bald fielen sie in ein angenehmes Dösen, aus dem sie von einer anrückenden westdeutschen Großfamilie aufgeschreckt wurden: „Kuck doch mal, diese faulen Gesellen liechen da am hellichten Tach rum – und besoffen sind sie auch, das ist doch eine Whisky-Flasche da, oder?“ Blitzschnell dachte Robert „Management by situation ist angesagt“, und bevor sich sein Kollege noch hochgerappelt hatte, ging er schon auf die Gruppe zu: „I’m the guide here, the admission is one pound the adults, the kids 50 pee, it will last about half an hour!“ Gewohnt, einer Autorität zu gehorchen und für alles zu bezahlen, griff der fette Wohlstandsbürger ans Herz in der hinteren Hosentasche und spendete.

Was nun die deutsche Großfamilie Erstaunliches aus der Geschichte dieses Klosters zu hören bekam, weiß Robert heute nicht mehr genau, und Gott in seiner allwissenden Einsamkeit hielt sich gewiss manchmal die Ohren zu (er liebt die Menschen bekanntlich immer noch, überhaupt wenn sie ihn zum Lachen bringen) – aber es war Erstaunliches, Düsteres und teilweise auch gänzlich Unbekanntes für die Menschheit im Allgemeinen und die Kirchengeschichte im Besonderen.

Aber zum Teufel (der sicher auch grinsend zuhörte) noch mal, wo hätten die staunenden Touristen auch reklamieren wollen, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, das Gehörte nachzuprüfen. Und der stolze Preis rechtfertigte eine abenteuerliche Story – überhaupt die Einlage, dass die gewisslich im Grab rotierenden Mönche einmal im Jahr mit Alkohol und Frauen sündigen mussten, um hernach eine rechte Abscheu vor diesem Treiben zu bekommen.

Wie auch immer, der Herrgott sorgt nicht nur für die Sperlinge auf dem Dach, sondern auch für die fahrenden Schüler, die sein Wort – wenn auch manchmal arg verzerrt – verkünden und dafür den unverhofften Obulus für die notleidenden Pubs in der Umgebung spendeten.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 16032

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