Der Berufsschüler 1: Personenbeschreibung eines klischeemäßigen Berufsschülers mit einem Beispiel zur Veranschaulichung

Vorwort:
Dieser Text dient ausschließlich zur Unterhaltung und soll nicht aussagen, dass alle Berufsschüler dieser Welt geistig benachteiligte Geschöpfe sind, die von einer Qualle im Schach besiegt werden, weil sie die „Startaufstellung“ der Figuren für zu defensiv halten. Nein, Spaß beiseite. Ich war selbst Berufsschüler und habe die Dinge, die ich hier geschrieben habe, selbst exakt so erlebt. Dennoch soll dieser Text nicht aussagen, dass ausnahmslos alle Berufsschüler auf diesem Niveau agieren. Ich habe einen meiner besten Freunde in der Berufsschule kennengelernt und auch sonst einige liebe, interessante, intelligente Menschen kennenlernen dürfen, worüber ich sehr froh bin. Also wer sich an bisschen bösartigem Sarkasmus und einem knapp an der Grenze des Zumutbaren Maß an Gehässigkeit erfreuen kann, für den ist dieser Text unterhaltsam und alle anderen, die das nicht wollen oder können, sollten spätestens jetzt aufhören zu lesen.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Berufsschule…

„Regau? Wie kann man nur Regau heißen?“ „Naja, für seinen Nachnamen kann ja niemand was, oder?“ „Eh nicht, aber trotzdem.“ „Intelligente Begründung. Gut gemacht, Hr. Janik.“

So beginnt ein ganz normaler Berufsschultag von Markus Regau. Er ist eher ein ruhiger Mensch, und die leichte Unsicherheit gegenüber den sympathischen Klassenkollegen sieht man ihm sofort an. Da beginnt schon einmal sein erstes Problem. Jedes Mal bei solch anspruchsvollen Wortgefechten begeht er denselben Fehler. Gut, er ist auch noch nicht lange in der Berufsschule, aber gerade die ersten Tage sind so wichtig, um in der Klasse wenigstens ein halbwegs angesehener Mensch zu werden.
Ein akzeptierter Außenseiter war er schon. Ein gehasster, aber wegen seiner Größe in Ruhe gelassener war er auch. Sogar ein lässiger Repetent ist er schon gewesen. Diesmal sollte aber endlich alles anders werden. Einmal, nur ein einziges Mal, wollte er der sein, den alle mochten. Wenigstens bei Berufsschülern müsste das doch funktionieren. Nein, gerade da ist es am schwierigsten, da hier mehr mit Instinkt als mit gedanklicher Leistung entschieden wird, ob man sympathisch oder unsympathisch ist.

Normalerweise hatte er mit ein paar verschachtelten und komplizierten Sätzen die Leute zum Lachen gebracht. Die haben dann kopfschüttelnd, aber lachend, gemeint: „Na Oida, du bist schon oag.“ Und man wurde als leicht verrückt, aber sympathisch eingestuft, wodurch man sich mehr Blödheiten leisten durfte als andere Menschen. Doch diesmal scheint es nicht funktioniert zu haben, und er begann sich zu fragen, warum. Er analysierte jedes seiner Worte bis er auf den einzigen, aber alles erklärenden Fehler kam. Er hatte logisch geantwortet. Er hatte eine Antwort gegeben, die zwar ein guter Konter war, aber erst als dieser gelten konnte, wenn man über das Gesagte nachgedacht hatte. Berufsschüler denken nicht nach. Diese Tatsache hatte er schon festgestellt, und wenn sie es versuchen, kommen keine erfreulichen Ergebnisse dabei heraus.

Wie musste also die perfekte Antwort auf die Frage „Regau? Wie kann man nur Regau heißen?“ lauten? Richtig. Sie musste nichtssagend sein und, ganz wichtig, man musste sie verstehen können, ohne darüber nachdenken zu müssen. Ein Beispiel wäre da als Antwort: „Ja, komisch.“ Zwei kurze Wörter, die jeder versteht und die auch so zusammengesetzt sind, dass es keine Missverständnisse geben kann.
Doch die Antwort auf die erste Frage war nicht der fatalste Fehler. Die Antwort auf die zweite Frage war der schmerzliche Anfang vom Ende. Der Sarkasmus. Eine Leidenschaft von Markus Regau. Doch gerade der ist ja genau das Gegenteil von einem verständlichen Satz für einen Berufsschüler, weil, wie vor kurzem erwähnt, man ja über die genaue Formulierung nachdenken und gleichzeitig auf die Wortmelodie des Gesagten achten muss, also eine Tatsache, die bei dem Gehirn eines Berufsschülers nur einen kompletten Systemabsturz hervorrufen kann. Denn dass der Berufsschüler gerade nicht die gesamte Botschaft des Satzes verstanden hatte, spürt er, und um über die Unfähigkeit, einen Gegenstoß zu vollziehen, hinwegzutäuschen, werden gewaltandrohende Wörter verwendet sowie „Gusch“, „geh scheiß‘n“ usw. usf.

Lieb gehabt von einem Berufsschüler wird man dann, wenn man ihn nicht in solch eine Situation bringt, und wenn doch der Ansatz bereits da ist, ebendieser sofort ausgeglichen wird mit einer einfach und verständlich formulierten Antwort. Nehmen wir zum Beispiel an, der Berufsschüler hätte die Feststellung „Eh nicht, aber trotzdem.“ ausgesprochen. Sehr anbieten würde sich eine ähnliche Wortwahl, da man dann sichergehen kann, dass der Berufsschüler das, was man sagt, auch versteht, da er ja die Worte selbst benützt hat. Das ist zwar noch lange kein Hinweis dafür, dass er inhaltlich weiß, was er von sich gibt, aber die Wahrscheinlichkeit, nicht nur akustisch verstanden worden zu sein, stiege zumindest einen Hauch. Eine passende Antwort wäre dann beispielsweise: „Ja, eh.“ Hier verwendet man bereits ein Wort, dass der Berufsschüler auch verwendet hatte und bei dem Wort „Ja“ kann man davon ausgehen, dass er es kennt.

Lukas Lachnit
Kurzgeschichten: fiktiv, enorm, abnorm | Fleischlabel ©2013

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