An den Tod

Vor dir, grausamer Geist, war noch niemand gefeit.
Raubst mir mit eisiger Kälte die Lebendigkeit,
ließ’t nicht lang auf dich warten.
In deinem Spiel mit offenen Karten
schlugst du rücksichtslos zu –
mit deiner unerbittlichen Endlichkeit.
„Leben geht nicht ohne mich“, sagst du,
lachst hämisch und räkelst dich selbstverliebt.
Zielst mitten ins Herz, mit tödlicher Absicht,
und jeder, der tief getroffen zurückblieb,
ergibt sich verzweifelt. Wollte dein Kommen nicht.

Jedermann fürchtet dein Gesicht aus Stahl,
deine lederne Haut, glanzlos, aschfahl,
und deinen bleiernen Mantel in Schwarzviolett
aus reißfestem Garn, luftdicht, adrett,
mit dem du grauenvoll alles Leben erstickst.
Doch das feine, seelische Band, das zerstörst du nicht!
Weil du mit Scheuklappen und aus egozentrischer Sicht
auf das, was gewesen ist, nicht zurückblickst.
Auf all meine Erinnerungen, die dich überdauern.
Die will ich als Schatz hinter bruchsich’ren Mauern
in meinem Herzen versilbern,
um dein Grauen zu mildern.

Noch ein Wort zum Schluss, du wirst es gestatten:
Du Seelenloser kannst, mit deiner Hülle aus Staub,
den Trost tief in uns, mit Verlaub,
und die Macht uns’rer Liebe nicht überschatten.

In memoriam Reinhard Lüer,
dem liebsten Onkel und besten Lektor, den man sich wünschen kann.

Claudia Lüer

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary | Inventarnummer: 24029

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