Toffee für Katharina

Mir fällt noch einmal die Zeit ein, damals, als Gastschüler in einem südeuropäischen Land. Am Anfang war alles aufregend und da war das erste Erblicken von Katharina, der Schwester meines Schulkollegen, das in mir Gefallen auslöste. Am Anfang konnte ich meine Gefühle gar noch nicht so recht einordnen.

Am ersten Tag traf ich sie mit der Familie vor dem Fernseher, als sie mir ein Eis anbot.

Als wir an einem anderen Tag einen Spaziergang unternahmen, war sie wieder dabei. Sie ging natürlich an letzter Stelle hinter den Männern. Wonach wir suchten, weiß ich nicht mehr. Wir bogen in eine Seitenstraße ein und ich erinnere mich noch an den Moment, an dem ich einen alten, roten Kleinwagen am Straßenrand sah. Mein Blick blieb für ein paar Sekunden an dem Fahrzeug hängen, doch dann drehte ich mich um und sah die junge Frau hinter mir.

Ich nahm wahr, dass sie ein gemustertes Top, in das ihre Sonnenbrille geklemmt war, trug, dazu eine schöne rote Jeanshose. In diesem Moment bekam ich eine Gänsehaut. Danach drehte ich mich wieder um und alles war wieder beim Alten.

An zwei weitere Erlebnisse mit ihr erinnere ich mich: Als sie sich neben mich setzte und mit mir die Scheiben einer Wassermelone genüsslich aufaß. An einem anderen Tag am Ende des Aufenthalts feierte sie ihren 20. Geburtstag und bekam eine Halskette mit einem Herz geschenkt. Ich erinnere mich auch an ihren angenehm festen Händedruck.

Natürlich sind diese Erinnerungen wenig, und was hätte ich gegen mein Verlangen tun können, dieser jungen Frau zumindest etwas Freundliches entgegenzubringen. Rückblickend hätte ich ihr ein kleines Geschenk gekauft: ein Andenken, ein Buch, eine Süßigkeit. Wenigstens etwas.

Natürlich hätte ich niemandem verraten können, was ich in diesem Moment erlebt hatte. Damals war ich natürlich auch noch zu jung, um mich ihr nähern zu können. Und jede weitere Kontaktaufnahme konnte durch Verwandte vereitelt werden.

Jahre vergingen und ich wusste nichts mehr von ihr, außer, dass ich mich gelegentlich an sie erinnerte.

Auch dachte ich an die Süßigkeit, die ich Katharina schenken hätte wollen.

Viele Jahre danach fand ich eine gleichnamige Person im Internet, der ich den an sie adressierten Brief schickte. Wenn es schon nicht die Katharina von damals war, so doch eine andere Person und immerhin hat mein Sehnen etwas in Bewegung gesetzt. Aber ich konnte die versprochenen Süßigkeiten natürlich nicht verschicken.
Nach kurzer Überlegung baute ich eine Flaschenpost, in der ich die Süßigkeiten verstaute und auf eine weite Reise schickte.

Einige Monate erreichte mich tatsächlich eine Antwort. Darin stand, dass meine Flaschenpost bei einer unbekannten Person angelangt sei. Sie wisse natürlich nicht, warum ich die Flaschenpost verschickt hatte, war aber dennoch glücklich über das Geschenk.

Michael Bauer

www.verdichtet.at | Kategorie: Lesebissen | Inventarnummer: 23171

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