Maggie, die Heizkörperfrau

Schau, da drüben steht sie, die Heizkörperfrau. Weißt du, warum ich sie so nenne? Weil sie genau so ist, wenn sie aufgedreht ist: außen heiß. So schrill, bunt geschminkt, hat einen roten Minirock an, zieht sich an, als ob sie schöne Beine hätte.
Das innen drin will keiner sehen. Die Maggie ist innen drin farblos, uninteressant, so was von öd. Ein Gespräch mit ihr über etwas anderes als Kleidung, Schminke, Schmuck und wie das alles zusammenpasst, wirst du kaum führen können. Sie kennt nichts und niemanden, und ihr Musikgeschmack ist zum Grausen.

Drum wundert es mich ja, dass sie hier ist, die Maggie. Bei diesem Konzert hätte ich sie nie und nimmer erwartet. Jetzt versaut sie mir das auch noch. Drei Jahre meines Lebens und das Konzert, auf das ich mich seit Wochen freue. Lehnt da drüben, bekommt nichts mit, kennt kein einziges Lied von denen und kratzt sich aufreizend am Hintern. Na ja, der ist ja ganz ok, aber sonst? Nichts Besonderes.
Weißt du, das habe ich mir nicht verdient. Hab sie immer zum Urlaub eingeladen, ihr dort Klamotten gekauft, fast alles, was sie haben wollte. Hab versucht, mich vor meinen hochklassigen Freunden nicht allzu sehr zu schämen. Obwohl die schnell gecheckt haben, dass im Oberstübchen der Dame nicht allzu viel los ist. Da habe ich mir einiges anhören müssen, von wegen Gegensätze ziehen sich an  und so. Und ich war eine gute Partie für sie: Einen Magister an Land zu ziehen, das ist ja wohl das erklärte Ziel von Frauen wie Maggie.

Na ja, und als mir die patente Kollegin vom Projektmanagement angeboten hat, gemeinsam abends ein bisschen länger zu arbeiten als die anderen, hat Maggie sich aufgeführt, als ob ich ihr weiß Gott was angetan hätte, nur weil ich ihren Geburtstag vergessen hatte. Kein Wunder, dass mir da die Kollegin von da an besser gefallen hat als die keifende Maggie daheim. Und dass ich der Dame vom Projektmanagement dann mein Leid geklagt habe, der ging es auch gerade nicht so gut mit ihrem Mann, so ein eifersüchtiger Kasperl ist das. Und dass eins zum anderen führt, nun ja, das kann nach drei Jahren schon einmal passieren. Dabei kann die Maggie froh sein, dass ich es ihr erzählt habe. Ich hätte auch alles abstreiten können, geistig kann sie da nicht mithalten, keine Chance.

Aber was macht sie? Zuckt völlig aus, schreit von drei vergeudeten Jahren mit einem egoistischen Schnösel, und dass sie was Besseres verdient hätte. Was Besseres, hallo? Schau dich in den Spiegel, Maggie, du hast noch ein paar gute Jahre, dann ist das Spiel vorbei. Dann kannst du froh sein, wenn du noch jemanden findest. Einen wie mich sowieso nicht mehr.
Für mich ist dieser Heizkörper abgedreht, kalt, eiskalt. Die Frau kann mich nicht mehr aufregen. Und weißt du, was das Schönste ist? Sie wird auch einmal herüberschauen, mich sehen in meinem superscharfen neuen Outfit, und sich leid sehen. Geschieht ihr recht! Die Sachen packen, einfach von einem Tag auf den anderen ausziehen, nicht einmal die Küche hat sie mehr geputzt. Obwohl sie kocht, als ob es kein Morgen gäbe. Da schaut es aus nachher! Aber das Essen war immer gut. Das muss man ihr lassen.

Ah, der Herr Doktor ist auch da, schau an! Das hätte ich gar nicht gedacht, in so gehobener Position, und dann bei einem so coolen Konzert, den hätte ich eher in die Philharmonie gegeben, geistig. Und es scheint ihm zu gefallen, schau, wie er lacht und sich freut. Das ist gut, das habe ich im letzten Manager-Seminar gelernt, Gemeinsamkeiten ansprechen. Das mache ich gleich am Montag, vom Konzert erzählen. Vielleicht ist dann endlich die Gehaltserhöhung drinnen, auf die ich schon so lange warte.

Und was macht die Maggie? Siehst du sie? Ich sehe sie gerade nicht. Ah, weil der Doktor die Sicht verstellt. Und was ist jetzt, kannst du mehr sehen als ich? Was??? Er hat die Hand auf ihrem Arsch??? Das glaube ich nicht!
Unglaublich. Ich bin sprachlos. Jetzt halten sie auch noch Händchen. Also ich hätte das nie gemacht, in der Öffentlichkeit, mit dieser letztklassigen Tussi. Dem ist auch nichts zu blöd. Der muss ja einen ordentlichen Notstand haben. Und jetzt küsst er sie auch noch, ich glaube, ich spinne!

Na gut, näher betrachtet schaut die Maggie doch ganz gut aus. Besonders wenn sie so strahlt wie jetzt. Die ist gut drauf, die Maggie! Und wenn ein so hochklassiger Typ wie der Doktor auf sie abfährt, muss sie doch ihre Qualitäten haben. Der ist ja nicht blöd, könnte ja jede haben, bei dem Gehalt, na sicher. Aber er scheint ein bisschen heikel zu sein. Die toughe Kollegin vom Projektmanagement hat sich da die Zähne ausgebissen bei dem Doktor, davon redet die ganze Abteilung.

Also die Maggie, die hat schon ihre Vorzüge. Und so rein haptisch gibt sie schon was her. Weißt eh, angreifen tut man sie halt gerne, weil sie so eine knackige Karosserie hat. Da versteh ich ihn schon, den Doktor, ist ja auch nur ein Mann. Und gescheit reden, na ja, das ist vielleicht überbewertet, dafür kann man ja auch jemand anderen finden.
Also Heizkörperfrau, das trifft es wirklich genau. Very hot, die Maggie!

Soll ich rüber gehen, was meinst du? Gemeinsamkeiten ansprechen könnte ich ja jetzt, hahaha! „Wissen Sie, Herr Doktor, ich hatte auch schon das Vergnügen mit Ihrer Herzensdame“, könnte ich sagen. Dann sieht er gleich, dass ich auch was drauf habe, so ein Touch Abenteurer, das kommt immer gut, haben sie im Seminar gesagt. Und ich hab ja immer einen guten Spruch auf den Lippen. Aber ich glaube, ich bin heute besser nicht zu aufdringlich, die Führungsetage schätzt das nicht so besonders, in der Freizeit.
Und der Doktor ist da so wie alle Alpha-Männchen, ganz bestimmt. Ich kann mich noch gut an die Sache in der Sauna erinnern, als er zu mir sagte: „Manche Fehler macht man nur einmal, Herr Magister. Haben wir uns verstanden?“
Natürlich habe ich das verstanden, ich bin ja ein cleverer Bursche. Ich kann mich ja gut kontrollieren. Am Montag reicht es auch noch.

Geile Musik, findest du nicht?

Carmen Rosina

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 14060

 

 

 

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