Die Schönen und das Bier

Wie war das nochmal mit dem Bier, Alexandra? Was hast du da letzte Nacht geträumt?

Es war ein richtiger Albtraum, ich will nicht mehr darüber sprechen.
Bier ist übrigens gesund. Da sind antioxidative Substanzen drin. Bei Hautkrankheiten und Schlafstörungen könnte es helfen.

Ach?!

Man könnte es gar als probiotisch bezeichnen und für die Erhaltung der Darmflora empfehlen. Ein Liter Bier hat die gleiche antioxidative Wirkung wie vier bis fünf Portionen Obst und Gemüse. Hättest du das gedacht? Die Kombination der Polyphenole aus Hopfen und Malz macht es aus, das ist wissenschaftlich nachgewiesen.

Frau Mag.a Alexandra Hafner-Juric schob die schmalen Schultern nach hinten und die Brust nach vorne. Ihren Kopf hob sie leicht an, um die Illusion zu nähren, sie sei putzmunter und im Geiste wach.
Ihre Kollegin am benachbarten Barhocker entgegnete zweifelnd:

Das glaube ich nicht, denn heutzutage ist Bier ein Produkt der modernen Biotechnologie, unter großem Zeitdruck industriell gefertigt. Dass das wirklich noch gesund sein soll?
Und es macht dick. So sagt man doch?

Schau ich so aus?

Mitnichten, niemand könnte so etwas behaupten.

Wahrlich, Alexandra Hafner-Juric hatte fürs Auge einiges zu bieten. Aber keinesfalls war sie dick. Keinesfalls!
Der Alkohol hatte ihr nicht wirklich zugesetzt. Na ja, vielleicht ein wenig. Sie war auf eine angenehme, leise Weise illuminiert. Sie lächelte häufig, eigentlich andauernd. Das bisschen Kohlensäure, im dunklen Gerstensaft sparsam vorhanden, hatte ihre Wangen leicht gerötet.

Schau Beate, dieses hier solltest du noch probieren, so trink doch noch eine Halbe.

Weißt du, ich hab schon genug von diesem lauwarmen Starkbier im Kreislauf und der schwere Zigarettenrauch tut das seine. Ich will nach Hause.

Frau Hafner-Juric war eine elegante Erscheinung, wie sie da so saß in ihrem schmalgeschnittenen Businessoutfit. Die Laptoptasche lehnte am Barhocker. Der Bürotag war ein langer und ermüdender gewesen. Das Feierabendbier verdient.

Schau, Beate, angefangen hat es als Jugendliche mit heimlichen Bieren. Schon damals hat es mir geschmeckt. Mein Mann, der versteht das gar nicht. „Hopfen-Junkie“ wird noch das Netteste sein, das er heute sagen wird, wenn ich nach Hause komme.
Aber ich sehe das schon auch wissenschaftlich, ich mag die Sortenvielfalt. In Belgien da gibt es heute noch Brauereien, die versuchen, nach mittelalterlichen Rezepten zu brauen. 

Alexandra Hafner-Juric wohnte in dieser neuen Siedlung zwei Straßen weiter, dort wartete bereits ihr Mann auf sie. Sie hatten ein kleines Häuschen mit bescheidenem Garten, der ein wenig verwildert war. Umso ordentlicher wirkte seine Besitzerin jetzt, aufgeräumt geradezu. Mit aufrechtem Rücken auf dem Barhocker sitzend, gemeinsam mit ihrer Kollegin die breite Palette des Bierangebots analysierend. Das aktuelle war arm an Kohlensäure, trüb, dunkelbraun wie Bernstein, malzig bitter und eigentlich ziemlich sauer, wie Beate Müller-Enzenhofer unbekümmert konstatierte. Worauf Alexandra Hafner-Juric selbstredend etwas zu erwidern wusste:

Bier enthält auch sehr viel Kalium. In Tschechien und Polen bezahlt die Krankenkasse daher für Patienten mit Nierensteinen Bier auf Krankenschein. Hopfen heißt übrigens auf lateinisch Humulus Lupulus.

Das klingt kurios.

Ja, und die Hopfenblüten enthalten neben den Bitter- und Aromastoffen, die dem Bier seinen typischen Geschmack geben, etliche gesundheitsfördernde Substanzen, die auch bei hohen Cholesterinwerten, Haarausfall oder sexueller Unlust helfen sollen.

Bier enthält Hormone?

Das stimmt nur halb. Hopfen enthält Flavone, die in der Pflanze selbst keine hormonelle Wirkung haben, im menschlichen Körper aber aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Steroidhormonen auf diese Weise wirken können. Im Versuch mit weiblichen Ratten hat sich gezeigt, dass Hopfenextrakt ihre Empfänglichkeit für sexuelle Avancen des Rattenmännchens erhöht.

Ja brauchst du denn diese Bier-Hormone?

Ach, weißt du …

Alexandra Hafner-Juric seufzte und stieß mit dem Bein ihre Laptoptasche um, um beim anschließenden Versuch, diese wieder aufzurichten, mit dem anderen Bein darauf zu treten und beim auf diesen Fehltritt folgenden (eigentlich als Korrekturbewegung gedachten) Ausfallschritt das Gleichgewicht vollends zu verlieren.
Beate Müller-Enzenhofer half ihrer Kollegin fürsorglich wieder aus der Horizontale, ließ ihr halbvolles Glas antioxidativen Hopfengebräus stehen, beglich mit stoischer Miene die gemeinsame Rechnung und begleitete Frau Mag.a Hafner-Juric schlussendlich nach Hause.

Michaela Swoboda
Szenisch dargeboten bei Theaterzeit Freistadt 2014

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 14057

 

 

 

 

 

 

 

image_print

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert