Fliegenfischen in Ansfelden oder Widerstand

Zwei Steinwürfe vom am dichtesten befahrenen Autobahnabschnitt in Oberösterreich, einen Steinwurf von der buntesten Agglomeration von Baubedarfsselbsthilfetempeln entfernt, fließt die  Krems Richtung Traunfluss. Ihr Wasser befindet sich zwei Meter tief eingegraben in die sie umgebenden Maisäcker. Ein dünner Korridor aus Büschen und Bäumen dämpft die Geräusche der menschlichen Rastlosigkeit zu einem Hintergrundrauschen. In dem tiefen, grünen Tal  kann man für wenig Geld Fliegenfischen.

Ich bin gerne dort, fange aber meistens nichts. Das liegt an den faszinierenden Begegnungen, die man in dieser Alltagsoase hat. Sie halten einen von der Jagd nach Schuppensilber ab. Da hüpft eine Wasseramsel mit ihrem charakteristischen weißen Brustlatz um die Flusssteine. Ein blauer Blitz saust vorbei – ein Eisvogel taucht nach einem jungen Schneider. Langsam schlängelt sich eine ausgewachsene Ringelnatter mit erhobenem Kopf auf mich zu.  Ich stehe bis zu den Knien im langsam fließenden Wasser und sehe einen Rehbock zwanzig Meter entfernt, der dasselbe tut. Wir starren uns ein paar Minuten lang an. Beide haben wir es nicht eilig an diesem Morgen. Das Hermelin hingegen schon. Erstaunlich schnell durchhüpft es auf seinen kurzen Beinen den Slalom aus Ufervegetation.

Meine Fliegen interessieren heute nur ein paar vorwitzige Jung-Aitel. Ich hake sie schnell ab und lasse sie wieder schwimmen. Ein paar Bäume habe ich mit meinen Fliegen bereits dekoriert, es ist  nicht leicht, hier im engen Dschungel zu werfen, ohne im Geäst hängen zu bleiben. Auch der Unterwasserbewuchs kassiert manchen Köder.

Dieser Hänger ist allerdings anders. Der Fliegenhaken dürfte sich in etwas, das aus der Entfernung wie ein Stofffetzen aussieht, verfangen haben.  Beim Näherwaten erkenne ich, es handelt sich um eine Damenhandtasche, die hier schon länger zwischen den Steinen gesteckt haben dürfte. Ich ziehe sie aus dem Schlamm und untersuche den Fund an einer schottrigen Uferstelle.  Kaputte Taschenlampe, durchweichte Prospekte, Lippenbalsam, ein Bund bereits angerosteter Schlüssel, eine Geldbörse. Darin Kredit- und Kontokarte, ein Behindertenausweis und eine Handvoll Stammkundenkunststoff, alle lautend auf Sieglinde R. aus Graz.  Schlüssel, Ausweis und Plastikgeld packe ich in meinen Rucksack.

Am Abend suche ich ein Polizeiwachzimmer in Wels auf. Ich lege das nasse, noch immer leicht dreckige Geborgene auf die Budel, von wo es ein Beamter mit spitzen Fingern aufnimmt. Eine schnelle Recherche in seiner Datenbank ergibt, dass Frau R. die Tasche vor einem halben Jahr in einem Linzer Eissalon gestohlen worden ist. Der Dieb oder die Diebe haben die Tasche dann wohl von der Ansfeldner Kremsbrücke in den Fluss geworfen, nicht ohne vorher die Beute von sagenhaften zwanzig Euro Bargeld aus der Börse genommen  zu haben.

Wenn man in der Krems bei Ansfelden steht, kann man das silbrige Aufblinken von Fischleibern im Wasser bemerken. Die Lichtreflexe werden von Barben  verursacht, die sich beim Abnagen von Algen auf die Seite drehen. Barben sind prächtige, große Fische, doch keiner mag sie. Ihr Fleisch schmeckt nach Schlamm, sie haben extrem viele Gräten und sind harte Kämpfer an der Angel - fast nicht aus dem Wasser zu bekommen.  Ungenießbarkeit  und Widerstand zahlen sich aus.

Klaus Buttinger

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21032

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