Archiv des Autors: Redaktion verdichtet.at

FRIENDS NOT FOOD

Du siehst ihn an, nur kurz, wie er, verschwitzt zwischen der Mischmaschine und dem Thomas stehend, in die Leberkässemmel beißt, wie er schnell kaut, wie er mit Bier hinunterspült, siehst sekundenlang auf sein Uralt-T-Shirt mit der Aufschrift FRIENDS NOT FOOD, schwarz auf weiß steht es da geschrieben, siehst schnell wieder weg, weißt aber, die paar Momente haben gereicht, dies wird zu einem jener Bilder, die immer wieder auftauchen, unvermutet, es wird auftauchen, während du euer Baby stillst, oder während du mit der Anna joggst und so tust, als ob du ihr zuhörst, wenn sie sich wieder beklagt über den Thomas, ihren Mann, über jenen Thomas, der grad ebenfalls eine Leberkässemmel verschlingt und Bier trinkt, der Thomas, von dem er jetzt immer wieder anerkennend sagt, auf den Thomas ist Verlass, der kennt sich aus beim Hausbau, der Thomas, über den ihr gelästert habt, noch vor kurzem, über ihn und über seine Anna, kleinkariert seien die beiden, wart ihr euch einig, nicht fähig, über den Tellerrand zu schauen – und jetzt fachsimpelt er mit dem Thomas neben der Mischmaschine, und du bemerkst, dass quer über dem END auf dem FRIENDS NOT FOOD-Schriftzug ein Riss ist, und denkst, damals ist es neu und sauber gewesen, das Shirt, auf der Demo, die quasi der Beginn war von euch beiden, FRIENDS NOT FOOD auf Transparenten, Flyer und Shirts, FRIENDS NOT FOOD habt ihr geschrien und, ja, auch gelebt, und was einst ein Statement war, trägt er jetzt nicht mal als Scherz, sondern aus dem simplen Grund, weil es noch zwei-dreimal zum Arbeiten taugt, bevor es entsorgt werden wird, das T-Shirt, und jetzt sagt er, so, wir müssen weitermachen mit dem Betonieren, das muss schnell gehen in der Hitze, und du nickst verständnisvoll, und innerlich steigt Wut in dir auf beim Weggehen, denn würde er das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt nicht tragen, hättest du diese piekenden Gedanken jetzt nicht, und du würdest auch bestimmt nicht etwas golden glänzen sehen in dieser zähen, schweren Zement-Sand-Wasser-Masse da drinnen in der Mischmaschine, und würdest nicht derart Unsinniges denken wie: Da erstickt grad einiges da drinnen, da erstickt grad unser goldener Wohnwagen-Traum, wir wollten doch reisen, wir zwei, und dort bleiben, wo es uns gefällt, und würdest nicht denken müssen, dass diese erstickten, einbetonierten Träume das Fundament eures Hauses bilden werden, auf dem zuerst der Keller entsteht, in dem ihr, davon gehst du aus, die sogenannten Leichen verstecken werdet, und du hoffst inständig, dass du und er gemeinsam eure gemeinsamen Leichen versteckt, und nicht jeder für sich allein seine eigenen Leichen vor dem anderen versteckt, so wie es der Thomas und die Anna tun, und du setzt dich in dein Auto, schnell, denn die Anna wartet schon im Fitnessstudio auf dich, die Anna, die zwar nicht verstehen wird, aber immerhin so tun wird, als ob sie dir zuhört, wenn du ihr erzählst, wie sehr du dich ärgerst über ihn, denn es ist ja auch zu blöd, hätte er das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt heute nicht angezogen, dann würde dir jetzt sicher nicht auffallen, dass du heute das rosa SUPERGIRL Top anhast und dass du derartiges nie getragen hättest in Demo-Zeiten, und du startest, und wirfst noch einen bösen Blick zu ihm auf die Baustelle, und siehst, wie er sich den Schweiß abwischt, sich das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt auszieht, es achtlos unter die Mischmaschine wirft und nun wie der Thomas mit nacktem Oberkörper schaufelt, und du atmest tief ein und aus, und hupst langgezogen, als du staubaufwirbelnd wendest, Gas gibst und wegfährst.

Claudia Dvoracek-Iby

www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 25189

Spider Man’s Spinne

Niemand hat auf mich gewartet:
ich bin ja, wie man sagt, entartet.
Die Comic-Literatur befand:
Ich sei nur eine Notiz am Rand.

Doch ich, die radioaktive Spinne,
schärfte Peter Parkers Sinne;
hab ihn im Labor gebissen
und der Normalität entrissen.

Was ich will, ich kann’s euch sagen:
Ihr werdet mich auf Händen tragen –
hier mein Angebot ohne Beschiss:
Fünfzig Euro für einen Biss!

Bernd Watzka
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Auszug aus dem Gedichtband „Ein Strauß namens Johann: Post-anthropozentrische Tiergedichte“,
der voraussichtlich 2025 erscheinen wird. Wir danken dem Autor für die Möglichkeit der Vorveröffentlichung und reichen die Bestelldaten nach, wenn das Werk erschienen ist.

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 25171

Der vegane Waran

„Hör auf mit dem Verspeisen
von Affen, Mäusen und Meisen.
Fleisch ist politisch unkorrekt,
man bringt kein Mit-Tier mehr ums Eck“,

sagt die Veggie-Ente zum Waran.
„Fang am besten heut noch an!“
Der Waran denkt: Hm, wenn ich tät es,
geht vielleicht z’rück mein Diabetes.‘

Gesagt getan – die Echse ist dabei:
„Schluss mit der Fleischfresserei!
Ab sofort weiß ich es besser,
ich bin jetzt ein Pflanzenesser.“

Der Waran sucht flugs ein Blümelein
und steckt sein feines Näschen rein.
Da brüllt er plötzlich wie verrückt:
Von seiner Nase fehlt ein Stück!

Kein Mauerblümchen war die Pflanze
(die pfeift auf jegliche Romanze).
Dem Waran kommt hoch die Galle:
Sie ist eine Venusfliegenfalle.

Bernd Watzka
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www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 25166

Die einfühlsame Maus und die Schlange

„Ach du beklagenswerte Schlange,
ich seh’s dir an, sag’s frei heraus:
Deine Sorgenliste ist sehr lange“,
attestiert die einfühlsame Maus.

„Ich kann mich hineinfühlen in dich,
kann mir vorstellen, arme Schlange,
wie’s aussieht in dir drin; also sprich
übern Kummer, hab keine Bange.“

Der Schlange wird das nun zu viel.
„Hör auf zu quasseln – Schluss jetzt, aus!
Ich hab genug vom Doktorspiel,
lass mich in Ruhe Psychomaus!“

Doch das Nagetier macht weiter,
bis das Reptil die Maus verschlingt.
„Sag mir jetzt – bist du gescheiter?
Erzähl, wie’s aussieht in mir drin.“

Bernd Watzka
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Die herzlose Qualle

„Zwei Herzen schlagen in meiner Brust“,
erklärt der Aal ganz selbstbewusst.
„Na und“, sagt der Tintenfisch vor Ort
„Ich hab drei Herzen – das ist Rekord!“

Dagegen läuft ein Erdling Sturm:
„Fünf Herzen hab ich Regenwurm!
Bricht mir einmal ein Herz entzwei,
kommen vier weitere an die Reih.“

Da tönt’s aus dem Meer: „Was für ein Scherz.
Ich bin die Qualle, hab gar kein Herz!“
Ein Dorsch kommt und fragt schaurig:
„Herzlose Qualle, macht dich das traurig?“

„Nein! Denn hinter meiner Quallen-Stirn
hab ich zum Glück – auch kein Hirn.“

Bernd Watzka
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Traum eines Chamäleons

Ich träume ganz in Gelb,
ich sei ein Weiberheld.
Dann wird mein Körper grün:
Ich träum, ich sei sehr kühn.

und küss – träum ich in Blau –
die schönste Chamäleonfrau.
Doch am Ende bin ich rot:
Ein Nebenbuhler beißt mich tot.

Ich erwache kreidebleich.
Bin ich wirklich eine Leich?
Das Farbenspiel ist mir zu heiß!
Ich träum nur noch in Schwarzweiß.

Bernd Watzka
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Das große Mahl

Sagt die Seezunge zum Hummer:
„Lass uns genießen ohne Kummer
unser letztes Zusammensein.
Zum Glück sind wir hier nicht allein.“

Auch Thunfisch Stör und der Kalmar
sind wie die Muscheln längst schon da.
Gefolgt von Wolfsbarsch, Lachs und Aal;
auch der Heilbutt hat keine Wahl.

Sogar Knurrhahn und Sardine
machen zum Fest gute Miene.
Nicht fehlen darf der Kabeljau
Der sieht die Freunde und sagt: Wow!

Was haben die für ein Fest im Saal?
Es ist ihr letztes Abendmahl.
Für das man alle frisch bestatte
auf der gemischten Meeresplatte.

Bernd Watzka
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Die Hummel oder das Geheimnis des Lebens

Die Hummel sagt zum dummen Stier:
„Mein größtes Geheimnis verrat ich dir.

Komm ganz nahe, dreh dich nicht um –
das Geheimnis lautet: Brumm Brumm Brumm!“

Bernd Watzka
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Kaulquappe und Barsch

Die hungrige Kaulquappe Paul
reißt auf ihr winzig kleines Maul,
als vorüberschwimmt ein fetter Barsch.
„Gib uns was ab aus deinem Arsch!“

Drauf der Barsch: „Halt die Papp’n,
du nichtsnutzige Kaulquapp’n.
Zu schade ist für dich mein Kot,
schleich dich oder ich seh rot!“

So geht das lange hin und her
(mit Geschimpfe mehr und mehr),
bis ein Schatten näher kommt;
ein riesengroßer – und sehr prompt.

„Ich glaub, ich sehe wohl nicht recht;
du lieber Schwan, das ist ein Hecht!“,
kreischen unisono die Kontrahenten
und schauen drein wie lahme Enten.

Der Hecht macht einen wilden Satz
und verschlingt die beiden ratzefatz.
Was kann uns das Gedichtlein geben?
Nichts! So ist es halt, das Leben.

Bernd Watzka
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Der Ohrenschlüpfer

Ich bin der Ohrenschlüpfer Otto.
Imagekorrektur – ist mein Motto.
Ich krabble nicht in eure Ohren,
was hätte ich denn dort verloren?

Außerdem glaubt meinem Worte:
Es gibt auf Erden schönere Orte.

Bernd Watzka
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