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So Wahrheit

Die Wahrheit
wollen wir sie sehen?
Existiert
eine Wahrheit?

Die Wahrheit
schüttelt uns
beunruhigt uns
zertrümmert unsere Gewissheiten
und macht sie
bröckelig

Man kann nicht neutral bleiben
der Wahrheit gegenüber
Man nimmt sie an oder lehnt sie ab
man kämpft für die Wahrheit
oder gegen die Wahrheit

Die Wahrheit
ist ein Akt der Rebellion
notwendig
um aus der lauwarmen Schläfrigkeit
des ruhigen Lebens aufzutauchen

Die Wahrheit zu sagen
macht uns einsam
tief einsam
In den Apfel zu beißen
fordert eine Wahl
die Kenntnis
und wer gesehen hat
kann nicht mehr schweigen

Annamaria Bortoletto
https://laltraidea.wordpress.com

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 24069

Ein einziger hundert Jahre andauernder Sonntag

Begrüßenswerterweise hat er heute die Verwaltung der Bibliothek übernommen. Nicht so, dass er es ungern getan hätte, aber es war damals im Oktober noch sehr warm draußen und die Sonne schien und er hätte sich auch in anderen Teilen der Stadt aufhalten können. Es war der Sommer im Jahre 2008. Es waren Olympische Spiele in Peking und der Krieg um Südossetien. Wärmere Gedanken, als ich noch über die Dächer blicken konnte. Haus und Chaos sind ein Minimalpaar, oder etwa nicht?

Außenpolitisch ist Erdogan längst

Es gibt von Zeit zu Zeit Vorkommnisse, die sind nicht einfach nur im Vorübergehen zu erklären, schon gar nicht, wenn man versucht, nur die einfachste Alltagssprache zu verwenden.

in anderen Sphären. Von der EU

Was damals gewesen ist: In einigen Tagen kann es anders werden.

hat sich der Autokrat verabschiedet.

Manchmal geht es ganz schnell. Eine Person, ein Gegenstand, an den man sich noch erinnern konnte, ist einfach weg. Von einem Tag auf den anderen.

Sie hat ihre Schuldigkeit getan, als ihr

Er fragte sich neuerlich, warum gerade er die letzten Tage nicht so zugebracht hat, wie er es eigentlich vorher geplant hatte.

der einstige Annäherungsprozess die

Nicht, dass er es wirklich gewollt hatte, aber das gewünschte Ergebnis seiner Planungen hatte sich nicht im Geringsten als tragfähig erwiesen, schlimmer noch: Die Unerfüllbarkeit seiner Vorstellungen hätte ihm von Anfang an bewusst sein sollen.

Ausrede dafür lieferte, seinen größten

In einer lauschigen Nacht traf ich damals eine junge Frau mit langen, lockigen Haaren. Sie trug eine Jeans mit Ledergürtel. Auch sie ist sehr schnell verschwunden.

Gegner, die Armee, zu entmachten.

Worin man sich doch auch noch getäuscht haben könnte. Vor allem dann, noch, auch wenn man gesehen hat, dass die Jahre anders verlaufen sind, damals. Und du sagtest doch, damals, ich könnte jederzeit zurückkehren.

Schon sind die Ziele größer, der Wunsch

Fünfzehn Jahre danach erinnerte ich mich an sie und machte eine Zeichnung, die ich ihr widmete.
Aber das ist zu wenig. Ich erinnerte mich, aber konnte mir nicht vorstellen, wer sie war.

nach Ausweitung seiner islamisch-konservativen

Leider kannte ich diese Person nicht. Ich hätte diese Person gerne kennengelernt. Oder ich hätte wenigstens ein Wort mit ihr gewechselt. Von woher das Wohlgefühl stammt, das ich von ihr bekommen habe, weiß ich nicht.

Herrschaft stärker.

Auch sie ist eine Verschwundene.

(News  38, 6.6.2015, S.19)

Es vergeht ein Tag wie der andere.
Nur das hat der eine Tag mit dem anderen gemeinsam.

Schnell hat man gemerkt, dass für diesen Traum
nicht war Raum, nicht war Zeit.

Es zerrinnen mir die Tage
meines geliebten Lebens
wie Sand.

Michael Bauer

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 24048

 

 

 

 

Der Vergleich

Eine Sinusschwingung
ist zur Hälfte im positiven
und zur Hälfte im negativen Bereich.
Beginnt sie bei 0 auf der x-Achse,
endet sie auch wieder bei 0.

Es ist das Gleiche,
wie wenn man sich um 360° dreht.
Man steht auf demselben Punkt.

AM FLEISCHMARKT B15 im nächtlichen Klagenfurt

AM FLEISCHMARKT B15 im nächtlichen Klagenfurt

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 23149

Abschied

Wieder einmal geht was Schönes vorbei, und obwohl ich genau wusste, dass es so kommen musste, bin ich nicht frei,
hänge in einer Zeitschleife, noch eh ich begreife, dass ich mit meiner Seele um die Wette schrei,
spüre, wie ich im Nacken versteife, weil sich alle Muskeln und Sehnen dagegen wehren
im Hier und Jetzt zu sein und mit allen Sinnen neu zu beginnen, weiterzuspinnen
und eine Zeitblase zu schließen, fall wider alle Vernunft ins Begehren,
das Glitzern im Gestern mit Goldstaub zu verzieren, einzufolieren und binnen
kurzer Zeit mich darin zu verlieren. Weil es so verdammt schwer ist,
da weiterzumachen, wo es aufgehört hat. Auch wenn’s noch nicht so lang her ist.

Jeder Tag ist ein Abschied, jede Stunde, jede Minute verlässt mein Leben, kommt nicht wieder, denn nichts bleibt, wie es war.
Und meistens hab ich gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken, weil das Vergehen so schnell geschah,
und ich, ins Leben vertieft, kann nur noch die Staubwolken sehen von all den Ereignissen,
die schwinden, sich zu meiner Vergangenheit verbinden, und nur, wenn ich mal innehalte, so wie jetzt, kann ich sie wirklich vermissen.
Dann werd ich traurig, wenn der Baum vor meinem Fenster seine Blätter verliert,
weil wieder einmal ein Sommer vergeht und in meiner Erinnerung steht,
dass er so, wie er war, nie wieder passiert. Und mit ihm im Schlepptau zieht die Illusion dahin,
dass ich noch mittendrin im Beginn meines Lebens bin, dass alles noch vor mir liegt und ich resistent gegen das Altern bin.

Jeder Abschied ist ein bisschen wie Sterben, sagt man
und egal, ob er groß ist oder klein, wird er nie ohne Schmerz und Wehmut sein,
zieht ungeschminkt in deinem Herzen ein, ob du es willst oder nicht,
um es zu stempeln und dich für dein Leben zu prägen.

Es gibt viel mehr Abschiede im Leben, als ich denke, und mir war nicht bewusst,
dass ich mich nicht nur von Herzensmenschen, sondern auch von Träumen, Hoffnungen und Glaubenssätzen verabschieden muss,
von einer Blüte, die mich bis zum November erfreute, von einer Prüfung, die ich scheute,
von Gedanken, die man mir als Kind einbläute, dass eine Liebe ein Leben lang hält,
dass das, was ich tue, mir jeden Tag gefällt, ein Schiff niemals an den Klippen zerschellt
und eine Freundschaft jede Belastung aushält, dass mein Lieblingskäse irgendwann verfällt
und von der Vorstellung, man bräuchte kein Geld, um glücklich zu sein.
Von dem Glauben daran, dass es keine Kriege mehr gibt auf der Welt, von meinem Papa als Held, und dass auch die Zeit nicht immer
alle Wunden heilt, und manchmal macht auch ein Sonnenstrahl alles nur noch schlimmer.

Und ich ertapp mich dabei, wie ich mich in meinen Zimmern einschließe
mit meinem Erinnern, es nicht rauslassen will, meine Zeitschleife genieße
darin döse, in Selbstmitleid zerfließe und so tue, als ob es das Jetzt wäre.
Versuche, in diesem Schein, es mit aller Kraft zu halten, den Lauf der Zeit aufzuhalten,
alle Uhren abzuschalten, es an den Wänden festzunageln, vor den Türen aufzustapeln
und sehe, wie ich die Fähre, die in meinen Adern zirkuliert, damit beschwere,
die mein Herz befüllt, bis es überquillt, weil ich alles aufbewahren will, damit der Abschied bloß nicht endgültig wird.
Sehe, wie das Erinnern wie ein Flimmern durch meine Zellen schwirrt.
Und mein Herz dann, völlig überfüllt, sich in Schweigen hüllt, still steht,
ich an der Erinnerung kleb, und mein Leben kopfnickend an mir vorübergeht.

Jeder Abschied ist ein bisschen wie Sterben, sagt man
und egal, ob er groß ist oder klein, wird er nie ohne Schmerz und Wehmut sein,
zieht ungeschminkt in deinem Herzen ein, ob du es willst oder nicht,
um es zu stempeln und dich für dein Leben zu prägen,
der dich neu formt und zu dem macht, der du bist, sich durch deine Gänge frisst,
um dich dann von Scherben umrahmt zurückzulassen, Narben zu hinterlassen,
die dich, tief in deinem Innern, für immer an ihn erinnern.
Und vielleicht wird ein Teil von dir in seinen Trümmern niemals ruhen,
weil er in längst verschlissenen Schuhen in dir umherirrt.
Und du setzt deine Scheuklappen auf, obwohl er nicht aufgibt, dir nicht gut zu tun,
bist ein Gewohnheitstier, durch und durch, geblendet von dem Schimmern
der unstillbaren Sehnsucht danach, wie es einmal war.

Wissenschaftlich betrachtet, müssen wir ein schlechtes Gefühl nur 90 Sekunden aushalten, bevor es ganz von allein wieder abfällt.

Wenn ich also meinen Abschiedsschmerz für eine Weile ertrage, ihn nicht blockiere und mit giftigen Pfeilen torpediere,
mich nicht ständig frage und studiere, wie es vorher war, mich darin verliere und nicht kapiere,
dass ich loslassen muss, damit ich den Schmerz überwinde, auch wenn der sichere Boden wackelt,
weil die Veränderung an meinen Toren rackelt und rumpelt, verzweifelt um Einlass fleht
und mir nur die Kraft ausgeht, weil ich so lange gegen sie angekämpft habe,
anstatt mit dem Herzen den neuen Weg zu fühlen, den alten dankbar zu verlassen,
ohne Ungewolltes auszusortieren und die Edelsteine, die ich dort fand, zu verlieren und als besondere Gabe
zu verstehen, als Geschenk des Lebens, das ich mir bewahre, um es dann
in das Neue zu flechten …
Dann geht es voran, weil mein Herz endlich tanzen kann.

Jeder Abschied ist ein bisschen wie Sterben, sagt man
und egal, ob er groß ist oder klein, wird er nie ohne Schmerz und Wehmut sein,
zieht ungeschminkt in deinem Herzen ein, ob du es willst oder nicht,
um es zu stempeln und dich für dein Leben zu prägen.
Doch wenn Schmerz und Trauer verblassen, offenbart die Liebe
ihre eigene Tiefe, die sie bis dahin nicht kannte und unentdeckt bliebe.
Die dir die Kraft gibt, weiterzugehen, Samen im Neuen zu säen und den Segen
der Blüte weiterzugeben, in neuen Farben zu strahlen und für das Leben ein funkelndes Fest zu geben.

Claudia Lüer

Diesen Text können Sie hier auch hören, gelesen von der Autorin.

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over und unerHÖRT!| Inventarnummer: 22098

Von Koinzidenzen und anderen Irrtümern, …

… die wir vielleicht zu wenig bedenken

Foto & Copyright: Christoph Kempter, lensflair.at

Foto & Copyright: Christoph Kempter, lensflair.at

Woran es wohl liegt, dass die Großhirnrinde 52 Rindenfelder hat? 52! So viele Wochen hat das Jahr. Erstaunlich, nicht? Ein Feld pro Woche (geistig) zu beackern, das müsste doch übers Jahr gesehen zu schaffen sein …

Und warum heißt die Amygdala auch Mandelkern, wo doch das Gehirn aussieht wie eine Walnuss? Außerdem: Weswegen sind Nüsse gut fürs Denken, wo doch „nuts“ vom Gegenteil zeugt?

Ist es nicht eigenartig, dass wir den Parasympathicus mehr mögen als den Sympathicus?

Und so geht es schleichend immer weiter, auch wenn es aus dem Ruder läuft. Je mehr wir unsere Gehirne strapazieren, desto mehr Verbindungen (ja, so funktionieren Netzwerke!) scheinen aufzutauchen: Dieser und jenes, solche und manches scheinen auf abenteuerliche Weise zusammenzuhängen. Wir verknüpfen, was das Zeug hält, ohne Rücksicht auf Verluste. Eingefügt wird in dieses zunehmend starre Gerüst des erhärteten Erdachten schließlich nur noch, was dem weiteren Zementieren der grauen Zellen dient.

Und wenn wir das einfach lassen? Wie wäre es damit: Geben wir doch unseren Gedanken wieder etwas mehr Raum. Hören wir auf, nach Verbindungen zu suchen, wo keine sind. Zumindest keine, die tatsächlich etwas miteinander zu tun haben.

Wir alle wünschen uns viel Freilauf fürs Gehirn. Aber nicht in das allerletzte Eck, bitte.

Und falls Sie sich fragen, was Ihnen diese Zeilen sagen wollen: gar nichts. Eins ist allerdings sicher: Unsinn bleibt Unsinn, auch wenn er ordentlich durch-dacht ist.

(Dieser Text ist eine leicht veränderte Version des redaktionellen Postings, das im Fasching 2022 erschienen ist.)

Carmen Rosina

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 22080

 

 

Kleiner Rat

Neid und Hass, Hass und Neid
Dazu sind wir stets bereit

Wir woll’n uns so zwar nicht begreifen
Doch wenn wir doch ein wenig reifen

Wird er dünn, der schöne Schein
Ob er dein ist, oder mein

Was ist hier zu tun demnach?
(Ich mein davor und nicht danach)

Neid und Hass lern zu erkennen
(Diese sind nicht leicht zu trennen)

Hol sie nur in dir ans Licht
Sonst verstehst du beide nicht

Dann siehst du, was den and’ren rührt
Der dich sonst spazieren führt

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 22079

Den freundlichen Arrivierten

Den freundlichen Arrivierten,
die ganz deiner Meinung sind,
die alles schon kritisierten,
glaub ihnen nicht, mein Kind.

Sie öffnen dir zwar ihre Türen,
doch immer nur einen Spalt,
durch den sie mit dir diskutieren –
drinnen ist’s warm, doch dir wird es kalt.

Sie klagen dir ihre Sorgen,
als wärst du von ihnen einer.
Ach, willst du dir nur was borgen,
wird der Türspalt schon kleiner.

Frag nie, wie sie hochgekommen,
wie ihre Verdienste hießen:
Die Stimmung würde beklommen –
sie würden die Türen schließen.

Süß klingt es, ihr Bekanntnis
zum klassenlosen Ton.
Es hat damit kein Bewandtnis;
es lässt sich verkaufen, das schon.

Und reden sie auch im Gleichnis
verwegen, edel und hehr:
Lies nach im Inhaltsverzeichnis –
Siehe, es ist leer!

Sei ihnen nicht bös gesonnen:
Was brächte dir schon ihre Not?
Sie haben den Fahrstuhl genommen,
den ihnen ihr Elternhaus bot.

Sieh hin und lern es zu fassen:
Es ist noch die Fahrstuhltür!
Sie haben den Lift nie verlassen
Und riechen den Kot an dir.

Was könnten sie dir also bieten,
außer Knöpfen mit Zahlen?
Wer weiß, wo sie hingerieten,
entschiedest du ihre Wahlen?

Sie haben nur Knöpfe mit Zahlen –
die Liberalen.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 22052

Wir kippen den Effekt

Die Gräben sind unüberwindbar
Verzweiflung, ihre Brücken
Weit voneinander entfernt
Universelle Nähe
Sowohl als auch
Diener am Ende der Versuche.
Der Wille sucht seinen Plural
Erinnerung ihre Gerechtigkeit
Doch Richtung ist die alte
Die jugendlich verkleidet
Ab und zu vorbeischaut.
Du stehst mir gegenüber
Wir sehnen den Schwindel
Aller flachgelegten Horizonte
Steil, ob auf, ob ab
Die Eingeständnisse sammeln
Sich anders.

Die Gräben sind keine Gräben
Verzweiflung bleibt wo sie ist
Häuslich unterhaltsam
Jeder liebt ins Nichts
Entweder Oder
Individuell am Grenzentzug.
Die Freude sucht Fremde
Fantasie ihre unschläfrigen
Nutznischen
Trockene Bühnen im Leben.
Du stehst mir zur Seite
Wir kippen den Effekt
Jeder nie dagewesenen Furcht
Tief, ob tot oder lebendig
Die Anteilnahme sprüht
Vor vergesslichen Bildern
Bevor sie uns verlässt.

Stephan Tikatsch
blindkohlekopie | Gedichte | S.Tikatsch_2019

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 22020

Die Karriereleiter hoffentlich hinauf

„Ich komme morgen, Schatz.
Heute geht es sich leider nicht mehr aus.
Viel zu tun, weißt du, sehr viel zu tun,
genau, die Firma, mein Vorgesetzter, meine Karriere.
Damit ich endlich aufsteige vom mittleren ins obere Management.
So ist es, mein Liebes, mehr Kohle,
dafür aber auch viel mehr zu tun.
Und irgendwann, wenn ich es schaffe,
habe ich gar keine Zeit mehr, um zu dir zu kommen.
Dann würde ich sagen: „I’m so sorry, Sweetheart.
Ich liebe dich sehr, aber, it’s a pity,
die Firma braucht mich mehr.“

Faschingsverkleidete Schaufensterpuppen im April 2021

Faschingsverkleidete Schaufensterpuppen im April 2021

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 21109

Ideenfee

Es plagt Palmström eine Idee
Nein, vielmehr bloß ihr Schatten
Als wär’s der Schatten einer Fee
Auf des Verstandes Matten

Wenn Palmström nur den Schatten hätt’
Würd die Idee nicht bocken
Mit List geht er deshalb zu Bett
Ideenfee zu locken

Ein neuer Antrieb ist’s vielleicht
Es wälzt sich Palmström tüchtig
Mit einer Drehzahl unerreicht
Doch die Idee bleibt flüchtig

Geschickt weicht sie ihm immer aus
Daneben gehen die Hände
Er fährt aus seinen Decken raus
Und auch aus seinem Hemde

Die Dusche hat sich stets bewährt
Er duscht, bis wir uns freuen
Doch die Idee, die er begehrt
Sie scheint das Nass zu scheuen

Privatgeschäft, ob groß, ob klein
Muss ihn doch inspirieren
Zwei Stunden später sieht er ein
Da lässt sich nichts diktieren

Mein Hirn, ruft er, beginnt zu glüh’n!
Nichts hilft mich abzulenken!
Bloß einmal nur um nichts bemüh’n!
Bloß einmal nur nichts denken!

Da fällt ihm ein, was er gewollt:
Oh Fee, wie soll ich’s danken?
Eine Idee wie  lautres Gold:
Ein Tag ohne Gedanken!

Drauf sperrt er sich ins Atelier
Und baut eine Kabine
Es ist, oh Palmström, ach herrje!
Eine Gedankensaugmaschine!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 20112