Schlagwort-Archiv: ¿Qué será será?

Heimat

Heimat gefunden im dunklen Fluss,
ein Floß gebaut, darauf zu dümpeln,
wenn mir nach Sonne war.

Und mir war, mir war danach
so oft,
im dunklen Fluss,
den ich liebte.

Heimat gefunden und doch –
ein Floß gebaut.
Der Sonne entgegen.

Annette van den Bergh
paganinisberlin.net

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23106

Das Blau in deinen Augen

alles fließt nichts bleibt wie es ist
Leben schießt vorbei treibt mich an
und reibt mich auf mal steil
bergauf dann pfeilschnell Schuss ins Tal
mit Verdruss und Qual
im Sternenglanz und ganz
leicht und seicht umweht
meinen Sinn und steht
nicht still fragt wer ich bin
was ich will und erreicht
vielleicht mein Herz aus Stein
dass es erweicht und rennt
permanent wirft Licht
dann Schatten auf mein Gesicht
heute bunt morgen grau
beschwert blüht auf
ich werd nicht schlau
sieht mich an merkt nicht
wenn ich nicht mehr kann
dass ich frier meine Kraft
verlier und der Wind
sich besinnt er steht still
weil ich kurz innehalten will
zwei Gang runterschalten
solang mein Glück verwalten
einfrieren mit Stille umrahmen
das Morgen planen mal pausieren
von der Fülle zehren neu begehren
den Motor instand setzen
die verletzten Saiten stimmen
schöne Töne schätzen
und halten Berge erklimmen
das Toben von oben besehen
und zwei Schritte rückwärtsgehen
dabei ganz neu verstehen

doch das geht nicht
denn das Fass dreht sich
unermüdlich weiter Zeit
steht nicht still Vergänglichkeit
macht sich breit mehr als ich will
aus himmelblau wird grau
und bis gerade eben
wusst ich’s nicht genau
nur wenn ich im Licht
tief in deine Augen schau
bleibt die Zeit stehn
und ich kann in deinem Bann
wenn ich dem Fluss entrück
ein Stück
Ewigkeit sehn

und schon ist’s vorbei
wieder treibt die Zeit
alles fließt nichts bleibt wie es ist
Menschen warten am Rand
reichen mir die Hand
und geraten voller Kraft in meinen Fluss
ich muss ganz gerissen
schnell wissen wer ein Stück
mit mir schwimmt mein Glück
mitbestimmt meine Lieder
mit mir singt immer wieder
mich beschwingt für wen
meine Tore offen stehn
und die andern lass ich gehn
mal ohne mal mit Bedauern
über Mauern vor mir fliehn
weg in andre Herzen ziehn
denn Menschen kommen Menschen gehen
und nur die Veränderung bleibt uns treu
formt uns immer wieder neu

alles fließt und mit Sicherheit
bleibt nichts wie es ist Zeit
frisst sich in mein Herz
dämpft den Schmerz und die Wut
kocht das Blut auf nichts ist Verlass
auch nicht auf dein Lächeln
wenn du von uns sprichst
nur das Blau das ich seh
wenn ich in deine Augen schau
das verändert sich nicht
ich bleib stehn und ich kann
in deinem Bann darin im Licht
wenn ich dem Fluss entrück
ganz kurz ein Stück
Ewigkeit sehn

Claudia Lüer

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23090

Onkel Gerhard

Du warst so ein nettes Kind.
Wir haben oft gemeinsam gespielt,
kannst du dich noch erinnern?
Nein, ich denke nicht.
Oder es ist dir egal.

Was ist nur aus dir geworden?
Ein Prolet, unfreundlich und bedrohlich.
Gingst auf mich zu, und ich musste dir ausweichen.
Schäm dich!
Nicht einmal zu meinem Begräbnis bist du gekommen.

Das gelbe Grablicht

Das gelbe Grablicht

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23035

zeitlos

Die Zeit hat sich vom Raum gelöst.
Den Raum kann man nicht abschaffen,
aber es gibt keine Zeit mehr.
„Wann?“ ist ein unbekanntes Wort geworden,
ebenso wie niemand eine Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft kennt.
Alles vergessen in dem Moment, in dem die Zeit aufhörte zu existieren.

GOTT BEHÜTE UNS VOR TEUREN ZEITEN VOR MAURER UND (Z)IMMERLEUTEN

GOTT BEHÜTE UNS VOR TEUREN ZEITEN VOR MAURER UND (Z)IMMERLEUTEN

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23034

Chorus 2023

Ich wollte einst zu euch drängen
Mit all meiner Kapazität
Und jetzt, da die Zeilen sich engen
Da merk ich, es ist zu spät

Nichts gilt mehr, was einst gegolten
Nur noch der Mächtigen Wort
Das, was wir einst so sehr wollten
Ist abgewendet und fort

Wir wollten die Welt doch singen
Wider alle Vernunft
Doch durch höchst vernünftiges Dringen
Suchen wir Unterkunft

Unterkunft und Bleiben
Verstecken ist jetzt unser Ziel
Und doch ist dies alles zum Speiben
Egal, wie gesundet man’s will

Noch treffen wir uns mit Freunden
Bekannt von früher her
Doch zu der Stunde, der neunten
Sind wir nervös, aber sehr

Denn morgens in aller Frühe
Wie uns’re Eltern einst auch
Trinken wir die Kaffeebrühe
Und folgen dem Arbeitsbrauch

Ach, meine Brüder und Schwestern
Dies ist ein altes Lied
Man bricht uns heute wie gestern
Noch unser letztes Glied

Die Glieder und die Knochen
Und all uns’re Kapazität
Nach bleiernen Arbeitswochen
Kommt all uns’re Hilfe zu spät

Der Glieder bräucht’s aber viele
Zu bilden die Kette nun
Die letzte Kette der Hilfe
Um viele Hilfe zu tun

So lasst uns endlich flechten
Ein neues Weltgeflecht
Wer würde uns denn rechten
Hauptsache, es ist gerecht

Die alte Welt, sie endet
In Schmerzen und in Pein
So lasst uns Teil der neuen
Und gegenwärtig sein!

FÜRS UFO!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23033

 

 

 

Palmström über das Jahr 2022

Und man fragt sich, was das war
Dieses zweifelhafte Jahr
Zweifelhaft, ja sicherlich!
Verzwiefacht doch der Zweier sich
Immer wenn ich’s niederschreibe
Nach der blanken Nuller-Scheibe

Drei Zweier stehen also da
Wo vorher doch nur einer war
Nichtige Vertripelung
Die da dem reinen Nichts entsprung
Weder hat das Recht noch Fug
Ich sag’s: Dies ist Binärbetrug!

Wen wundert’s, wenn die Währung bläht
Und bald die Welt in Flammen steht!
Nur die trinitäre Drei
Befreit uns aus der Spiegelei!
Eine Zahl wie ein Gefäß
Ein in sich ruhendes Gesäß

Wenn heilige Trinitität
Der Jahreszahl zuhinterst steht
Und bezwingt die Zweierbrut
Wird’s am Ende doch noch gut!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 22139

 

 

 

 

Meine Königin

Ich bin der Richtige für dich, Baby.
Lass mich es dir beweisen.
Du wirst meine Königin sein.
Hundertzwanzig Lakaien werden dich bedienen.
Dir wird es an nichts mangeln.
Und du wirst dir nichts mehr wünschen,
weil du schon alles hast.

JACK’S BURGER

JACK’S BURGER

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 22132

Der letzte Mensch

Und dann war er ganz allein
Der letzte Mensch.
Niemand außer ihm.
Wenn er schreit, hören ihn nur Tiere.
Und Gott?, ist hier das Paradies?
Dann könnte er Gott um eine Gefährtin bitten.
Für eine seiner Rippen, das ist ein guter Preis.
Aber nein, ganz und gar nicht ist er hier im Paradies.
Er ist in der Zukunft.
Auch wenn diese Zukunft nur einen Tag von gestern entfernt ist,
ist er der Einzige, der übriggeblieben ist.

Das harte Leben

Das harte Leben

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 22073

Lara erzählt

Warum ich keine Beachtung mehr finde, weiß ich wirklich nicht. Ich bin ganz die Alte, zuverlässig, bin da für sie, halte zusammen, was geht; das sind meine Kernaufgaben, mehr kann sie doch nicht verlangen von mir. Ob ich ihr einfach nicht mehr gefalle?

Aber vielleicht liegt es auch an was anderem, für das ich nichts kann? Ich wäre bereit für meinen Einsatz, würde meine Rolle gern so spielen wie früher, sie umfangen, kosen und beschützen, aber ich werde einfach nicht mehr angesehen, nicht mehr berührt, ich friste nun schon seit so langer Zeit ein trauriges Dasein. Und drum dachte ich, ich melde mich jetzt auch einmal zu Wort und erzähle meine Geschichte, statt immer nur still zu leiden und damit zu hadern, dass nichts mehr ist wie früher … Damals als wir nach unserer ersten Begegnung schon bald gemeinsam auf dem großen Badetuch lagen, ich eng an ihren Körper geschmiegt, wir beide von der Sonne gewärmt und schließlich getrocknet, wir zogen alle Blicke auf uns, waren eins, unzertrennlich, einen ganzen Sommer lang und darüber hinaus.

Es fing mir gegenüber mit kleinen, oft auch lautstark geäußerten Beschwerden an, was alles nicht mehr passe, angeblich, was sie sich nicht länger anschauen möchte, was sich alles ändern sollte, damit es wieder so sei wie früher. Und ich glaub auch nicht, dass ich irgendwas an ihrer Meinung ändern hätte können, ach, vermutlich hätte ich, um sie umzustimmen, rein gar nichts sagen oder tun können, selbst wenn ich dazu imstande gewesen wäre. Ich war einfach nur verblüfft, wie die Freude, die sie früher an meiner Anwesenheit hatte, so umgeschlagen war in blanke Ablehnung. Wie sie alles vergessen hatte können, was wir gemeinsam erlebt hatten, dass wir wie geschaffen gewesen waren für einander, ein Traumpaar: Es war mir ein Rätsel.

Die Zeit sei nicht spurlos an ihr vorübergegangen, es sei ein Desaster, klagte sie einmal vor dem Spiegel, ich war um die Ecke im Schrankraum und konnte es nicht glauben: Das war es also??? Sie kam mit dem Altern nicht zurecht, und darum lehnte sie mich ab?

Was hatte sie vor? Sich ein jüngeres Modell zu suchen, würde sie wohl auch nicht besser aussehen lassen. Ich verstand sie nicht und im selben Moment doch: Es war vorbei. Unser Zeitfenster war geschlossen. Es war schön gewesen. Ich war ihre Wahl gewesen, und nun wollte sie mich nicht mehr.

Aber ich hab mich dann trotzdem getröstet. Im Altkleidersack traf ich etliche Unterwäschestücke, die sie früher gern getragen hatte, eine Stretchjeans und drei heiße Miniröcke. Sie alle erzählten mir, sie hätten dasselbe Schicksal erlitten. Allerdings waren sie auch etwas fies zu mir. Merkten sie doch glatt an, dass Glitzerbikinis allgemein den Ruf hätten, etwas divenhaft zu sein und Dinge zu persönlich zu nehmen. Und ich sei da keine Ausnahme. Das war es also vorerst mit dem Modell Lara. Vielleicht mag mich ja schon bald eine andere, ich bin gespannt, wer die Nächste ist, die mich ausführen möchte.

Carmen Rosina

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 22059