IDEAL I

Wenn du schön bist, hört dir jeder zu.

So lautete damals das Memo auf ihrem Freezer.

Heute nennen sie ihre Friends >Beauty<.

Dafür arbeitete sie aber auch unaufhörlich. Der Name also war Verdienst. Sie arbeitete daran selbst, wenn sie schlief – 24 Hours/Day.

Am Anfang übernahm sie den Work-out-Plan ihrer Mutter und glich ihn ihrem Bodystatus an. Da sie von den ganzen Child-OPs nichts hielt (bei ihrer Tante hatte es einmal eine Art Unfall gegeben, weswegen dieselbe nun nicht mehr in Public erscheinen durfte), lag alles bei ihr.

Wenn du hart genug arbeitest, kannst du alles werden.  (Ein anderes Memo auf ihrem Freezer.)

Mithilfe ihrer Watch, die sie zu ihrem 12. Geburtstag geschenkt bekommen hatte und sie jederzeit in Kenntnis über ihren Bodystatus setzte, hielt sie fortan ihr Leben in Balance.

2 Times/Day besuchte sie das Fitnesscenter (noch früher sogar 3 Times), morgens Kraft, abends Ausdauer – ein strikter Dietplan, den sie von Ernährungsberaten empfohlen bekommen hatte (und der natürlich veganer Art war), sorgte dabei für genug Energy, wobei auch die kleinen Sünden miteinberechnet wurden, um sie vor einem Sixpack und unerwünschten Muskelzügen zu bewahren.

Auch dafür lieferte die Watch Tipps über eine App.

Denn wer ein Star am Medienhimmel werden wollte,  hatte eine bestimmte Quality zu erfüllen – musste sozusagen ein Vorbild sein. Dies war auch der Grund, weshalb sie sich mit 20 doch zu Beauty-OPs entschloss.

Nicht der Weg, sondern der Wille bringt einen ans Ziel. (Another Memo.)

>Wellness< sei nur etwas für die Middleclass, meinte sie damals, jeder ginge heutzutage auf Kur.

Sie nicht.

Das Lifting war unumgänglich und schnell erledigt gewesen, die Implantate für Arme und Beine quasi notgedrungen (ihre Augen waren bereits blau, weshalb sie diese so beibehielt), allerdings wurde etwas von ihrem Busen weggenommen – 1. da er nicht den verlangten Maßen entsprach, 2. um im BMI, trotz des zusätzlichen Gewichts des Silikons, in der goldenen Mitte zu liegen.

Der Name >Beauty< war verdient!

Sie hatte sich in den Spiegel gesehen und größte Genugtuung verspürt.

Denn Spiegel lügen nie.

Ihr Rank in der Society stieg von Today auf Tomorrow. Ihre Friends, die für gewöhnlich nur 5 Times/Week Sport betrieben, schämten sich plötzlich ob ihrer Hässlichkeit und nahmen die Metamorphose Beauty’s als zusätzlichen Ansporn. Ab sofort holten sie Rat bei ihr ein, vor allem über die Topics Fitness oder Health, aber auch über alle anderen.

Modisch gekleidet – wie ihr der Fernseher versprach – und in High Heels erklomm Beauty wenige Monate später die High Society. Gleichzeitig legte sie weite Strecken auf ihrer Karriereleiter zurück – Feministen huldigten sie als Beispiel dafür, dass der Gipfel der Emanzipation erreicht war.

Heute (sie ist mittlerweile 32) hält sie Presentations im Topic >Angleichung<, einer Fortsetzung der >Gleichberechtigung< des 21. Jhdts. Als Managerin dieser neuen Businesswelle unterrichtet sie global Companies im richtigen Verhalten zwischen Male und Female.

Selten nur kommt sie dadurch nach Hause …

Wenn sie es tut, so liest sie auf ihrem Freezer noch immer dieselben Zeilen. Richtig happy ist sie damit nicht. Da die durchschnittliche Lifeexpectancy erst bei ca. 117 Jahren liegt, steigt mit der Zeit ihr Unmut.

Ihre SI (Second Identity) im Internet ist daher seit Neuestem 3 Jahre jünger.

Beauty seufzt, schließt die Social Networks für heute und begibt sich zu Bett. Auf ihrem Beistelltisch liegt das einzige Buch in ihrer Wohnung: das E-Book.

Märchen hat sie gerne. Und die Story von Schneewittchen ist ihr die liebste.

Aber jetzt war keine Zeit für Literatur …:

Neben ihr der sich erwärmende Body. Eine Hand, bestimmt wie keine andere, streicht ihr über den Rücken.

Sie lächelt.

„Du lachst nie“, meint sie dabei – erfüllt von Bewunderung ist die intime Stimme: „Darum bekommst du auch keine Falten.“ Erregt öffnet sie ihr Nachtdress und präsentiert sich für ein, zwei Augenblicke den leeren Augen. Mit ihrem Klatschen geht das Licht aus, der unter ihr liegende, glatte Body doch beginnt, wie mechanisch zu leuchten …

Sie kam – öfters. Und die Erfüllung dessen gab ihr das Feeling absoluter Schönheit. An den Vortrag, den sie morgen zu halten hatte, dachte sie heute nicht mehr.

Denn sie wusste, dass alle Welt sie begehrte.

Alle. Welt.

Was Beauty morgen jedoch nicht auf ihrem Freezer lesen würde:

Und wenn du erst einmal schön bist, hast du nichts mehr zu sagen.

Tobias Vees
tobiasvees.wordpress.com

www.verdichtet.at |Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 15059

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