Handgreifliches

Max (Name frei erfunden) arbeitete in einer großen Firmenzentrale, die in einem alten, dreistöckigen Haus mit langen Korridoren untergebracht war. Eines Tages traf er am Gang hinter einer verglasten Pendeltüre seinen Abteilungsleiter und wechselte einige Worte mit ihm. Nach der Abschiedsfloskel griff er – noch dem Chef zugewandt, hinter sich an den Türknopf, um seinem Boss die Türe aufzuziehen.

Aber inzwischen hatte – von ihm unbemerkt – eine junge Sekretärin hinter ihm bereits die Türe zu sich gezogen, um durchzugehen, und so ging sein tastender Griff nach dem Türknopf mitten hinein ins „volle Menschenleben“, nämlich ins üppige, hochsommerliche Dekolleté der knapp eineinhalb Meter „großen“ Kollegin.

Max drehte sich erschrocken um – was war denn das? Um Gottes willen – er hatte da, ohne hinzusehen und daher ohne „böse“ Absicht – eine Frau unsittlich berührt, ja geradezu unverschämt angefasst. Mit rotem Kopf konnte er nur mehr stottern: „Bitte, entschuldigen Sie vielmals – ich, ich habe Sie wirklich nicht gesehen! Das ist mir noch nie passiert – was müssen Sie jetzt von mir denken? Und das muss ja furchtbar unangenehm für Sie gewesen sein!“

Da antwortete das unverdorbene Naturkind mit himmelblauem Augenaufschlag: „Nicht so schlimm, unangenehm ist’s ja nur, wenn der Falsche hingreift.“ Der Abteilungsleiter lachte „Hands im Strafraum, das gibt Elfmeter!“ und ging seiner Wege, während Max sich erst einmal fassen musste. Er schluckte und sagte verlegen „Danke, Frau Kollegin, sehr freundlich von Ihnen“, und eilte in sein Büro zurück. Wo er den restlichen Nachmittag einen unkonzentrierten und tagträumenden Eindruck hinterließ.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary| Inventarnummer: 22023

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