Mahlzeit

Gestern hatte ich meinen Lieblingsmenschen bei mir zu Hause. Ich hatte diesen Menschen zum Abendessen eingeladen.
Ich darf sagen, dass ich zeit meines Lebens Freude am Kochen gehabt habe. Es hat mich entspannt, das Kochen. Und dieses gestrige Abendessen sollte die Krönung meiner Leistungen hinsichtlich der Zubereitung köstlicher Abendmahle werden, und es wurde fürwahr die Krönung.

Mein Lieblingsmensch kam pünktlich, und wir nahmen einen Aperitif im Stehen ein, an meiner Bar in meinem geräumigen Wohnzimmer.
In diesen Aperitif tat ich eine Prise Paracetamol und auch eine geringe Menge vom besten bolivianischen Kokain, das beste, und leider auch teuerste, Kokain, das ich in meinem Leben genossen habe.

Ich kann sagen, dass ich für dieses Abendessen weder Kosten, was die hochpreisigen Zutaten anlangt, noch Mühen hinsichtlich der Beschaffung ebendieser Ingredienzien gescheut habe. Und darauf, also auch auf mich, bin ich fürwahr stolz. Jawohl. Heute bin ich zum ersten Mal in fünfunddreißig Jahren stolz auf mich, und dieses Gefühl des Stolzes werde ich für die restliche Lebenszeit, die mir verbleibt, auskosten. Also für die nächsten zwei Stunden.

Ich muss erwähnen, dass ich dem Aperitif, den wir aus meinen guten Lobmeyr-Gläsern genossen haben, auch eine geringe Menge des Giftes des Inlandtaipans zugesetzt habe, jedoch wirklich sehr wenig davon, denn die Wirkung dieses Stoffes, nämlich das Blut stocken, es verklumpen zu lassen, wollte ich keinesfalls erzielen. Ich wollte lediglich sicherstellen, dass der Geschmack des Aperitifs nicht unter dem Fehlen einer essenziell wichtigen Substanz leidet.
Die Gegenmittel, die ich zuvor, in vielfältiger Art und reichlicher Menge, eingenommen hatte, taten mir gut.

Nach dem Aperitif wechselten wir in meinen Speisesaal, an dessen Wänden ich meine durchaus beeindruckende Sammlung geladener Schrotflinten hängen habe, und ich bereitete uns ein Carpaccio.
Die Blaubandkraken für das Carpaccio zu beschaffen, hatte sich als ähnlich schwierig erwiesen wie die Beschaffung des Inlandtaipans für den Aperitif. Der Blaubandkrake mundete meinem Lieblingsmenschen sehr, mir im Übrigen ebenfalls, auch die marinierten Stückchen vom Weißen Knollenblätterpilz harmonierten mit dem Aroma des Kopffüßers.

Wir aßen von meinen guten Tellern aus Meissener Porzellan und mit meinem silbernen Besteck. Als Servietten wählte ich frisch abgezogene Haut der Gila-Krustenechse, als optischen Kontrast zum weißen Tischtuch aus Leinen feinster Mailänder Provenienz.

Nach dem Carpaccio vom Blaubandkraken reichte ich eine klare Suppe, die ich aus Schierling und gerösteten schwarzen Tollkirschen gekocht hatte, eine am Gaumen sich wunderbar entwickelnde Kombination. Ich bot meinem Lieblingsmenschen an, eine Einlage in die Suppenteller zu legen, ich hatte Knödel aus der Leber eines Eisbären vorbereitet, doch schlug mein liebes Gegenüber dieses Angebot aus, da mein Lieblingsmensch offensichtlich gesundheitliche Schwierigkeiten hatte, welche sich durch dicke Schweißperlen auf seiner Stirn bemerkbar machten, ebenso durch vernehmliche und übel riechende Winde.
Ich für meinen Teil hatte derartige Schwierigkeiten nicht, obwohl ich festhalten muss, dass die Raumtemperatur in meinem Speisesaal mir durchaus auch Ungemach in Form dicker Schweißperlen bereitete.

Nach einer kurzen Essenspause, in der wir eine selbstgedrehte Zigarette mit bestem marokkanischem Haschisch rauchten, servierte ich Steaks, scharf angebraten, also innen noch beinahe roh, aus den feinsten Stücken des Komodowarans, also aus dessen Zahnfleisch und Zunge. Meinem Gast mundeten die Steaks sehr, ebenso die gedünsteten Blätter der Engelstrompete, die ich als Beilage reichte.
Als Snack, also als kleinen Zwischengang, reichte ich scharf angebratene Schwänze des Gelben Mittelmeerskorpions, wobei ich beim Bratvorgang besonders darauf Acht geben musste, die zarten Reservoire, welche die Essenz der Tiere enthalten, nicht zu zerstören, denn wir nahmen lediglich die Flüssigkeit in diesen Reservoiren zu uns, die Stacheln an den Enden der Skorpionschwänze benutzten wir als Zahnstocher; sie erwiesen sich für diese Art des Gebrauchs als bestens geeignet.

Meinem Lieblingsmenschen schien es wieder besser zu gehen, und so war ich bereit, den nächsten Gang aufzutischen.
Es handelte sich bei diesem um ein leichtes Gulasch vom Schnabeltier, zu welchem ich Knödel aus Semmeln und Eisenhut reichte, denn Eisenhut fügt sich geschmacklich besser in die Kombination aus Schnabeltiergulasch und Semmelknödel, als gewöhnliche Petersilie dies je zu tun vermöchte.

Als Dessert reichte ich Marmorkuchen, jedoch kreativ zubereitet, also nicht nach Großmutters altbekanntem Rezept, vielmehr zielgerichtet verfeinert. Der gelbliche Teil des Marmorkuchens verdankte seine Farbe Hühnereiern mit einer Prise Schwefel, der dunkle Teil einem Brei aus Spinnen, um präzise zu sein Schwarzen Witwen, welchen ich Stücke aus der Leber des Kugelfisches beigemengt hatte, den ich im Tropenhaus des Tiergartens Schönbrunn besorgt, also schlicht gestohlen hatte, indem ich ihn einfach aus dem Wasser geholt hatte.
Die Schwarzen Witwen habe ich fein passiert, um zu verhindern, dass ihre Chitinpanzer sich als störende Objekte in den Zahnzwischenräumen meines Lieblingsmenschen und in meinen eigenen einlagern.

Nach dem Dessert begann es meinem Lieblingsmenschen sehr schlecht zu gehen. Er erbrach Blut auf mein schönes Tischtuch aus Mailand, und plötzlich verstarb er. Er lag mit seinem Oberkörper auf meinem Esstisch und schadete mit seinem nutzlosen Herumliegen der Optik meines schönen Speisesaals.
Ich musste ihn beseitigen und brachte ihn in den Schweinestall. Nachdem meine Säue ihn restlos aufgefressen hatten, starben die armen Schweine.
Nicht wissend, was ich mit den toten Schweinen anstellen sollte, brachte ich sie der Küche der nächsten Volksschule. Als Geschenk, versteht sich.
Kinder sollen ja widerstandsfähig sein. Oder werden.

Und ich für meinen Teil habe jetzt genug. Fünfunddreißig Jahre sind doch ausreichend. Die Reste der Gegenmittel habe ich vernichtet und die Reste des gestrigen Abendessens ins Backrohr geschoben. Ich habe Lust auf eine schmackhafte und wirkungsvolle Quiche. Mahlzeit!

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: Lesebissen |Inventarnummer: 17017

 

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