Roboter träumen

Eine künstliche Intelligenz zu erschaffen, stand schon seit Langem im  Forderungskatalog vieler Wissenschaftler. Es erwies sich als weit schwieriger als gedacht. Die Rechenleistung stieg geradezu exponenziell, aber das reichte nicht. Ein Roboter, der alle Möglichkeiten durchrechnete, blieb ein tumber Rechenapparat. Er war nicht intelligent. Der Schwerpunkt lag woanders. Der Mensch war einem Roboter deshalb voraus, weil er Wichtiges von Unwichtigem trennen konnte, daraufhin Prioritäten setzte, weil er Eindrücke mit gemachten Erfahrungen verglich, und weil er lernte. Er war mit Filtern ausgestattet, die er einsetzte. Und er wusste, was für ihn notwendig war. Ein Mann brauchte 0,3 Sekunden, um herauszufinden, ob er eine Frau hübsch fand. So schnell war kein Roboter.
Selbst wenn ein Supercomputer an seiner Stelle in dem Mann gerechnet hätte, wäre er langsamer gewesen. Was den Menschen intelligent machte, war, dass er ein weiterentwickeltes Tier war. Er tat alles, um zu überleben oder zumindest seine Gene weiterzugeben. Das war das Tierische an ihm. Und zudem hatte er denken gelernt. Es war die Kombination aus Instinkt und Gedankenkraft, die ihn blitzschnell richtige Schlüsse ziehen ließ. Und es war auch das, dass er immer nur einen Teil seines Gehirns, den zur Problemlösung spezialisierten, nützte und den Rest damit schonte. Und, worauf die Wissenschaftler schließlich kamen, was vielleicht den Durchbruch einleitete, der Mensch träumte. Er verband damit verschiedene Bewusstseinsebenen.

Mit dem Stur-Chips-parallel-Schalten und ein paar Programme Einspeisen war es nicht getan. Die Wissenschaftlerteams bestanden dann zu größeren Teilen aus Psychologen und Neurologen. „Das künstlich intelligente Wesen muss ein Egoist sein“, wurde zum geflügelten Satz.

Erste Ergebnisse zeigten sich. Manche Roboter begannen zu denken, auf einfache Weise, schwerfällig und langsam, aber doch. Es waren an das Menschliche angelehnte Denkmuster. Dann lernten die Roboter. Man gab ihnen drei Aktivitätszustände, ein, aus und Standby, die durch einen Schieberegler eingestellt wurden. Im Standby-Modus sollte es für die Roboter möglich sein zu träumen. Das funktionierte auch, denn einige Roboter erzählten danach von schlimmen Alpträumen. In weiterer Folge entfiel der Schieberegler, und die Roboter wählten selbständig ihren Zustand. Die Roboter wurden intelligent. Bei Intelligenztests hätten sie wohl noch schlecht abgeschnitten, aber trotzdem: Die Aufgabe, künstliche Intelligenz zu erschaffen, war erfüllt.

Zu Intelligenz gehört auch ein gewisses sich entwickelt habendes Bewusstsein. Das äußerte sich so, dass einige Roboter bockig reagierten, wenn ihnen etwas nicht passte. So interessierte sich das Militär für ein paar Exemplare. Die Roboter verweigerten mit der Begründung: „Wer intelligent ist, geht nicht zum Heer.“

Oder der Roboter, den ein Wissenschaftler zum Abendessen mit zu sich nach Hause nahm. Er saß mit der Familie zu Tisch, er schüttete das Essen einfach in einen Hohlraum in seinem Inneren, er betrieb Konversation, aber als die Tochter des Wissenschaftlers zu ihrem Papa sagte, der Roboter habe da einen Rostfleck, war er beleidigt und wurde patzig.

Das waren noch die einfachen Fälle. Die intelligenten Roboter wurden zuverlässige Gehilfen, die man mit Nachsicht und Respekt behandeln musste. Kam man ihnen herablassend oder unfreundlich, stellten sie die Arbeit ein und schmollten, manche beschwerten sich auch. Aber nach einiger Zeit renkte sich das wieder ein.

Es kam aber noch etwas ganz anderes auf: Wer mit Geist behaftet war, konnte auch eine Störung dessen haben. Geist bedingte ebenso Geisteskrankheiten.
Neue Berufszweige entstanden: Roboter-Psychologen, Roboter-Psychiater, Roboter-Psychotherapeuten. Und eine neue Einrichtung, die der Roboterpsychiatrie.
In einer solchen traf man den Kehrroboter mit den vielen Bürsten an seiner Unterseite, der größenwahnsinnig geworden war. Er bildete sich ein, er wäre Astrophysiker. Aus einem Pappendeckel hatte er sich ein Fernrohr zusammengerollt und beobachtete damit, wenn die anderen Roboter in seinem Zimmer schliefen, den Sternenhimmel.
Oder man lernte den Roboter mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung kennen, der ständig vor spiegelnden Flächen stand, in denen er sich selbst bewunderte.
Und viele andere Roboter waren noch dort, denen man half und sie überwachte.

Die Zukunft hatte schon angefangen und war noch lange nicht zu Ende.

Johannes Tosin

www.verdichtet.at | Kategorie: fantastiques | Inventarnummer: 17014

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