365 Sekunden vor dem Untergang

365 Sekunden vor dem Untergang

Die Tage sind gezählt. 1, 2, 3. In drei Tagen, am 23. Juni um 19:42 Uhr Ortszeit, wird ein Komet, der sich von der Oortschen Wolke, welche die Erde vor zwei Millionen Jahren passierte, gelöst hat, mit der Erde kollidieren. Dieser Komet wird in den Medien als Hades-13 bezeichnet, sein Durchmesser beträgt 1247 Kilometer. Sein Aufprall wird 200 Kilometer südwestlich von Island stattfinden. Es wird das Ende jeglichen Lebens auf der Erde sein.

Gestern wurde die zukünftige Katastrophe bekanntgegeben. Heute ist

Tag 3 vor dem Untergang.

Man müsste den Kometen, wenn er noch weit von der Erde entfernt ist, mit einer massiven Nuklearsprengladung treffen. Diese Technik ist aber nie entwickelt worden. Alle Prognosen sagen auch aus, dass keine Sprengladung stark genug wäre, den Kometen bersten zu lassen.

Da es keine Möglichkeit gibt, das Unglück abzuwenden, kann man sich nur damit abfinden, dass alles aus sein wird. Es ist eine seltsame Vorstellung: Plötzlich, ohne jede Vorwarnung wird jeder und alles sterben, alle zum fast gleichen Zeitpunkt. Vor einiger Zeit sind die Dinosaurier ausgestorben und mit ihnen der größte Teil des Lebens auf der Erde, aber ein kleiner Teil blieb eben, die Lebewesen entwickelten sich weiter, und unter anderem entstand der Mensch. Diesmal wird es endgültig sein. Die einzige Möglichkeit zu überleben wäre, mit einem Raumschiff die Erde zu verlassen, aber dazu ist die Menschheit heutzutage nicht imstande, und Zukunft wird es für sie keine geben. Der Tod ist der ultimative Gleichmacher. Ist jemand wirklich reich, stirbt er nicht leichter als ein Armer, wahrscheinlich stirbt er schwerer, weil er sich ärgern wird, alles zu verlieren. „Wozu war das Ganze dann gut?“, wird er sich selbst fragen. Und die Antwort wird sein: „Für nichts.“

Der Tod wird durch die gewaltigsten Erdbeben, die es jemals gegeben haben wird, veranlasst, durch wolkenkratzerhohe Tsunamis, die Menschen werden erschlagen werden oder ertrinken, es ist auch möglich, dass die Atmosphäre entweicht, das wäre wohl der gnädigste Tod. Es ist ja nicht der Tod, der wehtut, sondern das Sterben. Bestimmt gibt es auch Selbstmordkandidaten, denen der Kometeneinschlag die Arbeit abnimmt. Viele von ihnen trauten sich wohl nie, sich selbst zu richten, jetzt, in drei Tagen, erledigt das der Komet. Es wird das Ende jeden Kalenders sein, vom 24. Juni an hat er keine Fotos mehr, keine Beschriftung, er ist nur noch weiß. Weiß ist das Sterben, die Trauer ist schwarz. Die Liebe ist rot, der Glaube violett, grün ist die Hoffnung. Und blau? Blau ist das Wasser.

Die Kirchen, die Moscheen, die Synagogen sind nun gefüllt. Kein Platz ist mehr frei. Die Menschen beten für die Vergebung ihrer Sünden, damit sie ein gutes Leben nach dem Tod führen können, dass sie in den Himmel kommen und nicht in die Hölle. Manche wollen auch ihr irdisches Leben gerettet sehen. Was nicht passieren wird.

Aber, was wirklich seltsam anmutet, ist, dass viele Beschäftigte heute an ihrem Arbeitsplatz erschienen sind. Die Büroarbeiter tippen in ihre Computer, die Arbeiter in den Werkhallen produzieren, in der Qualitätskontrolle werden die Waren geprüft. Die Sekretärinnen wollen Termine für ihre Chefs vereinbaren. Sie rufen bei Stellen an, wo ihnen gesagt wird: „Die Erde wird untergehen, der letzte mögliche Termin ist der 23. Juni. Sollen wir bis zu diesem Tag etwas vereinbaren?“

Florian ist einer dieser Büroarbeiter. Er mag Blumen nicht besonders, obwohl er diesen Namen trägt, aber den suchten ja seine Eltern für ihn aus. Seine Frau ist zuhause bei dem Baby, das niemals ein Kleinkind werden wird. „Bist du verrückt, warum gehst du in die Firma?“, fragte sie ihn in der Früh. „Ich muss etwas fertigmachen“, antwortete Florian. „Du musst gar nichts mehr fertigmachen“, sagte seine Frau, „das Einzige, was du musst, ist sterben, in drei Tagen, wie wir alle.“ „Ich gehe nur noch heute hin“, sagte Florian, „ich bin ja am frühen Abend wieder zuhause bei euch.“ Seine Frau wusste nicht, wie sie Florian von seinem Vorhaben abbringen könnte, und wenn man etwas nicht weiß, fällt man oftmals in eine Art Schockstarre. Sie stand nur da und sah ihn an. „Okay“, sagte sie dann. „Okay, bis dann“, gab Florian zurück.

Ja, und jetzt ist Florian in seiner Firma. Natürlich gibt es einen Grund, dass er hier ist. Er ist keiner dieser Verrückten, die Bestelllisten abarbeiten, wo nie mehr eine Lieferung folgen wird. Florians Grund ist Isabel, die in den technischen Abteilungen verschiedene Arbeiten erledigt. Er hat sich schon seit Langem in sie verschaut, machte aber nie Anstrengungen, sie zu erobern, da berufliche Affären ein No-Go für ihn waren. Mittlerweile war das einerlei, Job-Nachteile innerhalb der letzten drei Tage, nach denen die Erde untergeht? Lächerlich, obwohl nun nicht die Zeit zum Lachen war. Egal, jetzt war anything goes angesagt, es war keine Zeit mehr übrig, um zu warten. Now or never. Florian wusste noch gar nicht, ob er überhaupt abends nachhause fahren würde. Es war bekannt, dass Isabel Drogen nahm. Er nahm auch Drogen, was höchstwahrscheinlich niemand in der Firma wusste. Heute war seine Aktentasche gleichzeitig ein Drogenkoffer – mit Dope, Koks, Es gefüllt, genug für eine gute Zeit, mit Isabel, wenn sie denn will. Mal sehen, bislang hat Florian sie nicht ausgemacht.

„Knien Sie nieder, Sie Schwein!“, tönt es aus dem Büro des Abteilungsleiters. Es ist Herrn Warmuths Stimme. Das Verhältnis zwischen dem Abteilungsleiter und ihm war immer schon sehr angespannt, inzwischen hat sich das noch verschärft. Jetzt hört man den Abteilungsleiter laut beten. Noch vor dem Amen schallt es „Bumm, Bumm, Bumm, Bumm, Bumm!“ Das war Herrn Warmuths Intention, heute ins Büro zu kommen. Verständlich, findet Florian, den einen treibt die Liebe, den anderen der Hass. Der Hass ist vielleicht das wirkungsvollere Stimulans.

Später erfuhr Florian, dass Isabel bislang nicht in der Firma erschienen war. Er verbrachte noch einige Zeit beim Kaffeeautomaten in der Fertigungshalle rauchend und den paar Wahnsinnigen zusehend, die Maschinenteile produzierten, die nie mehr verbaut werden würden. Dann fuhr er nachhause. Wohl hat sich Isabel auch ihren Traum wahrgemacht, der nichts mit der Firma und nichts mit ihm zu tun hat.

Tag 2 vor dem Untergang

Ein Open-Air-Konzert wird vorbereitet. Musiker sind da, um Songs zu spielen, das Publikum zu unterhalten, manche wollen auch Messages transportieren. Wann, wenn nicht jetzt, sollen Musiker auftreten? Jetzt, genau! Die Instrumente und die Mikros auf der Bühne sind verkabelt. Der Soundcheck fällt aus. Gleich wird es beginnen. Die Musiker kommen auf die Bühne. Abertausend Menschen stehen davor. Es ist 20:07 Uhr. Noch existiert die Erde, sonst könnte niemand stehen und niemand könnte spielen und singen. Es ist eine Death-Metal-Band. Die Sängerin singt vom Tod. Die Menschen toben, recken die Arme in Richtung der Bühne. Diesmal ist es nicht nur eine Show. Es ist der vielleicht letzte Auftritt dieser Band. Und alles wird mit dem allgemeinen Sterben ändern. Die Toten werden nicht mehr begraben werden, und niemand wird sich ihrer erinnern, weil niemand mehr da sein wird. Auch darüber singt die Sängerin. Diesmal ist es mehr als Unterhaltung. Es ist so ernst, wie der Tod ernst ist, nach dem nichts mehr folgt. Jeder hofft, dass es danach weitergeht, doch das wird es nicht. Es ist kein vorläufiges Ende, es ist das absolute Ende. Der Punkt des ewigen Satzes.

Statt einer Lightshow brennen Feuer auf der Bühne. Alle Musiker sind schwarz gekleidet, wie die meisten im Publikum. Dann sieht man von den Menschen nur die Gesichter und die Hände, die weiß herausleuchten. Überall werden Joints geraucht, wie früher bei Konzerten, als es noch keine Handys mit Kameras gab. Am Rand sitzen Leute mit pulverförmigen Substanzen, Löffeln, Teilen von Zigarettenfiltern und brennenden Feuerzeugen. Jeder nimmt ein, was er hat. Keine Security ist hier, und auch keine Polizei. Alles ist scheinbar legal, da es keine Veranlassung mehr gibt, jemanden abzustrafen. Die Band auf der Bühne bietet die beste musikalische Darbietung, zu der sie fähig ist. Und das ist eine fantastische. Es ist traurig, denken wohl die allermeisten der Zuseher und Zuhörer, dass es das letzte Mal ist, dass ich diese Band erlebe. Natürlich muss alles irgendwann beendet sein, aber doch noch nicht jetzt, ich bin doch noch viel zu jung.

Mit den Worten: „Goodbye Leute, wir lieben euch, wir sehen uns wieder in der Hölle“, tritt schließlich die Band ab.

Eine andere Band tritt auf und gibt, was sie kann, was diesmal absolut der Superlativ ist. Der helle Gesang lässt eher an den „Stairway to Heaven“ denken als an die Treppe in die Unterwelt. Die Stimme entführt zu anderen Galaxien, was die Rettung wäre, doch sobald man die Augen öffnet, ist man wieder hier, innerhalb der Menge, auf der Erde gefangen.

Seb und Lene verlassen nun den Platz vor der Bühne. Sie gehen durch den Park, in dem sie aufgebaut ist. Da ist Rasen, sind Bäume und Kies, der scheinbar weiß strahlt, Eichhörnchen sind da und Enten, die quaken. Die beiden jungen Leute hatten große Pläne, zuerst ihre Ausbildung beenden, zusammenziehen, ein Kind, mindestens, besser zwei oder drei. Die Pläne werden nun Pläne bleiben, sie können nicht mehr realisiert werden. Leider. Sie besuchen den städtischen Friedhof, auf dem Leute wie sie gerne ein Picknick veranstalteten. Jetzt sitzen sie bloß im Schneidersitz neben einem Grab, jeder schaut für sich, von ihnen fällt kein Wort.

Sie sind nicht die einzigen Schwarzgekleideten hier, von denen man denkt, sie seien Satanisten. Einige haben sich auf dem Friedhof versammelt. Heute reißt niemand das Kreuz eines frischen Grabes heraus und steckt es andersrum zurück in die Erde.

In Wirklichkeit will ja niemand von ihnen, dass sie der Teufel holt. Wenn es denn so wäre, dann wäre das übermorgen der Fall. Es kann gut sein, dass diese Leute von dieser besonderen Ruhe eines Friedhofs angezogen sind, und auch davon, dass er ein historischer Ort ist, mit den altertümlichen Namen und manchen Schwarzweiß-Fotos der Verstorbenen. Es ist der richtige Platz, um langsam zu atmen. Nachts kommen die Geräusche fast nur vom Wind und von kleinen Tieren.

Jetzt greift Lene nach Sebs Hand. „Es ist schade um uns“, sagt sie. „Ja, es ist schade um uns“, sagt Seb.

Tag 1 vor dem Untergang

Die Tageszeitung liegt vor der Wohnungstür. Der Kolporteur macht weiter, als wenn nichts wäre. Er ist Sikh. „Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr“, stand auf einer Karte von vor ziemlich genau einem ½ Jahr, die mit Singh beschriftet war. Wahrscheinlich sammelt er Pluspunkte für sein zukünftiges Leben, denkt Tino. Aber wo will er ohne Erde leben? Doch das soll mich nicht kümmern, es geht mich auch nichts an. Der Mann wird schon wissen, was er tut. Er arbeitet ja nur noch um der Arbeit willen, denn Lohn wird er keinen mehr erhalten.

Tino blättert die Zeitung durch. Sie hat weniger Seiten als früher, aber sie ist erschienen, die Seiten sind bedruckt mit Text und Fotos, Redakteure und Fotografen waren an der Arbeit. Als ob sie einen Auftrag zu erfüllen hätten, oder sie glauben, dass das Unglück doch abgewendet werden kann. Tino ist nicht zur Arbeit gegangen „Scheiß drauf!“, hat er sich gesagt, „diese Arbeit ist nicht mein Lebenszweck.“ Und bald darauf fragte er sich: „Morgen werde ich sterben, was soll ich dann heute tun?“ Bald bemerkte er, dass ihm niemand wichtig genug war, um ihn – oder sie, in jedem Fall viel eher eine Sie – zu besuchen und vielleicht bis zum Ende zu bleiben. Nein, das war es nicht, was ihm fehlte. Er ließ seine Gedanken schweifen, und dann hatte er es vor sich: eine Gebirgslandschaft. Ja, das war es: Er würde wandern gehen, auf den Hochobir. Dort war er noch nie, und genau jetzt war es an der Zeit, ihn zu besteigen. Sonst gäbe es ja auch keine Gelegenheit mehr dafür.

Tino macht sich fertig. Er würde alleine gehen. Als er jünger war, hat er oft lange Sportausflüge unternommen, bei so gut wie allen war er solo. Das ist ihm lieber, er braucht sich nach niemandem zu richten, keiner ist da, der ihn beschwatzt. Und besonders jetzt möchte er in Ruhe gelassen werden. Er setzt sich in sein Auto, unterwegs tankt er kostenlos, er fährt bis zum Fuß des Hochobirs. Von ganz unten wäre die Gehzeit für ihn zu lange, er fährt die Serpentinen des Berges hinauf, bis da ein großer Parkplatz ist. Dort stellt er das Auto ab. Von hier bis zum Gipfel und zurück müsste er es bei seiner schlecht gewordenen Kondition in vier bis längstens fünf Stunden schaffen.

Der Parkplatz ist fast voll. Tino geht los. Viele Menschen gehen mit ihm und kommen ihm entgegen. Es ist ein Run auf den Berg. Steile und flachere Abschnitte wechseln einander ab. Wunderschön findet er die Natur, und interessant, wie sie sich mit steigender Höhe verändert. Jetzt sieht er unten in einem Tal einen kleinen See. Tino kennt ihn gar nicht. Er wird morgen dort baden gehen, bis es aus sein wird. Wenn der Komet einschlagen wird, wird er am Ufer des Sees liegen.

Überall sind jetzt viele Bergsteiger unterwegs, touristische, welche die Berge begehen, und Kletterer, die Felswände vertikal hinaufkrabbeln. Man würde denken, dass praktisch alle Kletterer freeclimben würden – es muss doch toll sein, einen langen freien Fall zu erleben, bevor man stirbt, was morgen ja ohnedies der Fall sein wird –, aber nein, mehr als wahrscheinlich üblich sind angeleint, sie wollen wohl keine einzige Stunde versäumen.

Nun hat Tino den Gipfel erreicht. Er sieht sich beim Gipfelkreuz um, dann geht er bergab, in Richtung des Parkplatzes, wo sein Auto steht, zwischen vielen anderen. Jetzt, wo er dort ist, kommt ihm ein kleiner, böser Gedanke: Warum habe ich, wo ich mich mein Leben lang immer bemüht habe, nur einen als gebraucht gekauften Kleinwagen, und manche von den anderen, die die totalen Flaschen sind, haben hier ihre Nobelkarossen stehen?

Und so nimmt er seinen Autoschlüssel in die Hand und zerkratzt den Lack von einigen der Limousinen, Sportwagen, Riesen-SUVs. Er macht das unauffällig. Trotzdem kann es natürlich sein, dass manche von den anderen Wanderern hier seine Aktion bemerken. Jedenfalls sagt niemand etwas – weil es nicht ihr Auto ist, überlegt Tino, diejenigen, die feststellen werden, dass bei ihrem Auto der Lack zerkratzt wurde, sind bestimmt, wenn schon nicht fuchsteufelswild, dann wenigstens nur wild, eher aber doch fuchsteufelswild – obwohl sie in etwas mehr als 24 Stunden sowieso sterben werden und die gesamte Erde unbewohnt sein wird.

Während er nachhause fährt, denkt er nach, wie er morgen zu diesem kleinen See gelangen soll. Das Internet wird ihm eine Lösung aufzeigen, kein Problem. Er stellt sich das Wasser vor, in das er dort tauchen wird. Wasser ist für ihn ein angenehmes Medium, wie komprimierte Luft. Schwimmt man lange Strecken, kann das wie Schweben anmuten.

Ob es Surfer auf den Tsunamis geben wird? Der Großteil der Menschen wird ja recht unmittelbar nach dem Kometeneinschlag sterben, aber auch wenn es manche Surfer danach noch aufs Meer schaffen würden, und selbst wenn sie einen Tsunami erreichten, bevor der sich zur vollen Größe aufgebaut hätte, wäre er viel zu schnell, um ihn zu reiten. Es wäre absolut unmöglich. Aber es gäbe ein spektakuläres Bild, einen Surfer auf einer viele hundert Meter hohen dahinrasenden Welle zu sehen.

Tag des Untergangs

Es ist 00:26 in Österreich. Theo ist auf einer Party. 20 Stunden und 16 Minuten ist noch Zeit. Überall sind jetzt Partys, Farewell-Partys, Goodbye-to-Earth-Partys. Musik und Visuals, DJs, DJanes. Put your hands up in the air. Never stop.

Doch genau jetzt denkt Theo: Was tue ich eigentlich hier? Er zieht sich in eine ruhigere Ecke zurück und schreibt auf seinem Smartphone Nachrichten, an Frauen, die ihm wichtig waren und, ja, es noch immer sind. Es gibt schon seit Langem keinen Kontakt mehr, aber sie ist wichtig, die eine, und sie ist wichtig, die andere, und einige mehr, die ihm wichtig sind, an alle die schreibt er. Nach einiger Zeit kommen auch Nachrichten zurück. Eine schreibt ihm: „Theolein, warum hast du mir das nicht vor drei Jahren geschrieben?“ Dann könnten wir jetzt vielleicht beisammen sein, weiß er.

Man kann das Leben so sehen, dass es aus Taten besteht, oder man kann es so sehen, dass es aus Versäumnissen besteht.

Anyway, heute ist es aus.

Jetzt, je näher der Untergang rückt, desto mehr Menschen sitzen vor ihren Fernsehern. Manche lassen sich unterhalten – bestimmte Sender strahlen Blockbuster-Filme aus. Andere betrachten Zusammenschnitte von historischen Filmaufnahmen ohne Ton. Dort wird genau jetzt eine Zahl in dieser Schrift eingeblendet:

365 Sekunden bis zum Untergang

364, 363, 362, 361, 360. Sieht man aus Fenster, ist der Komet bereits deutlich größer als die Sonne, bei jeder weiteren niedrigeren Zahl ist er weiter gewachsen. Bei 100 beschleunigt die Luft stark. Der Komet ist jetzt so groß wie ein Fußball 50 Zentimeter vor den Augen.

Bei 30 schließt Fiona die Augen. Sie wird sie erst wieder öffnen in dem Moment, in dem sie stirbt.

Die Totenszene mit der jungen Frau am Kreuz

Die Totenszene mit der jungen Frau am Kreuz

 

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: ärgstens | Inventarnummer: 23139

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