Was jetzt

Fragt man sich, was ist der Sinn des Lebens, oder, gibt es einen Gott?
Was ist eigentlich die Seele? Mag ich Obst oder Kompott?
Oft stellt man sich solche Fragen, täglich an die hundert Mal.
Allzu oft müssen wir passen, bei der Antwort richt’ger Wahl.

Wichtig ist es, kritisch denken, mach dir deinen eig’nen Reim
auf des Lebens ernste Fragen, deine Meinung zählt allein.
Hier geht’s nicht nur ums Wissen, mehr um der reinen Weisheit Willen!
Obwohl ich weiß, dass ich nichts weiß, will ich den Drang nach Wahrheit stillen.

Bei der Wahrheit fängt’s schon an. Zahllos ist die Perspektive,
jeder Mensch hat seine eig’ne, individuelle, anspruchsvolle und naive
Vorstellung von dem, was ist, und es glaubt oft jedermann,
dass die eig’ne, selbst erlebte Wahrheit nur die Wahrheit seien kann.

Natürlich will ich gerne wissen, was so in der Welt los ist.
Und ich will es selbst entscheiden, ist das wichtig oder Mist?
Doch trotz aller Wissenschaft, die uns oftmals Missmut macht,
geht es immer um das eine, Mensch-Sein und Zusammenleben.
Im Mitgefühl, nicht nur im Können, liegt der Menschheit heilend Segen.

Die Frage ist, was will ich bloß? Was brauch, was soll und muss ich denn?
Meine Perspektive sagt mir, ist das wahr und was ist, wenn?
Vielleicht sollte man drüber reden, und man kommt gemeinsam drauf?
Besser, als alleine grübeln, besprechen wir der Dinge Lauf.

Wissen, sagt man, das heißt meinen, sich sicher wiegen, scheint gefährlich.
Menschenleben, die vergehen. Ich bin Mensch, so bin ich sterblich.
Bringt Sich-Regen nicht auch Segen? Wirksam heißt es, sei im Leibe!
Bewahr dir ringsum Wohlbefinden, mach der Seele eine Freude!

Wer sich nur mit Anseh’n füttert, ach, das weiß schon jedes Kind,
wer an Ehr’ und Ruhm sich freut, füttert sich doch bloß mit Wind.
Immer heißt es, der schafft an, der das Geld hat, wär ja g’lacht!
Sehr beliebt scheint diese Meinung, doch nur Wissen, das ist Macht.

Mancher denkt den Körper gar als getrennt von seiner Seel sich,
und er folgert sonnenklar, nun, ich denke, also bin ich.
Nie betrügt uns die Natur, wir sind’s, die wir uns selbst betrügen,
Dass der Mensch nur nützlich sei, straft ihn schließlich selber Lügen.

Drum sollt ein jeder sich bemüh’n, Gesetzen auf den Grund zu gehen,
die das Denken und das Handeln lenken, in Bezug auf das Geschehen.
Was Geschichte und Erfahrung lehren, ist meist allzu leicht vom Tisch.
Was daraus zu ziehen wäre, ist schnell weg, mit einem Wisch.

Copyright: Norbert Johannes Prenner

Copyright: Norbert Johannes Prenner

Norbert Johannes Prenner (Text und Grafik)

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 25225




Im Silberlicht der Angst

Dass es nichts Gutes in sich verbarg, ahnte ich schon, als ich es gestern zum ersten Mal in meinen Händen hielt. Doch das wirkliche Ausmaß des Grauens, das der Inhalt in mir auslöste, übertraf mit Abstand alle Ahnungen und Befürchtungen, die mein angstbesetztes Hirn des Nachts fantasievoll kreierte.
Gänsehaut pur. Unter Dauerbeschuss stehen sie, die feinen Härchen auf meinem Unterarm, stechen wie stolze Soldaten aus den Poren, stramm und angespannt, bis in die Spitzen, mit eisernen Gesichtern und fest entschlossen, ihre Spannung nicht zu verlieren. Ihre Geradlinigkeit. Ihre Würde. Standhaft zu bleiben und aufs Schärfste bereit zum Kampf, dem Grauen Paroli zu bieten, auch wenn das Fundament zittert und bebt. Oder vielleicht gerade deshalb.

Meine Mundwinkel, noch immer starr und vereist, im Ausdruck tiefster Abneigung verharrend und angewidert gen Kinn gezogen, in steilen Gräben, die Abgründe offenbaren, so tief, halten mit unbändiger Kraft die Lippen in Schach, ziehen sie mit dicken Tauen mit sich in die Tiefe. Ungeachtet ihrer Wunden, die noch weiter aufreißen, weil sie dem Zug, der auf ihnen liegt, nicht mehr standhalten können, eh schon ausgedörrt waren. Von ihrem Ritt durch die endlose Wüste.
Mitleiderregend schrill schreien sie nach Wasser, so habe ich Erbarmen und befeuchte sie mit meiner Zunge, schmecke Salz und Blut, das aus ihnen tropft und bin wieder im Hier und Jetzt. Auf Dr. Walds Couch. In Sicherheit.

Innerlich vertrocknet bin ich, vollkommen leer, nachdem ich alles, was in mir war, aus mir herausgewürgt habe, just als ich den Inhalt des Päckchens sah, heute Morgen, vielleicht sogar meine Seele. Falls sie überhaupt noch in mir wohnte und nicht längst über alle Berge war. Fühle nichts mehr, nur noch Angst. Immer nur Angst. Wann hört das endlich wieder auf? Wer führt diesen entsetzlichen Krieg gegen mich? Warum? Was habe ich getan?
So kann es nicht weitergehen, sonst werde ich wahnsinnig. Oder bin ich das schon? Will er das erreichen? Dass ich komplett durchdrehe?
Schon wieder zieht sich alles in mir zusammen, mein Bauch wird bretthart, schiebt mir das Würgen in den Hals. Ein Speichelsee entspringt in meinem Mund, und mir ist speiübel. Schnell springe ich auf und renne zum Klo. Will sie einfach nur loswerden, diese lähmende Ohnmacht. Die Angst. Das Pochen. Das Flattern. Die ständige Gefahr. Charlotte. Die schrecklichen Bilder von ihr in meinem Kopf. Und diesen elenden Gestank nach Tod, nach Verwesung, der in meiner Nase sitzt und mich schonungslos antreibt, mit einem lauten Peitschenknall, und ich speie und speie.

„Mein Gott, Sie sehen schrecklich aus!“, stellt Dr. Wald besorgt fest, als ich erschöpft zurückkehre, „sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber auf Ihr Zimmer möchten? Sie sollten sich dringend ein wenig ausruhen!“
Energisch schüttele ich den Kopf und schleppe mich schlurfenden Schrittes zur Couch, auf gar keinen Fall, denke ich aufgewühlt, bloß nicht auf mein Zimmer, ich will jetzt nicht allein sein, und lasse mich wortlos auf das weiche Polster fallen.
Mein Therapeut schmeißt die professionelle Distanz über Bord, zum ersten Mal, seitdem wir uns kennen, steht auf und deckt mich fürsorglich zu, streicht mir mitfühlend über die Wangen und bringt mir ein Glas Wasser.

Mit geschlossenen Augen sauge ich seinen Duft ein, der angenehm durch meine Nase mäandert, sich dort mutig niederlässt, um den elenden Gestank nach totem Tier endlich zu vertreiben. Mit Erfolg, denn sofort werden Empfindungen in mir wach, die Lebensgeister räkeln sich, gähnen herzhaft, bereit zu neuen Abenteuern.
Verstohlen blicke ich ihn an, registriere sein attraktives Äußeres, die väterliche Ausstrahlung, die mich reizt, suhle mich in dem wohligen Gefühl, das sein Duft in mir auslöst, werde aber schon beim nächsten Prickeln zur Raison gebracht, schwungvoll eingebremst. Was soll das, Anne, mahnen die Abers und Achs, die in engen Kreisen um meinen Hals schwirren, geschickt Lassos auswerfen, um ihn zuzuziehen, bist du übergeschnappt? Du hast andere Sorgen!

Schon gut, schon gut, denke ich und vertreibe sie angewidert, Spaßverderber. Was kann ich dafür, dass sein Duft mich anspricht, inspiriert, befreit, und spüre den Luftzug, der entsteht, weil er sich umdreht und geht, und der auf angenehme Weise meine Wangen kühlt.
„Wann haben Sie das Paket geöffnet?“, fragt er mich, nachdem er hinter meinem Kopf Platz genommen hat. Seine sonst so ruhige und sichere Stimme klingt besorgt, überschlägt sich, als eilten die Worte, längst überfällig, aus ihm heraus, lösten Gedränge aus am Tor, wohlwissend, dass die Zeit knapp wird. Weil die Aufklärung drängt.
Nervös tippt er mit seinen Fingerkuppen auf die breite Armlehne seines Ledersessels und lässt ein unruhiges Schnaufen verlauten. „Die Sache läuft ein wenig aus dem Ruder“, merkt er mit ernster Miene an, „das gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.“
„Heute Morgen, gleich nachdem ich das Dilemma von gestern mit dem Hausmeister geklärt hatte“, beantworte ich seine Frage.
„Was meinen Sie?“, fragt Dr. Wald interessiert nach.

Kurze Stille, in der ich mich unentschlossen hin und her winde, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihm wirklich davon erzählen soll. Denn ich schäme mich dafür. Ich schäme mich in Grund und Boden, weil ich meine Emotionen derartig hochkochen ließ, dass die Vernunft keine Chance mehr bekam. Auf der anderen Seite muss ich davon berichten, schließlich vermute ich, nein, ich bin mir sicher, dass das alles kein Zufall war.
Er steckt dahinter, keine Frage. Er ist hier, er ist hinter mir her, will mich kleinkriegen. Ausdrücken wie eine zu Ende gerauchte Zigarette, auch mein letztes Aufglimmen erlöschen.
Ein Räuspern im Hintergrund, unruhiges Fußgetrappel als Ausdruck seiner Ungeduld, dann seine entschlossene, angenehm tiefe, vibrierende Stimme: „Frau Heldt“, konstatiert er förmlich, „Sie werden sicherlich bemerkt haben, dass wir die Ebene eines psychoanalytischen Gespräches längst verlassen haben. Im Moment haben die aktuellen Geschehnisse absolute Priorität. Es drängt nach Handlung. Zügig!“

Ist ja gut, denke ich ein wenig gereizt, ich tue doch schon alles, was in meiner Macht steht, um die Sache aufzuklären, habe das Gefühl, an beiden Seiten zu brennen, und fühle mich genötigt zu beichten, auch wenn er gerade wie ein Lehrmeister klingt, ein wenig zu altklug für meinen Geschmack, und all sein Charme von ihm abbröselt wie der Putz von der Wand.

Anna Helene Claus
www.schreibenmitherz.de

Für alle, die es so richtig gepackt hat:
Seit 14. November 2025 ist dieser Roman erhältlich, unter
https://buchshop.bod.de/im-silberlicht-der-angst-anna-helene-claus-9783819227059
sowie auf Bestellung im Buchhandel.

www.verdichtet.at | Kategorie: ärgstens und auszugsweise | Inventarnummer: 25226




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Bilder

Du stehst vor dem Spiegel, zupfst dir ein paar Haarsträhnen zurecht, vermeidest dabei, auf deine Spiegel-Hände zu sehen. Nicht schon wieder kontrollieren, ob sie zittern! Du zwingst dich, stattdessen in deine Spiegel-Augen zu schauen, was es nicht besser macht, dir sieht pure Angst und Aufregung entgegen, du zwinkerst, massierst dir kurz die Schläfen, bemühst dich, dir einen unaufgeregteren Ausdruck zuzulegen.

„Reiß dich gefälligst zusammen“, flüsterst du deinem Spiegelbild zu, „du triffst dich mit Freunden. Das ist etwas Schönes, etwas Schönes! Nichts, wovor du Angst zu haben brauchst“, kommst dir lächerlich vor, wendest dich abrupt von dir selbst ab, gehst aus dem Badezimmer.
‚Was hast du denn erwartet?‘, rügst du dich innerlich streng. ‚Dass du zu einem neuen Menschen mutiert bist? Zu einem mit einem anderen Wesenskern, frei von Angst und Selbstzweifel? Dummkopf! Du musst deine Emotionen aushalten, sie annehmen, gutheißen. Wie oft hast du dies in den Therapien gehört und besprochen? Und doch hoffentlich auch verstanden?! Heute – jetzt! – geht es darum, bereit zu sein, wieder bei null zu beginnen.‘

Aber: Heute –  jetzt! – fühlst du dich genauso unsicher wie seit frühester Kindheit, wie deine ganze Jugendzeit hindurch. Einzige Ausnahme: rund fünf Jahre, in denen du völlig anders gewesen bist. Und die vor vier Monaten mit einem Zusammenbruch geendet haben.

Für den Einstieg in diese fünf Ausnahmejahre hat es keinen bestimmten Auslöser gegeben. Du wolltest und konntest diese diffuse Angst einfach nicht mehr ertragen, die sich in all deinem Tun, bei sämtlichen Anlässen alles übertünchend in den Vordergrund gedrängt hat. Hast begonnen, Tranquilizer zu nehmen. Ab Mittag mit Alkohol gemischt. Was für eine Befreiung: du – entspannt, angstfrei! Mit der richtigen Dosis, der richtigen Mischung:
Endlich dem Ich-Bild entsprechen, welches du von dir selbst hast!
Endlich dieses Ich leben können, weil die verdammte Gehemmtheit, unter der es vergraben war, nun verdrängt ist!
Endlich das Gefühl haben, ‚normal‘ und unbeschwert zu sein!
Endlich wie all die anderen – die Selbstbewussten, die Lebensfrohen – leben!
Endlich sein, wie andere dich haben wollen!

Und ja, wie witzig und schlagfertig, wie beliebt du nun warst! Im Handumdrehen hast du dir den Ruf einer Lustigen, Verrückten, Überdrehten erworben, auch den einer Unberechenbaren, die sich zeitweise rar – und damit interessant – macht, eine, die man oft tage-, wochenlang nicht erreicht, und die dann plötzlich wieder auftaucht. Was du in den Tagen, an denen du verschollen warst, durchgemacht hast, hat niemand erfahren.
Denn natürlich konnte es auf Dauer nicht gutgehen. Der Klassiker: Wie unzählige andere Süchtige brauchtest du mehr und mehr, hast die Dosis gesteigert, hast versucht, dir deine Sucht zurechtzubiegen, sie vor den anderen verborgen.

Keiner deiner Freunde wusste von deiner Medikamentenabhängigkeit, niemand von deiner Verzweiflung, deinem Suizidversuch. Nur deinen übermäßigen Alkoholkonsum haben sie alle miterlebt. Deine Exzesse waren legendär. Außer David hat dich jedoch niemand darauf angesprochen. David, der Freund seit Kindertagen, hat oft versucht, dir ins Gewissen zu reden, woraufhin du ihn gemieden hast. Du hast nicht mehr mit ihm telefoniert, ihm nicht mehr geschrieben, ihn nicht mehr zu zweit, sondern nur mehr inmitten der Gruppe getroffen.

Und jetzt eben. Alles auf Anfang. Anne weiß als Einzige davon. Gestern hast du es ihr erklärt, nur kurz am Telefon, als du das erste Mal seit Monaten wieder einen Anruf von einem der Freundesgruppe angenommen hast. Es war zufällig ihrer.

„Ich bin mir nicht sicher“, hast du gemeint, als Anne dich drängte, du müsstest unbedingt endlich wieder mit ihnen ausgehen, alle würden dich vermissen, sich Sorgen um dich machen, Jonas, Max, Ines, Mira, Jan, vor allem David.
„Aber das ist es ja“, hast du leise gesagt. „Sie werden wissen wollen, wo ich gewesen bin, warum ich anders bin, warum ich keinen Alkohol mehr trinke. Ich weiß nicht, ob mir das nicht zu viel werden wird.“
„Aber du musst dich doch niemandem erklären“, hat Anne entgegnet. „Alle werden sich freuen, dich wieder zu sehen. Wir sind deine Freunde, Malin, und nicht deine Richter.“
Schließlich hast du halbherzig gesagt: „Okay, vielleicht schau ich morgen bei euch vorbei.“
Doch Anne hat gelacht: „Nicht vielleicht! Ich hole dich morgen um 20 Uhr ab, wir gehen gemeinsam. Und wenn du nur für ein Stündchen mitkommst.“

Nun ist es 20 Uhr. Nun läutet es an der Tür. Nun rast dein Herz. Du läufst in den Vorraum, räusperst dich, drückst auf den Knopf der Gegensprechanlage, sagst:
„Hi, Anne, ich komme runter!“
Hörst Anne sagen: „Malin, lass mich kurz rauf bitte, es ist dringend …“
So war es zwar nicht ausgemacht, aber du öffnest Anne die Haustür, siehst dich im Wohnzimmer um. Ein paar Zeichnungen von dir liegen ausgebreitet auf dem Tisch. Zu spät, sie wegzuräumen, du hörst Anne die Stufen rauflaufen, schon steht sie vor dir, gerade rechtzeitig setzt du ein Begrüßungslächeln auf.

„Hey, Malin“, umarmt sie dich kurz, eilt, während du nach Worten suchst, schon an dir vorbei in deine Wohnung, Richtung Klo. Wenig später hörst du sie im Badezimmer laut singen.
Lächelnd, ihr Makeup aufgefrischt, kommt sie retour, lässt sich entspannt und theatralisch seufzend auf deine Couch fallen. „Du, Malin, ich weiß eh, dass du nicht mehr trinkst, aber ich brauche jetzt voll dringend einen Schnaps! Jonas will nämlich eine Aussprache – ach, weißt du überhaupt, dass wir seit Tagen Stress miteinander haben?!“
Du schüttelst den Kopf, sagst leise: „Ich habe keinen Alkohol zuhause.“
„Och, shit, ja, klar – kein Drama – obwohl“, sie kichert, „das ist sowas von ungewohnt, Malin, du und kein Alkohol. Dir ist wohl tatsächlich ernst damit?“, ruft, bevor du antworten kannst: „Hey, hast die du gezeichnet?“, nimmt kurz eine deiner Zeichnungen in die Hand, sagt: „Echt cool.“

Du holst Luft, um Anne zu erzählen, wie froh du darüber bist, nach vielen Jahren wieder zu dieser Kraftquelle gefunden zu haben, dass du beim Zeichnen und Malen entspannen kannst, du dabei vergisst, zu beobachten, ob deine Hände zittern …
Doch Anne ist inzwischen aufgesprungen, geht schnellen Schrittes in den Vorraum. „Dann wollen wir jetzt los, nicht, Malin? Das mit Jonas und mir erzähle ich dir unterwegs.“
War sie schon immer so? Dass sie keine Antworten abwartet? Dich kaum ansieht, dich nicht wirklich wahrnimmt? Du wunderst dich.

Und während du Anne zuhörst, die dir auf dem Weg zum Lokal ausführlich das Problem – unbegründete Eifersucht – zwischen ihr und Jonas erläutert, konzentrierst du dich zugleich darauf, deine Angst unter Kontrolle zu haben, registrierst unerwartet einen Funken Gelassenheit in dir, freust dich darüber.

Doch der Funken verfliegt sofort, als ihr ‚euer‘ Lokal betretet. Zu viele bekannte Gesichter, zu laut, zu grell, zu viel. In Sekundenschnelle verschwindet Anne, stürzt sich auf Jonas und in seine Umarmung, ist nicht mehr vorhanden für dich, ist nun die Hälfte eines ausschließlich auf sich selbst konzentrierten Paares. Du zwingst dich, in die Runde zu lächeln, antwortest angestrengt auf Begrüßungen und Fragen:
„Jep, bin wieder da.“
„Ja, gut geht’s.“
Setzt dich zwischen Mira und Jan, die dich zu ihnen winken, dir Platz machen. Fängst einen warmen Blick von David auf, der vis-a-vis von dir sitzt, erwiderst unsicher sein Lächeln.

Annalena, die Kellnerin, kommt, fragt dich: „Wie immer?“
Du schüttelst den Kopf. „Ein Mineral, bitte.“
„Was ist denn mit dir los?“, fragt Jan sofort laut. „Alles okay mit dir, Süße?“
„Aber ja, natürlich.“ Du bemühst dich um eine klare Stimme.
„Du wirkst so anders. Du bist doch nicht etwa krank“, steigt Mira jetzt in Jans Tenor ein.
„Mann, checkt ihr es nicht“, ruft Max, der sichtlich betrunken ist. „Malin ist schwanger!“
„Ihr spinnt ja alle“, sagt Anne, sich kurz von Jonas’ Lippen lösend, „lasst Malin in Ruhe, sie ist weder schwanger noch krank.“
Du nickst verlegen, antwortest Mira, die dich etwas leiser, aber vorwurfsvoll fragt, warum du auf keine ihrer Nachrichten geantwortet hast, mit:
„Sorry, es tut mir leid.“ Mehr fällt dir nicht ein. Mira sieht dich stirnrunzelnd an, sagt dann: „Schon okay“, dreht sich von dir weg und Ines zu, flüstert ihr etwas ins Ohr, Ines lacht laut auf, die beiden prosten sich zu, trinken.

 Es wird nicht leichter für dich, du bleibst angespannt, hältst die Stimmen und Stimmungen der anderen nur schwer aus. Alle reden durcheinander, Anne und Jonas streiten nun lautstark und lustvoll, Wortfetzen dringen zu dir. Du bemühst dich, aber dir gelingt kein Einstieg in ein Gespräch, zu sprunghaft sind die Themenwechsel. Wohltuend sind einzig Davids Blicke, die dir jedes Mal, wenn du zu ihm siehst, signalisieren, dass er sich freut, dass du da bist – so, wie du bist.

Von den anderen aber fühlst du dich unangenehm beobachtet. Speziell von Jan und Mira. Beide starren auf deine rechte Hand, die stark zittert, als du dir Mineralwasser einschenkst. Du umklammerst das Glas mit beiden Händen, stellst es dann wieder hin, ohne davon getrunken zu haben, ziehst die Ärmel deines Pullovers über deine Hände.

Als Max Annalena zuruft: „Eine Runde Tequila für alle!“, stehst du auf, flüchtest aufs Klo, siehst mehr Erschöpfung als Angst in deinem Spiegel-Gesicht, überlegst, wie du am unauffälligsten gehen kannst. Dass du dich nicht wieder zu ihnen setzen wirst, ist dir klar. Keine Sekunde hältst du es mehr aus in dieser Runde.

Du bleibst hinter Mira stehen, sagst: „Ich muss jetzt gehen.“ Der Satz kommt einfacher als gedacht über deine Lippen.
„Kommt nicht in Frage“, sagt Mira, „du setzt dich sofort wieder hierher zu uns“, sagt es aber in einem spaßig-strengen Tonfall, dem du dich leicht widersetzen kannst.
„Warum schon jetzt, Malin?“, fragt Jan. „Ich will jetzt echt wissen, was mit dir ist. Du bist ja nicht wiederzuerkennen.“
„Malin ist dir keine Rechenschaft schuldig“, sagt David bestimmt, „und sie kann gehen, wann sie will.“ Du siehst ihn dankbar an, wirfst dann ein rasches Tschüss in die Runde, und gehst.

Zuhause nimmst du einen Stift und deinen Zeichenblock, skizzierst Anne, wie sie sich vor wenigen Stunden entspannt auf deiner Couch ausgestreckt hat, zeichnest dich selbst ihr gegenüber, deine hochgezogenen Schultern, deine verschränkten Arme.

Am nächsten Blatt entstehen Mira und Jan im Lokal, zwischen ihnen, wie eingeklemmt, du, dein Wasserglas mit beiden Händen umklammernd. Erst jetzt fällt dir auf, dass du keine Sekunde daran gedacht hast, Alkohol zu trinken. Unerwartet durchflutet dich Stolz und Freude. Als du Max biertrinkend zeichnest, ist für dich klar, dass du dich in dieser Gruppenkonstellation nie wieder treffen wirst. Das passt nicht mehr. Einzig zu David gibt es eine gute Verbindung. Dir wird innerlich warm, während du ihn zeichnest, seinen strahlenden Blick, sein Lächeln, denkst daran, wie oft er und du als Kinder gemeinsam gemalt habt, damals beide am liebsten Pferde, Katzen, Hunde. Ob David auch jetzt noch zeichnet? Du weißt es nicht. So lange Zeit bist du ihm ausgewichen, hast nicht mit ihm geredet. Viel zu lange.

Du nimmst dein Handy, fotografierst die Zeichnung, die du von ihm gemacht hast, schickst sie ihm nach kurzem Zögern, gehst dich dann duschen, schaust danach aufs Handy. Eine Nachricht von David. Du öffnest sie.
David hat dein Gesicht skizziert. Es wirkt sensibel, verletzlich. So, wie du bist. Deine Gesichtszüge auf seiner Zeichnung sind zart, der Ausdruck deiner Augen klar und – ja, schön. Im unteren linken Eck des Bildes steht das heutige Datum und zwei Worte: stay strong.

Dir kommen die Tränen. Du fühlst dich verstanden. Du fühlst dich erkannt. Überlegst nur ganz kurz, schreibst ihm: David, möchtest du telefonieren? Und spürst, wie dein Herz nicht angst-, sondern freudvoll etwas schneller schlägt, als gleich darauf dein Handy läutet.

Claudia Dvoracek-Iby

www.verdichtet.at | Kategorie: an Tagen wie diesen … | Inventarnummer: 25227




Post Punk

Wer hat noch nicht sein Hemd am Notenständer,
weil’s keinen Sinn macht, einfach draufgehängt?
Dann steht der da als zweckloser Zwölfender –
weder Musik noch festliches Event.

Kann sein, dass einst viel bess’re Hände
zum Hemde und zum Notenständer greifen –
doch in dem unbequemen Zeitenlauftgelände
fürcht ich, muss die Zeit dazu noch reifen.

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude | Inventarnummer: 25228




Rallye mit Marcello

Ein Oldtimertraum mit Emanzipationsbestrebungen

Copyright: Antonia H.

Copyright: Antonia H.

Marcello hat zugesagt! Ja, der alterslose Schauspieler mit triefendem Blick, der dem hungrigsten Dackel Konkurrenz macht, begleitet mich mit seiner Tochter Chiara auf der wohl ungewöhnlichsten Rallye Frankreichs, der Bonnecar, von Saint Malo bis Cassis.

Wir befinden uns in einem fantastischen Oldtimer, einem eleganten Raubtier, das, von mir gezähmt, ohne Hektik über den Asphalt gleitet. Ein Mercedes 540 K? Ein Peugot 300?  Im Leben kenne ich mich mit Autos nicht aus, Hauptsache, sie sind hübsch und machen was her. Der Motor rattert, als habe ihn ein Tontechniker der Nouvelle Vague getrimmt.

Das Singen der Räder verrät, ob die Straßen gepflastert oder geteert sind. So kann ich, nachdem mein Auto mit lässigen 35 km/h durch Saint Malo defiliert, gemütlich die altmodischen Auslagen, die sich entlang des Trottoirs unter gestreiften Markisen aneinanderreihen, betrachten. Sie zeigen allesamt ein Repertoire der Dinge aus den Fünfzigerjahren und die Beschattung lässt sie wie eine Gemäldereihe aus lauter Stillleben mit nachgedunkeltem Firnis erscheinen.

Marcello und seiner Tochter scheint es zu gefallen. Ja, der alte Marcello grinst sogar in meinen Rückspiegel, weil ihn die Fahrt an längst vergangene Drehtage erinnert.

Als wir das Stadtgebiet verlassen und den Sammelparkplatz für die Rallyeteilnehmer ansteuern, tuckert vor uns ein ganzer Konvoi oranger 2CVs, von denen jeder mit Nonnen in weißem Habitus bestückt ist. Die Nonnen tragen lichte gigantische Flügelhauben und es ist verwunderlich, dass sie in ihren Entencabrios nicht abheben, denn die Ausmaße ihrer Hauben machen Segelfliegertragflächen gewaltig Konkurrenz. Wäre lustig, sie so über die lieblich gewölbten Grashügel schweben zu sehen. Vor dem dunklen Grün des dahinter gelegenen Mischwaldes kommt das Orange der Citroens besonders gut zur Geltung.

Während die weiteren Autos wohl die nobelste und kreativste Ahnengalerie des KFZ-Designs vertreten, scheinen deren Chauffeure einem surrealen Film entsprungen zu sein.

Das wird ein Rennen, denke ich und schiele zu meinem Latin-Lover-Insassen, der keine Miene verzieht, während mich ausgerechnet eine von einer Bulldogge gesteuerte blaugraue Isetta überholt.

Vom Parkplatz aus geht es nach der Verteilung der Startnummern und einem ordentlichen Chaos zum Hafen.

Marokkaner  lauern entlang der Straße, um ein paar Centimes mit Windschutzscheibenputzen zu verdienen. Der Anblick altmodisch gekleideter Flics scheint allerdings ihren Eifer zu dämpfen. Dabei wirken diese mit ihren tonnenförmigen Schirmmützen und den mit weißen Streifen abgesetzten, nicht uncharmanten Uniformen geradezu fröhlich. Ihre weißen Stulpenhandschuhe blitzen im gleißenden Sommersonnenlicht.

Chiaras und Marcellos amüsierte Mienen verraten, dass sie an diesem Sommertagereignis ihren Spaß haben. Chiaras dunkle Augen wetteifern mit ihrem Muttermal am Kinn, das Gesicht zu interpunktieren.

Da ertönt der Startschuss zu einem Trip von Saint Malo über Rennes, Le Mans, Tours, Bourges, Lyon, Avignon bis nach Cassis, alles auf den hübschesten Nebenstraßen, welche die Nord-Südroute zu bieten hat.

Ich fasse mir ein Herz und frage die Tochter der Deneuve, wie ihr Papa denn privat so sei. Er sei doch als Schauspieler anders als als Mensch?

Marcello hebt seine Hände, die im Fahrtwind zu flattern scheinen, und grinst. Die Landschaft zieht nun als eine Art bunter Schliere an uns vorüber.

„Fragen Sie Papa oder Maman“, meint Chiara. Marcello dreht seinen Kopf zur Frucht seiner Lenden und blickt sie bewundernd an. Ansonsten beschränkt er sich optisch darauf, der italienische Prototyp von Mann zu sein, und ich wünsche, seine etwas rasselnde Stimme würde es mit dem Motorgeräusch meines Fahrzeugs über eine längere Wegstrecke aufnehmen. Er wie seine Tochter scheinen von dem Szenario der Oldtimer und ihrer Fahrer gefesselt.

Nach einer kurzweiligen Kilometerfresserei rollt der Konvoi verlangsamt kurz vor Le Mans an Bauschächten vorbei. Ich springe fast abrupt auf die Bremse meines ohnedies im Schritttempo fahrenden Oldtimercabriolets. Marcello und Chiara, die hinter mir im Fond sitzen, stützen sich an den Lehnen der Vordersitze ab und schauen so verdutzt, wie sie es nie in irgendeiner Filmrolle je getan hatten.

Neben uns klettert ein rothaariger Mann aus einem Schacht, der seine etwas zu langbeinig geratenen Bermuda-Shorts beinahe verliert. Die Taschen sind ausgebeult und sehen grad so aus, als habe der Mann ein Arsenal an Bleigewichten darin deponiert. Ich habe keine Lust, die Ansätze seiner Pobacken zu betrachten, von denen ich mir mit Schauder ausmale, dass noch knapp vor der Pofurche ein Büschlein roter Haare sprieße.

Chiara verdreht die Augen, lacht aber dann. Die Flügel der Nonnenhauben, welche aus den 2CVs vor uns ragen, wackeln kaum, während uns die völlig ungerührte Bulldogge in ihrer Isetta überholt, als ob sie noch nie an uns vorbeigezogen wäre. (Wo bitte ist dieses Tier abgefallen?) Der plattschnäuzig am Steuer klebende Hund würdigt den Bauarbeiter, der nun abseits der Straße hinter ein paar Bäumen verschwindet, keines Blickes.

Es geht weiter mit jenem sanften Gleiten, das vielen Reiseträumen zu eigen ist, aber ein wenig das Vibrieren rassiger Chassis vermissen lässt.

Das alte Le Mans, das kurz nach dem Zwischenfall auftaucht, entschädigt mich für die prosaische Rückenansicht.

Marcello bedeutet mir, er wolle in der milden Sommerwärme ein Stück neben dem Wagen herlaufen und sich dabei eine Zigarette anrauchen.

Die Reise setzt sich dennoch zügig fort, nachdem der Schauspieler ohne Mühe und sich mit seiner Tochter unterhaltend das Tempo Zigarettenlänge für Zigarettenlänge bewältigt. Tours, Bourges und Lyon sind passiert, ohne dass das kleine Rauchpäuschen des Italieners sonderlich Auswirkungen auf unser Fortkommen gehabt hätte.

Seit einiger Zeit begleitet uns ein fliederfarbenes Wolkengebilde auf unserer ruhigen Fahrt.

Obgleich die Landschaft zwischendurch außerordentlich lieblich ist und die Städtchen und Ortschaften echte Erlebnisse bieten, wünsche ich mir doch mehr Abwechslung. Die gesamte Strecke von tausend Kilometern ist zwar wie im Flug geschafft, doch an den Kontrollpunkten bin ich außer den Nonnen und der Bulldogge niemandem begegnet. Es gibt keine Überholduelle, kein großartiges Kurvendriften; die Dramaturgie meines Traumes schwächelt.

Doch da blitzt etwas Silbriges am Horizont auf.  Mit geradezu rasender Geschwindigkeit nähert sich uns auf der hügeligen Landstraße ein Aston Martin DB 5.

Im Rückspiegel sehe ich, wie der orange Konvoi nervös zu beben scheint, während vor mir die Isetta, dieses entzückende Stückchen BMW, das mich wieder einmal unbemerkt überholt zu haben scheint, durch die Luft fliegt, und ich bilde mir ein, dass abwechselnd links und rechts aus den Seitenfenstern Bulldoggenohren zucken.

Kaum bei mir angelangt, stellt sich der silberne Blitz auf der Straße quer. Eine erneute Vollbremsung ist angesagt, welche in traumhaftem Zeitraffer Marcello und Chiara gegen die vordere Sitzreihe wirft.

Doch es ist weder ein Hund noch eine Nonne (welche für einen derartigen Schlitten selbst in meinen skurrilsten Träumen völlig unpassend wären), auch kein smarter Engländer in grauem Spionsflanell, der sich so rasch wie möglich aus dem Wagen schraubt. Sondern der Bauarbeiter mit den blitzenden Pobacken.

„Leute, die Rallye ist zu Ende“, meint er schnaufend, und ich wundere mich, wie dieser doch etwas korpulente Mann in den Aston-Martin gelangen konnte.

Er steuert auf unseren Wagen zu, dessen Karosserielack stumpf wird, als weigere er sich, diesen unadäquaten Fahrer widerzuspiegeln. Auch meine Mitfahrer scheinen nicht angetan zu sein.

„Was heißt, die Rallye ist zu Ende“, erwidere ich.

„Die Bonnecar wird hier abgebrochen.“

„So ein Blödsinn. Das ist mein Traum.“

„Ihr Traum? Sie sind nicht befugt, einen Automobiltraum zu träumen.“

„Bin ich nicht?“

„Sie sind eine Frau, die sich mit Autos nicht auskennt, zwei-CVs mit Nonnen mit Flügelhauben besetzt und Isettas mit Bulldoggen.“

„Na und? In der Fantasie ist alles erlaubt.“ Ich drehe mich zu meinen Fahrgästen.

Marcello schweigt, doch Chiara mischt sich ein. „ Wir freuen uns, in so einem hübschen Wagen zu sein.“

„Abgesehen davon“, setze ich mit schneidend scharfer Stimme fort, „was haben Sie in dem geschmacklosen Aufzug im Aston-Martin zu suchen?“

„Das Gleiche, was Sie in dem Hybrid von Peugeot und Mercedes verloren haben.“

„Wie gesagt, ich setzte mich in die Karosse, die mir gefällt. Und wenn eine Mischung aus Peugeot und Mercedes besser aussieht als jedes dieser Vehikel für sich, dann ist das der Rallyeteilnehmer meiner Wahl.“

„Sie sind wohl blöd? Keine Ahnung von Autos, aber unmögliche Hirngespinste!“

„Ja genau. Als ob ihr Kerle keine bescheuerten Fantasien hättet.“

Der Mann steht jetzt ungemütlich nahe an meinem Seitenfenster. Ich wünsche mir, ich hätte die kleinen Zusatzgeräte, die die Bond-Fahrzeuge haben, um diesen Kerl wegzupusten.

„Frau und Automobiltraum geht gar nicht“, blafft der Mann.

„Geht doch, wie Sie sehen. Wieso Sie drin vorkommen, ist mir allerdings ein Rätsel.“

„Mir nicht. Klasseautos ohne Kerle gibt es nicht. Sie haben sich ja sogar einen Papagallo in den Fond gesetzt. Hätten Sie ihn wenigstens ans Steuer gelassen.“

Der Mann deutet anklagend auf Marcello.

„Sonst noch was.“ Ich schüttele mich. Herrn Mastroianni selbst im Traum als Papagallo zu bezeichnen, ist nicht nett. Der Prolo hat wirklich keinen Stil.

„Ich wette, Sie würden sich eine Blondine in Ihren Aston setzen, wenn Sie könnten. Aber nochmal. Das ist mein Traum.“

Der Bauarbeiter, oder wer immer er auch sein mochte, zuckt mit den Schultern und guckt mich schief an.

„Wenn das Ihr Traum sein sollte, warum zum Teufel komme ich drin vor?“

„Eingeschlichen?“, vermute ich.

„Nö. Vielleicht Männerquote.“

Es ist nach längerem das erste Mal, dass der Traum mir wieder gefällt. Vielleicht, weil in einer klassischen Männerdomäne endlich ein Quotenmann vorkommt. Ich beschließe, diesen Typen in meinem Traumgespinst zu belassen.

Als ich in Cassis einfahre, mich nicht darum scherend, ob ich nun Erste, Platzierte oder Letzte bin, steht mein Quotenkerl mit dem eigentlich tadellos konservativen Autogeschmack an der Straße und winkt mir freundlich zu.

Seine Shorts hat er auch hochgegürtet.

Antonia H.

www.verdichtet.at | Kategorie: fantastiques | Inventarnummer: 25224

 




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Maschinenliebe

„Ich bin Ruth.
Ich liebe einen Humanoiden.“

Das geht ja noch.
Aber was ist, wenn der Humanoide Ruth liebt?

Die männliche Schaufensterpuppe mit Badehandtuch am 21. Februar 2024

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Johannes Tosin (Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 25173