Prolog

Habe nun, ach!
Leidender! Du musst es leidender sagen!
Habe nun aaach!
Noch mehr Ausdruck! Dein Gesicht!
Lass die Augen hervortreten!
So! Ja! Schmerzvoller Mund! Gut!
Okay, so ungefähr.
Also: Habe nun aaach! Deutsche Philologie,
Musik und auch Geschichte
leider studiert, mit Weh und Ach.
Da sitz ich nun, ich armer Greis,
der leider nicht mehr weiterweiß.
Nenn mich Magister, Doktor gar,
bin mehr als einundsiebzig Jahr
und quäl mich jahrelang vergebens
mit der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Tag aus, Tag ein bemüh ich mich,
Migranten Deutsch zu lehren,
obwohl sich manche Teilnehmer
wohl die Bohne darum scheren.
Ich sehe ein, man kann nicht alles wissen,
und sich in allerlei verrennen,
wenn Träume in den Himmel schießen.
Ich will mir nicht den Mund verbrennen.
Das Mindeste soll jeder können müssen.
Ich bin nicht klüger als die and’ren,
versuch, im Sattel mich zu halten, so gut es geht.
Ich fürchte Krankheit, Krieg und Dummheit,
darüber ist mir alle Freud vergangen.
Bilde mir ein, ich wüsst’ drum heut,
wie’s gehen könnt, für mich allein, ganz unbefangen.
Es liegt mir fern, wen zu belehren,
ich will auch niemanden bekehren.
Noch eines sag ich, jetzt und hier,
bei mir war Geld nie in Quartier.
Wohl keiner möcht wie ich so leben,
drum hab ich mich dem Wort ergeben,
ob es mir nicht durch seine Kraft
so manche Linderung verschafft,
auf meiner Suche nach dem Sinn,
wie auch dessen, wer ich bin.
Durch die Gewalt gezielter Worte,
in den reinen Reim gepresst,
erhoff ich mir der Wahrheit Pforte.
Als Zugang, mehr, als dass mich Prosa fühlen lässt.
Auf diese Weise seh ich klar,
was auf dieser Welt scheint’s wahr.
Ich merke, manchmal deprimiert,
es punktgenau und komprimiert.
Verzichte auf in Prosa schweifen,
mit vielen Worten nach den Sternen greifen.
Ach, leuchte, teurer Sonnenschein,
in meine dunkle Seel’ hinein,
und dieses auch in finst’rer Nacht,
die ich am Laptop zugebracht!
Über den Texten endlos brütend,
wahrheitssuchend, müd und wütend.
Das viele Sitzen nährt die Gicht,
viel Lesen trübt das Augenlicht.
Der Geist gerät leicht in Bedrängnis
im körpereigenen Gefängnis.
Kein Lichtstrahl dringt durch diese Wohnung,
ich schreibe weiter, ohne Schonung.
Der Bücher Staub verrät mir nur
die Zeit meiner Registratur.
Warum, horch tief in mich hinein,
kann ich nicht so wie and’re sein?
Die Bier trinken und Fußball schau’n,
und blöde Witze machen über Frau’n?
Wie lang schon sitz ich hier herin’,
und suche nach des Lebens Sinn?
Drum end ich hier und höre auf,
und pfeife auf der Sterne Lauf.
Jag nicht mehr nach dem Sinn vom Leben,
es muss auch noch was and’res geben.

Copyright: Norbert Johannes Prenner
Copyright: Norbert Johannes Prenner

Norbert Johannes Prenner (Text und Grafik)

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 25199