Kenntnisse einer Ehebrecherin Teil 6

„Mein Freund, der Kellner und ich“ schlug ein wie eine Bombe. Die Producer waren überwältigt, hingerissen, fast demütig in ihrer Begeisterung für mein Drehbuch. Keine Frage, in Kürze würden die Dreharbeiten beginnen, mein Honorar war fürstlich.
Gemunkel in Insiderkreisen zufolge wollte sich das Filmstudio diesmal mindestens einen „richtigen“ Star leisten, dem Casting sollte ich unbedingt persönlich beiwohnen. Es ging alles Richtung höchster Professionalisierung, High-Quality-Performance, und natürlich war „es“ noch immer im Mittelpunkt, das schöne Thema Sex in möglichst vielen Variationen.

Ich flog also nach Reykjavík, keine Ahnung, warum gerade diese Skandinavier so viel Wert auf qualitativ hochwertig gemachte Pornos legten, jedenfalls fand sich dort immer ein offenes Ohr und eine offene Tür für besondere Projekte wie dieses.

Die Geschichte war ein Verwirrspiel um männliche Zwillinge, das liest sich jetzt, wo ich es zu beschreiben versuche, etwas banal, aber es waren viele Spannungsmomente enthalten. Die Protagonistin kommt ewig nicht darauf, dass sie von zwei verschiedenen Personen beglückt wird, nur anhand der leicht differierenden Vorlieben und Sexpraktiken findet sie schließlich die „grausame“ Wahrheit heraus, nämlich dass sie ihr Freund und sein (klarerweise eineiiger – dies aber nicht im doppelten bzw. halben Wortsinn zu sehen…) Zwillingsbruder zur Närrin gehalten haben, wie sie es auch schon mit mehreren Frauen zuvor gemacht hatten. Sie sinnt auf Rache, und so startet der zweite Teil der erotikgetränkten Story.

Aber genug davon, darum geht es hier (noch) nicht, zumindest nicht im Detail. Es war mir schleierhaft, warum ich mir diesmal unbedingt die Schauspieler beziehungsweise angehenden Pornodarsteller beim Casting ansehen sollte, denn normalerweise kam vor dem Verfassen des Drehbuchs ein Besuch des Settings, da die Story glaubhaft wirken sollte. Mit der Auswahl der Darsteller hatte ich bisher noch nie zu tun gehabt. Irgendwie machte mich das auch ein wenig verlegen. Wie konnte man jemandem, der „es“ später tatsächlich vor der Kamera tun sollte, bei einem Bewerbungsgespräch ansehen, ob er „es“ auch gut draufhatte? Tja, wir würden sehen.

Mein Freund sah der Sache auch mit gemischten Gefühlen entgegen, einerseits freute er sich für mich, dass das Drehbuch so außerordentlich gut angekommen war, mein Zusammentreffen mit männlichen Hormonbomben en masse war ihm aber irgendwie suspekt. Er hätte mich sogar gerne nach Island begleitet, aber das fand ich dann doch etwas lächerlich, wenn er mit dort aufkreuzen sollte. Das war meine Arbeit, das gehörte diesmal eben dazu, und dieser Aufenthalt fand ohne ihn statt. Zudem war auch er gerade geschäftlich unterwegs, weshalb ein angedachter anschließender Islandurlaub auch terminlich schwierig geworden wäre. Punktum, ich flog alleine.

Vom Flughafen Keflavík wurde ich abgeholt und ins hochpreisige Hotel gebracht. Dort sollten auch die Bewerbungsgespräche stattfinden, in einem extra für das gesamte Filmteam gebuchten Flügel des Hotels, der, wie man mir unverzüglich mitteilte, normalerweise Konferenzen vorbehalten blieb. In diesem „besonderen Fall“ wolle man aber sehr gerne eine Ausnahme machen, meinte der etwas zu joviale Hotelmanager, der extra geholt worden war, mit einem schiefen Lächeln und mich abschätzendem Blick.
Da erst dämmerte es mir, dass er in die Besonderheiten dieses Castings eingeweiht worden war. Das musste vermutlich sein, denn andere Hotelgäste sollten ja nichts mitbekommen und keinesfalls gestört werden. Weiters vermutete ich stark, dass er mich für eine der sich bewerbenden Darstellerinnen hielt, und da wurde mir seine ans Gönnerhafte grenzende Vertraulichkeit plötzlich unangenehm.

Ich stellte also klar, dass ich der Filmcrew angehörte und nun auf mein Zimmer gebracht werden wollte, in meinem hochnäsigsten Englisch, das ich ab diesem Moment für den Rest des Aufenthalts extra für ihn bereithielt.
Er war kurz sprachlos, erfing sich aber rasch wieder, bedeutete einem Angestellten, meine beiden Koffer zu übernehmen, und wies mir den Weg zum Lift.
Oben angekommen, war ich verblüfft über die Üppigkeit der Einrichtung meiner Räumlichkeiten, Prunk war gar kein Ausdruck dafür. Dies war mit Abstand das feinste, aber gleichzeitig auch überladenste aller Zimmer, die ich jemals bewohnt hatte.
Nach einer kurzen Rast läutete mein Smartphone und Laura, die Assistentin des Producers, wollte wissen, ob ich gut angekommen sei, und versicherte sich, dass der heutige Abendtermin auch bei mir in Ordnung ging. Dann sagte sie noch, es hätten sich in den Vorrunden schon einige Bewerber hervorgetan, aber die Endauswahl sollte am besten recht rasch vonstattengehen, am liebsten sei ihnen eine Entscheidung noch heute.

Das sah ich auch so, je früher, desto besser. Außerdem war noch Zeit für ein kleines Nickerchen, es könnte ein langer Abend werden, wenn auch die Entscheidung über die gesamte Besetzung gleich gefällt werden sollte. Reykjavík wollte ich mir dann morgen ansehen, nach (zumindest teilweise) getaner Arbeit.

Gut, dass ich geruht hatte, denn kaum hatte mein Wecker geläutet, ging es Schlag auf Schlag: der nächste Anruf, es sei ein gemeinsamer Imbiss für die Mitarbeiter vorbereitet, in dem Raum, in dem kurz darauf auch das Casting stattfinden würde.
Das Buffet war großzügig, der Raum hell und stilvoll eingerichtet, wir begrüßten uns freundlich, die meisten hier kannte ich. Das Kamerateam bestand aus zwei Personen, dann die Beleuchter, die Assistenten, wir waren ein Grüppchen von ungefähr zehn bis zwölf Personen, und auch die Assistentin des Producers kam nun dazu, der Chef selbst wollte sich erst nach dem Casting blicken lassen. Laura war seine rechte Hand, und er vertraute ihr vollkommen. Sie hatte schon in unzähligen Filmen den Blick aufs Ganze bewiesen, und er war mit ihrem Gespür bisher glänzend gefahren. Sie begrüßte mich als Erste und meinte, allen nochmals erklären zu müssen, wer ich war, obwohl nur zwei Personen neu im Team waren. Ich fühlte mich geehrt, das gebe ich zu.
Nach dem Imbiss und ein bisschen Smalltalk begaben wir uns zu unseren Sitzplätzen und erwarteten die ersten Bewerber.
Die Männer sollten zuerst an die Reihe kommen; sie mussten außer einem attraktiven Äußeren und den unabdingbaren anatomischen Voraussetzungen auch schauspielerische Qualitäten zeigen können, denn besonders die Doppelrolle des Freundes/Kellners wollte differenziert dargestellt sein. Alle waren daher gebeten worden, zwei oder drei kleine Filmausschnitte mitzubringen, mit denen sie Einblick in ihre bisherigen Arbeiten geben konnten.

Es erschien ein Hüne, ein sehr großer Mann mit einnehmendem Äußeren, er trug ein Muskelshirt, sicherlich sollte man gleich sehen, was er zu bieten hatte. Vielleicht sogar ein bisschen viel für den Protagonisten, der ja eigentlich ein „normaler“ Mann sein sollte und kein Chippendale-Typ, zumindest hatte ich dieses Bild beim Schreiben der Geschichte in meinem Kopf gehabt.
Er stellte sich vor, Laura schien sehr eingenommen von seiner Sprechweise, er hatte einen leichten Akzent, aber das stellte an sich kein Auswahlkriterium dar. Es war schon öfter der Fall gewesen, dass unsere Darsteller synchronisiert wurden, sogar in ihrer Muttersprache, das war kein Problem und hob meist die Tonqualität. Wie mir früher bereits gesagt worden war, wurde ohnehin alles, wirklich jede Szene, im Studio nachbearbeitet, jedes Seufzen, jedes Stöhnen, nichts blieb, wie es „in Action“ tatsächlich gewesen war.

Aber zurück zu unserem ersten Kandidaten, er wurde nach Filmausschnitten gefragt, er reichte den Stick hinüber, der Beamer wurde angeworfen, und auf dem Riesenbildschirm, wie er wohl ansonsten für Konferenzschaltungen gebraucht wurde, erschien der Mann in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit, vollkommen nackt und bereits erregt, wie unschwer zu erkennen war. Er näherte sich einer erwartungsvollen Blondine von hinten, sie hatte ihm ihr Hinterteil einladend entgegengereckt, und er ging gleich zur Sache.
Wir vom Filmteam sahen uns kurz gegenseitig an, es war eine absurde Situation. Doch was hatte ich erwartet? Wir saßen da im Halbrund vor ihm, er stand in der Mitte und blickte wie wir auch – er sichtlich stolz – auf den Bildschirm. Einige Minuten und zwei blonde Orgasmen später endete der Film, der uns alle ganz schön ins Schwitzen oder zumindest zum Erröten gebracht hatte.

Er grinste uns breit an und sagte nichts. Es war an Laura, das Wort zu ergreifen:
„Ähm, well, dear, sehr schön. Danke. Haben Sie noch weitere Filme, andere Ausschnitte vielleicht?“
Er nickte begeistert: „Ja, von vorne noch und Oralsex beidseitig und dann noch ein wenig…“
Laura unterbrach ihn: „Ich meinte ja eher eine Rolle, wo Sie sprechen, etwas schauspielern, damit wir eine Vorstellung haben…“
Er schien verwirrt: „Ich habe noch nie viel geredet in Pornos. War irgendwie keine Zeit dafür.“
Ich musste innerlich lachen, der Mann hatte Humor. Staubtrocken, aber das gefiel mir.
Auch Laura schien sich ein Lächeln kaum verkneifen zu können. „Nun ja, dieser Film ist anders. Wir legen Wert auf die Interaktion der Charaktere, es ist recht anspruchsvoll. Sie müssten zwei verschiedene Männer darstellen, und man sollte beim Sex erkennen, dass es zwei unterschiedliche Liebhaber sind. Trauen Sie sich das zu?“
Er nickte eifrig: „Ja, das kann ich sicher. Ich kann alles machen, was Sie mir sagen, glauben Sie mir.“ Dabei wirkte er so aufrichtig bemüht, dass den weiblichen Anwesenden, die sich gerade erst wieder gefasst hatten, gleich wieder heiß wurde, einschließlich mir. Dann folgte noch eine Auflistung der Filme, in denen er Haupt- oder Nebenrollen gespielt hatte, es waren etliche mit für Brancheninsider sehr klingenden Titeln dabei.
Dem war kaum etwas hinzuzufügen, und so wurde er gebeten, im Nebenraum Platz zu nehmen, dort waren Getränke und Häppchen vorbereitet, er sollte dort warten, bis die beiden Mitbewerber fertig waren.

Der zweite Bewerber war ein gutaussehender Mittdreißiger, ein richtiger Schauspieler mit abgeschlossenem Studium, allerdings doch in letzter Zeit etwas erfolglos, was das Finanzielle anging, und außerdem, wie er uns gleich zu Beginn des Gesprächs mitteilte, hatte ihn seine Freundin wegen eines reichen Knackers verlassen, und nun war ihm „alles egal“. Er hatte sich entschlossen, es jetzt mit Pornos zu versuchen, das stellte er sich „super“ vor, Geld zu bekommen für etwas, was er „sonst sowieso auch machen würde“, wie er das ausdrückte. Zudem könnte sogar seine Ex dann sehen, was ihr entgehen würde, so einen wie ihn bekäme sie nicht mehr, er sei nämlich „eine Granate im Bett“. Dann zwinkerte er noch Laura und mir zu, oje. Der Filmausschnitt, den er mitgebracht hatte, war eher unaufregend, es war ein Mitschnitt von einer Theateraufführung, wo er unter anderem auf einer kleinen, schwach beleuchteten Bühne nackt tanzte, nachdem er zuvor einen philosophischen Monolog über die Vergänglichkeit ausgebreitet hatte.
Laura bat ihn, ebenfalls nebenan Platz zu nehmen, und weiters per Telefon darum, den nächsten Kandidaten erst in ein paar Minuten hereinzuschicken.

Nun wieder unter uns meinte sie zu den anderen: „Ihr wart bei der Vorauswahl dabei. Das hier sind die besten drei. Seid ihr euch sicher??? Ich weiß nicht recht, das ist doch ein Scherz, oder nicht? Der Erste, ja, eventuell, der hat auch eine Menge Erfahrung, aber wie ist denn der Zweite da hereingerutscht? Wisst ihr etwas, was ich nicht checke?“

Ich war froh, dass sie gefragt hatte, mir waren dieselben Fragen auf der Zunge gelegen. Die Antwort kam aus einer unerwarteten Ecke, von einem Kameramann nämlich, der meinte:
„Der ist auf ausdrücklichen Wunsch der Frau unseres Producers in der Endrunde dabei. Sie ist ein Riesenfan, seit sie ihn im Theater gesehen hat. Sie hat gemeint, wenn wir was Anspruchsvolleres drehen wollen, mit richtigen Charakteren statt Sexmaschinen, ist er unser Mann.“
Laura seufzte. Solche Einmischungen liebte sie gar nicht. Allerdings gab ihr das eben Gehörte schon zu denken. Wenn selbst die Frau des Chefs, die als sehr speziell und kritisch galt, ihn für begabt hielt, war es wohl besser, ihn nicht gleich abzuschreiben. Irgendwie kam mir sein Name jetzt auch bekannt vor, oder aber ich täuschte mich.

Nun, der Dritte im Bunde wurde hereingebeten, er war eine Überraschung, da eher kleingewachsen, etwas älter, mit beginnender Lichtung am Haupt und sehr angenehmer, sonorer Stimme.
Er hatte die meiste Erfahrung von allen, er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Selbst ich hatte seinen Namen schon gehört. Er wurde von allen nur der „Master of Wide Shot“ genannt, und es gab eine Menge Klamauk-Sex-Filmchen, wo er von Weitem sein Glück bei der Holden versuchen durfte, das war zwar spaßig anzusehen, aber wohl nicht ganz das, wonach wir suchten. Er untermalte seinen sagenhaften Ruf gleich mit einem Filmausschnitt aus dem bekanntesten Werk: „Kein Weg ist zu weit – mach die Beine breit“ lautete die nicht besonders gelungene Übersetzung ins Deutsche. Er hatte durchaus seine Erfolge, aber seine besondere Gabe würde bei diesem Film wohl nicht so zur Geltung kommen können. Anderes Material hatte er jedenfalls nicht dabei.

Laura bat ihn ebenfalls nach nebenan und wandte sich dann an uns: „Also das war doch jetzt ein amüsanter Abschluss dieser Runde. Dem Scherzbold, der sich das ausgedacht hat, schulden wir was. Aber im Ernst, ob der noch etwas anderes draufhat, hat sich mir nicht erschlossen. Vielleicht ist er ja so auch ganz geeignet, und er wird immer nur auf das Eine reduziert?“ Sie sah uns fragend an, gar nicht so ihre Art. Sie schien verunsichert zu sein.

Es folgte eine intensive Besprechung, aus der wir tatsächlich sehr unschlüssig hervorgingen. Wer würde das Rennen machen? Ich war selbst gespannt. Der zweite Bewerber entsprach am ehesten dem Bild, das ich mir gemacht hatte, aber warum nicht einen älteren Mann nehmen? Der letzte Kandidat war sehr bekannt, aber eben nur für seine hervorstechendste Fähigkeit. Und der erste hatte viel Erfahrung, war aber eigentlich ein bisschen zu sehr „das Klischee“ von einem Pornodarsteller für diesen einen Film. Andererseits würde es besonders vielseitig zur Sache gehen, was das Ganze nicht einfacher machte…
Wer wäre Ihre Wahl gewesen?

Wie wir uns schlussendlich entschieden haben? Das verrate ich nicht, ich bin ja keine Spielverderberin. Schauen Sie sich doch einfach den Film an, dann werden Sie es gleich wissen.

Tina Fanta

www.verdichtet.at | Kategorie: ü18 | Inventarnummer: 16028