Der Stellvertreter

Ich bin da. Ihr Körper drängt sich mir mit unbekannter Lust entgegen, mit neuer wütender Begierde. Und ich nehme sie, obwohl sie nicht mich meint. Sie nimmt, was da ist. Ich bin da.
Ja, ich hätte reagieren können, doch es kam so überraschend. Ich sah, wie sich ihre Blicke trafen, wie den beiden ohne Vorwarnung die Konventionen aus den Gesichtern fielen. Kräftig schütteln hätte ich sie sollen. Er ist viel jünger als ich und hat sie in Besitz genommen, schnell und unhaltbar. Und ich musste zusehen, wie sie nach Luft schnappte, der Hals wurde ihr eng, die Lippen schwollen ein wenig an und öffneten sich leicht. Ihr Magen hob sich, Implosionen im Bauch und zwischen den Beinen. Sie war so überrascht, dass sie gar nicht erst versuchte, ihre Emotionen zu verbergen.
Und sie weiß nicht, dass ich es weiß.

Sprachlosigkeit zu Hause. Flatternde Unkonzentriertheit. Die Gefühle verweisen ihren Kopf in seine Grenzen und manifestieren sich in ungestümer Körperlichkeit. Ständige nasse Bereitschaft. Obwohl ich nicht gemeint bin, bin ich da. Im Stand-by-Modus. Es fühlt sich nicht falsch an, aber auch nicht mehr richtig!

Wir umarmen uns und ich will mit meiner Zunge die ihre finden. Das ist für sie auf einmal zu intim. Sie lässt es nicht zu, weicht aus auf meinen Hals. Zunge an Zunge ist man nur mit einem Menschen. Mit dem einen Menschen. Ich gebe nicht klein bei!
Sie hält die Augen geschlossen, hat eigene Bilder, die sie durch mich nicht irritiert wissen will.
Wenn sie dann zwischen meine Beine und mit Hingabe und ihrem weichen Mund über mich kommt, dann ist die Gewissheit beinahe unerträglich, dass es dieser junge Kerl ist, der sie so erregt.

NICHT – UND – NICHT – SATT – ZU – KRIE – GEN.
Ich vögle sie mit Kampfgeist!
ZUM – STELL – VER – TRE – TER – DE – GRA – DIERT.
Bis zur Erlösung, die keine sein kann. Nach den postkoitalen verbalen Standards dreht sie sich weg und weint leise ihre verdammten Sehnsuchtstränen. Und ich – unbemerkt – die meinen, über diesen jämmerlichen Verlust der bequemen Ausschließlichkeit.

Ich bin da, und es fühlt sich nicht falsch an. Aber auch nicht mehr richtig.

Benno Bauer

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