Der Verbalist

Was ist, fragt ihr, ein Verbalist? Bedaure, dass für derart’ge Debatten kein Vorschlag einzubringen ist. Doch längst ist so den Herrn, wohl auch den Damen, aufgefallen, als wär er tot und sein Verschwinden leis‘ verschwiegen. Sein‘ Aufgab‘ war, uns stets zu unterhalten. Doch galt er nicht in aller Munde gleich. Dem einen war er Schalk und Narr, dem andren Anarchist. So war er allen das, was sie aus ihm gemacht. War einmal dies und einmal das. Ganz je nachdem, wie es die Zeit verlangt. Was liegt daran, wer spricht? Ist nicht die Stille mehr dem Lärm der Worte vorzuziehen?

Doch noch einmal zurück zur Frage, was er denn sei, der Verbalist? Vielleicht ein Schöpfer? Urheber sprachlicher Gebilde? Veranlasser geistiger, sprachlich‘ oder bildlich‘ Werke? So hört denn selbst, was uns so einer zu erzählen hat:

Beinah ein halbes Leben habe ich verschwendet, um zu berichten. Habe das Publikum verätzt. Mir manches damit auch verbaut. Doch stets darauf bedacht, mir Ungereimtes zu verbeten. War da und dort die Wahrheit selbst verbogen. Vielleicht verdichtet? Ich wär verbohrt, warf man mir vor. Was ich verbrach, sei niemals wieder gutzumachen. Den Rest des Lebens sollt‘ ich nun mit Stillesein verbüßen. Verdacht, sagen die, bestünde, ich hätte sie verladen. Bin nun verdammt, das Maul zu halten. Und was ich schrieb, wär schwer verdaulich. Jetzt steh ich da, verdutzt. Versteht: All das tat ich bloß aus Verehrung um Veredelung der Worte. Doch eines tat ich nie, die Zeit verdösen. Schrieb niemals unverdrossen in den Tag hinein. Gar zum Verdruss für andere? Hab niemals je verdünnt. Schon eher dicke aufgetragen, wenn Fakten oft nicht immer das gehalten, was sie zu allererst versprachen. Doch mit der Zeit verebben alle Worte. Hab unverblümt gesagt, was ich mir denke. Nur um der Wahrheit Willen Getratsche zu verbreiten?
Ich tat’s, das Wort galt’s zu verehren. Mal zu entzwei’n, mal zu vereinen. Mein Umfeld wollte ich vereisen, manch einen gern verekeln, wenn es danach schrie. Dann schließlich, wenn leise sich der Horizont verengte – mein Geist verfällt – hab ich nichts weiter zu vererben. Wollte die Welt zum Kritischen verfärben. Verzeiht, wenn das, was ich verfasst‘, nicht gleich in eure Lade passt. Und manch Histörchen war wohl bass verfault. Verflixt, nie wollt‘ ich mich mit euch verfemen. Verzeiht mein unwürdig‘ Vergehen.
Die Zeit verfloss, derweil ich schrieb. Mich nun zu loben oder zu verdammen, scheint noch verfrüht. Gebt eine letzte Chance. Doch wenn ich euch verletzt‘, jetzt könnt ihr über mich verfügen. Mir auch vergeben oder mich vergessen, denn das Papier, auf dem ich schrieb, schon ist’s vergilbt. Der Geist vergisst leicht mit der Zeit, was er erfuhr. Und dennoch bin ich stets vergnügt. Nichts könnt‘ man Schön’res mir vergüten, als um den Augenblick des Schreibens. Und nichts von alledem war mir verhasster, mehr, als dumpfes Brüten.
Ich hätte mich verhauen können. Verheult hätt‘ ich den längst verlor’nen Tag. Verhext! Nun will man mich verhören, was ich dazu zu sagen hätte. Verhüten hätt ich sollen. Einer wie ich würd‘ alles nur verhuren. Tät‘ sich in Wortlaut-Labyrinthen stets verirren. Man könnte mich, wenn man das wollt‘, verjagen. Einer wie ich würd‘ ohnehin die Ehr‘ verjuxen. Dann auch noch jammern, weil man ihn verkannt‘! So weit soll’s auch noch kommen! Ist diese Welt denn nicht verkehrt?
Was kann denn ich dafür, dass sie mich jetzt verlässt? Verlaust, verlebt, verklebt. Ein Wortverdreher. Na und? Was wurde schon verlegt? Das Bisschen? Nein, nein, man hat sich nicht verlesen. Zuwenig war’s verlinkt. Und alles wär‘ verlogen. Doch noch ist nichts verloren. Wolltet ihr schon mein Seel‘ verlosen? Vermeint ihr, dass ihr’s könnt? Und mir den Lebensabend trüben? Ohn‘ jegliche Vernunft. Ihr habt vermutet, dass ich den Anschluss hätt‘ verpasst? Von wegen! Doch was ich tat, war höchst verpönt. Ich geb es zu. Kritik zu üben! Wer meint er, dass er sei?, sagt ihr. Nun, einerlei, der Vorschuss ist verprasst. Da kann man halt nix machen. Ich hätte mich verrannt, sag’n die! Herkunft und Vaterland verraten. Dass ich nicht lach!

Meine verruchten Schriften soll’n verrohen? Ich hör euch schon von Weitem drohen. Jetzt wäre ich verrufen. Nun gut. Ich schreib nicht mehr. Beschloss’ne Sache. Tasten, die verrußen. Ideen versagen. Hilferuf versandt. Den Rest des Lebens nicht versauern. Ihr werdet’s schon bedauern. Ist kein Verschiss, auf meine Ehr! Ihr dachtet erst, er wäre recht versiert im Schreiben? Macht selbst ein Bild. Bloß Neider nennen mich versifft. Und andere sagen, er ist total versnobt. Kein‘ Red‘ auch von Verstand.

So bleib ich im Versteck. Ich schließe das Verdeck. Werd‘ mir das Leben schon versüßen. Wenn mir was einfiel, so ließ ich’s nicht vertagen. Ideen sofort auf dem Papier vertäut und rasch für mich in Wort und Laut vertont. Wer kann’s einem verübeln? Natürlich kam es vor, dass mancher auch verulkt sein muss, weil er so blöd war. Das soll beileib‘ kein Vorwurf sein. Ist jeder nur so wie er ist. Verwandte blieben da nicht ausgenommen. Und innig tat verwegen ich Zug um Zug mein Spinnennetz verweben. Gedanken kommen und verwehen. Zurück bleibt oft das Auge nur, verweint. Der Schreiber wird verwesen, und sein Schreibtisch? Der verwaist. Verzicht‘ die Welt auf mich! Ich bin verzogen. Sie ist mir zu verzopft. Ich will sie ganz verachten. Verändern kann ich’s nimmermehr.
Schluss ist’s schließ- und endlich mit Veräppeln und der Verarschung sei’s genug. Kein Wort mehr von verbrannter Erde. Mag niemand‘ mehr verbellen. Der Hund bleibt stumm. Ich werd‘ mich vor den Lesern tief verbeugen. Habt Dank, dass ihr so brav mir zugehört. War auch nicht alles klug, was ich gesagt, hab nicht gedacht, und nur mein Herz gefragt. Was soll’s. Mein Image ist verbeult. Wer will mich denn dafür verbimsen? Mich gar verbläuen, weil so verbissen ich dran schuf? Mein Geist ist hell, ich wollte nicht verblöden. Hat oft verblüfft. Und ist bereits verblüht, mein Schwung.
Hab’s selber mir verbockt und mir den Mund verbrannt, die Zung‘ verbrüht. Und ich gesteh, in meinem Wahn hab alles ich verbraten, was mir wert. Kaum kam ein Lob. Viel Arbeit, wenig Brot. Wie sollt‘ man selbes auch verbuchen? Verdamm mich, wenn meine Gabe doch nicht bloß genetisch wär. Vererbung, ja, natürlich. Ein jeder hat verdient, was er bekommt. Womit sollt‘ ich mir sonst die Stund‘ verdingen? Zu sonst nichts Lust, als wär mir alles schon verdorben. Die Hand, die stetig schrieb, verdorrt. Den hingeworf’nen Brocken schwer verdaut. Das Unheil um den hoffnungsvollen Satz beinah vereitelt. Na und?
Wo find’st du den Verfasser? Ist er zu Haus? I wo! Im Internet. Na klar! Denn dort ist alles nachzulesen, was du anderswo nit find‘st. Verewigt. Für die Ewigkeit. Das hätt’ste nicht vermutet, was? Doch immer schon, die Zeit heilt alle Wunden. Der Schreiber ist schon längst verfault. Verziehen das verfehlte Wort. Verfeuert in die Menge und verheizt. Verjubelt. Verflucht! Jetzt sag bloß ohne Honorar! Ganz unverfroren. Die Chance, Millionär zu werden, ist vergeigt. Ist and’ren Schreibern vorbehalten, gar jenen, die die Welt vermessen. Ich möchte sie vergiften! Besser wär’s, sie gleich vergessen. Nicht sinnlos Energie vergeuden. Auch geniale Hirne werden irgendwann vergipsen. Und der Pokal in dem Regal, der wird verrosten, wenn Lobeshymnen längst verhallen. Der Glanz verhuscht. Trotz alledem. All jenen will ich ihren Ruhm vergönnen, wenn sie ihn hart verdient‘. Wir soll’n nicht die Ehr‘ verhunzen. Ach, könnt ich mich verjüngen! Und mit Vokabeln mich verkabeln. Stattdessen bin ich schon verkalkt. Genie verkapptes! Und die Ernücht’rung macht verkatert.
Ein Typ, wie ich, gänzlich verkokst. Verkünder krauser Theorien. Und selbstverliebt, das ja, und nicht zu wenig. Zu schwach verlinkt. Bekanntheitsgrad verlischt. Bleib ohnedies nur der Verlierer, trotz der Verlockung, die so groß. Vermarktung ausgeblieben. Was blieb, ist lediglich verludern und verlumpen. Vermessen wär’s, sich forthin zu vernetzen. Ganz schlecht verpackt. Die Zeit verpennt. Man sollte sich verpissen. Der frühe Lorbeer ist verprasst. Und ums Verrecken niemals wieder zu erringen. Die Zukunft scheint verregnet und versalzen. Verspür schon den Verstand versanden. Die elektronisch‘ Feder rasch verstauen. Sie rasch verstecken. Und selbst? Verstört, verwirrt, verstockt, versunken. Verbittert. Zurück bleibt, leicht verblasst, verblichen und verdummt, ein Schreiber.

Norbert Johannes Prenner

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