Die Reise in die Zukunft

Ich buchte eine Reise in die Zukunft, nicht allzu weit, nur vier Jahre und siebzehn Tage. Eine Reise in die Zukunft verbraucht viel mehr Energie als eine in die Vergangenheit. Das Ziel dieser Reise war es, reich zu werden. Nachdem ich diese Reise gezahlt hatte, blieb mir nicht mehr viel übrig. Es musste also funktionieren.

Nachdem ich in der Zukunft angelangt war, auf demselben Platz wie hier, machte ich mich gleich ans Werk. Ich startete ein Terminal und schrieb die Kurse wichtiger Firmen, aber vieler, auf drei A4-Blätter Papier. Was ich wollte, war klar, spekulieren mit möglichst viel Gewinn.

Gleich danach reiste ich zurück. Doch ich wusste überhaupt nichts mehr. Zum Glück hatte ich die drei A4-Papiere. Ich zog sie aus meiner Jackentasche. Sie waren leer. Es gab auch keine Eindrücke.

Was war geschehen? Etwas Einfaches, das ich nur nicht beachtet hatte. Was sich vier Jahre und siebzehn Tage in der Zukunft ereignen würde, ereignete sich eben erst dann. Bislang war nichts passiert.

Hare Krishna in Ljubljana am 25. September 2023, Nahaufnahme

Hare Krishna in Ljubljana am 25. September 2023, Nahaufnahme

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 24018




Werte Frau Merkel

Am 28. November 2021 in Berlin.

„Was werden Sie nach dem Großen Zapfenstreich machen?“, fragt sie der Interviewer. „Och, ein bisschen lesen“, sagt sie, „und ein wenig langlaufen und mit meinem Gatten Wagner hören, auf YouTube.“ „Na gut“, sagt der Interviewer, „dann wünsche ich Ihnen einen schönen Ruhestand, werte Frau Merkel.“

Angela Merkel als Keks

Angela Merkel als Keks

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 24002




Zweitausend Ersatzteile

„Du hast zweitausend Ersatzteile für ihn zur Verfügung. Das ist viel, aber sollten die nicht reichen, bleibt er unvollständig, falls du ihn gänzlich neu aufbauen musst.“

„Aber er ist ein Mensch.“

„Das ist kein Problem. Du kannst mechanische und elektronische Teile haben oder organische. Wir machen in der Bautechnik keinen Unterschied zwischen Arbeitern und Humanen.“

„Das sollte man aber, nicht? Der Mensch hat zumindest eine Seele.“

„Für die Seele gibt es keine Ersatzteile. Es ist auch nicht bewiesen, dass Menschen über eine verfügen. Wir richten uns immer nach dem Stand der Technik.“

„Der Mensch kann sich nicht gegenüber dem Roboter auszeichnen?“

„Das sage ich nicht. Vielleicht kann er das. Nur bringt es ihm keine Vorteile, wenn er gottgläubig ist. Es macht ihn langsamer und einfältiger.“

„Soll das die Welt sein, wie wir sie immer wollten?“

„Man kann nicht alle Erwartungen erfüllen, aber diese Welt ist die beste, die wir bewerkstelligen können.“

Die silberne Autotür und andere Autoersatzteile in umgekehrten Farben

Die silberne Autotür und andere Autoersatzteile in umgekehrten Farben

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23183




Der Punkt

Am Anfang gab es einen Punkt. Es gab keine Atome, auch keine Quarks, es gab nur diesen Punkt, der alles beinhaltete. Dann explodierte dieser Punkt, die Materie formte sich, und die Zeit entstand. Hinter dem Punkt die Vergangenheit, der Punkt war die Gegenwart, und vor ihm lag die Zukunft.
Aber was ist links und rechts seitlich von dem Punkt, zwei andere Gegenwarten?

Punktförmige rot-gelbe Lichter am 8. März 2023, bearbeitet

Punktförmige rot-gelbe Lichter am 8. März 2023, bearbeitet

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23126




Die Tür

Die Tür öffnet sich,
und niemand tritt herein.
Jemand schließt die Tür,
aber ich bin es nicht.

Die bunte Tür, von weiter weg

Die bunte Tür, von weiter weg

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23117




Die Rückkehr des Astronauten

Der Astronaut war ins All geflogen,
um neuen Lebensraum zu finden,
für den Menschen in seiner Einzigartigkeit
war das ein schweres Unterfangen.
Der interstellare Antrieb seines Life Explorers
war annähernd so schnell wie das Licht.

Schließlich, nach vielen Jahren ganz alleine unter den Sternen,
stieß er auf einen Planeten mit erdähnlicher Masse,
vergleichbarer Sonneneinstrahlung, fast deckungsgleicher Eigenrotation
und konstanter elliptischer Bahn um seinen Stern.

Seine Messgeräte registrierten flüssiges Wasser
und eine Atmosphäre mit hoher Sauerstoffkonzentration.
Er hatte extraterrestrisches Leben entdeckt
und einen Platz für das Fortbestehen der humanen Rasse.
Genauestens hatte er analysiert und geprüft.
Die physikalisch-mathematischen Folgerungen mit Proben abgeglichen
und mehrmals durch verschiedene Lösungsmöglichkeiten verifiziert.

Es gab keinen Zweifel.
Das Ergebnis war eindeutig.
Die Transportschiffe, die zu seiner Abreise in Bau gewesen waren, konnten starten.

Er funkte die Nachricht zur Erde
und trat den Heimweg an.
40.000 Erdenjahre waren vergangen,
was 57 Reisejahren entsprach.
Er war nun ein alter Mann.

Als seine Fähre eintauchte in die die Erde umgebende Hülle,
zeigten seine Instrumente sehr hohe Werte
von Kohlendioxid und Fluorchlorwasserstoffen an.
Der Leitstrahl fehlte, der ihn einfangen sollte.
Als er sich zur Landung vorbereitete, kam die Oberfläche näher.
Seine Monitore zeigten ein untrügliches Bild:
Die Ozeane waren verdampft, Salz bedeckte weiß ihre Böden,
die Kontinente glühende Wüsten, kein Fels mehr, nur noch Sand.

Das Signal mit der rettungsverheißenden Nachricht war noch immer unterwegs.

Der Astronaut schwebt über dem weiß-lilafarben-violetten Planeten

Der Astronaut schwebt über dem weiß-lilafarben-violetten Planeten

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23116




Heimat

Heimat gefunden im dunklen Fluss,
ein Floß gebaut, darauf zu dümpeln,
wenn mir nach Sonne war.

Und mir war, mir war danach
so oft,
im dunklen Fluss,
den ich liebte.

Heimat gefunden und doch –
ein Floß gebaut.
Der Sonne entgegen.

Annette van den Bergh
paganinisberlin.net

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23106




Balancieren

Balancieren
auf einer
Rasierklinge.
Messerscharf
unter den
Füßen.
Zucken,
mit jedem
Schritt.
Zögern,
da niemand
weiß,
wie das gut
enden
kann …

Annette van den Bergh
paganinisberlin.net

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23105




Das Blau in deinen Augen

alles fließt nichts bleibt wie es ist
Leben schießt vorbei treibt mich an
und reibt mich auf mal steil
bergauf dann pfeilschnell Schuss ins Tal
mit Verdruss und Qual
im Sternenglanz und ganz
leicht und seicht umweht
meinen Sinn und steht
nicht still fragt wer ich bin
was ich will und erreicht
vielleicht mein Herz aus Stein
dass es erweicht und rennt
permanent wirft Licht
dann Schatten auf mein Gesicht
heute bunt morgen grau
beschwert blüht auf
ich werd nicht schlau
sieht mich an merkt nicht
wenn ich nicht mehr kann
dass ich frier meine Kraft
verlier und der Wind
sich besinnt er steht still
weil ich kurz innehalten will
zwei Gang runterschalten
solang mein Glück verwalten
einfrieren mit Stille umrahmen
das Morgen planen mal pausieren
von der Fülle zehren neu begehren
den Motor instand setzen
die verletzten Saiten stimmen
schöne Töne schätzen
und halten Berge erklimmen
das Toben von oben besehen
und zwei Schritte rückwärtsgehen
dabei ganz neu verstehen

doch das geht nicht
denn das Fass dreht sich
unermüdlich weiter Zeit
steht nicht still Vergänglichkeit
macht sich breit mehr als ich will
aus himmelblau wird grau
und bis gerade eben
wusst ich’s nicht genau
nur wenn ich im Licht
tief in deine Augen schau
bleibt die Zeit stehn
und ich kann in deinem Bann
wenn ich dem Fluss entrück
ein Stück
Ewigkeit sehn

und schon ist’s vorbei
wieder treibt die Zeit
alles fließt nichts bleibt wie es ist
Menschen warten am Rand
reichen mir die Hand
und geraten voller Kraft in meinen Fluss
ich muss ganz gerissen
schnell wissen wer ein Stück
mit mir schwimmt mein Glück
mitbestimmt meine Lieder
mit mir singt immer wieder
mich beschwingt für wen
meine Tore offen stehn
und die andern lass ich gehn
mal ohne mal mit Bedauern
über Mauern vor mir fliehn
weg in andre Herzen ziehn
denn Menschen kommen Menschen gehen
und nur die Veränderung bleibt uns treu
formt uns immer wieder neu

alles fließt und mit Sicherheit
bleibt nichts wie es ist Zeit
frisst sich in mein Herz
dämpft den Schmerz und die Wut
kocht das Blut auf nichts ist Verlass
auch nicht auf dein Lächeln
wenn du von uns sprichst
nur das Blau das ich seh
wenn ich in deine Augen schau
das verändert sich nicht
ich bleib stehn und ich kann
in deinem Bann darin im Licht
wenn ich dem Fluss entrück
ganz kurz ein Stück
Ewigkeit sehn

Claudia Lüer

Diesen Text können Sie hier auch hören, gelesen von der Autorin.

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? und unerHÖRT!| Inventarnummer: 23090




Onkel Gerhard

Du warst so ein nettes Kind.
Wir haben oft gemeinsam gespielt,
kannst du dich noch erinnern?
Nein, ich denke nicht.
Oder es ist dir egal.

Was ist nur aus dir geworden?
Ein Prolet, unfreundlich und bedrohlich.
Gingst auf mich zu, und ich musste dir ausweichen.
Schäm dich!
Nicht einmal zu meinem Begräbnis bist du gekommen.

Das gelbe Grablicht

Das gelbe Grablicht

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 23035