Der Einkauf

In diesem Moment – Sie kennen das bestimmt – habe ich irrsinnige Lust auf die eingelegten Artischocken der Marke X. Ob dieses plötzliche Bedürfnis mit der soeben betrachteten Fernsehwerbung in Zusammenhang steht oder nicht, sei dahingestellt. So mache ich mich auf zum Supermarkt, nicht zu Fuß, sondern mit dem Auto, denn es nieselt leicht und außerdem will ich mich nicht allzu lange mit diesem Gelüste aufhalten.

Gleich beim Eingang am Obst- und Gemüsestand locken herrlich gelbe Bananen und ich nehme gleich 2 davon mit, da gesunde Ernährung wichtig ist. Auch gibt es Karotten im Angebot – 2 kg zum Preis von 1 kg – wieso nicht? Auf dem Weg zu den Artischocken greife ich außerdem noch zu bei den Butterkeksen des Erzeugers L, dem schmackhaften Riesentoast, den ich immer schon ausprobieren wollte, sowie einer 1-kg-Packung Gouda, für die ich mir mit Gutschein € 4,10 bzw 48% des Preises spare.

Da mir das Gewicht der mittlerweile in meinen Armen angehäuften Produkte zu schwer wird, muss ich nochmal zurück zum Eingang, um mir einen Einkaufswagen zu holen. Also nochmal von vorn: beim Obst- und Gemüsestand dieser herrliche, unwiderstehliche Duft der Erdbeeren aus Ägypten, auch die 5 backofenfrischen Semmeln muss ich noch mitnehmen und zu dieser Gelegenheit beim Kauf von 4 Bechern Fruchtjoghurt noch einen gratis dazu. Des weiteren gibt es gerade Polardorsch in Aktion, denn es ist Mittwoch – was für ein Zufall!

Schließlich vor dem vermeintlichen Artischockenregal der Schock: Es wurde umgeräumt! Keine Ahnung, wo jetzt eingelegtes Gemüse zu finden ist! Völlig verloren und der Verzweiflung nahe irre ich im Geschäft umher, spare mir noch schnell 50% beim Kauf von 6 Flaschen Blaufränkischem, auch frohlockt die 5-Liter-Dose Erdäpfelgulasch von I – ich sollte sowieso wieder einmal Freunde einladen. Als gesundheitsbewusster Mensch nimmt man dann noch 2 Packungen in Österreich produziertes Dinkelmüsli und 3 Liter Sojamilch aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft.

Endlich bin ich beim Regal meines ursprünglichen Ansinnens angelangt. Zunächst finde ich die Artischocken nicht und nehme stattdessen ein Glas leckerer Paprika in Öl mit Frischkäsefüllung. Ich trete ein bis zwei Schritte zurück, um einen besseren Überblick zu bekommen. Da sind sie! Und es gibt sie sogar mit und ohne Kräuter. Ich nehme zur Sicherheit je ein Glas von jeder Sorte und eile weiter, vorbei an der Wursttheke mit der Verkäuferin, noch schnell zum bereits fertig abgepackten Aufschnitt – ich will jetzt mit niemandem reden und bin gestresst. Doch was ist das? Ein saftiges Stück Fleisch und ein neonoranges Aktionsschild lassen mich dann doch mit der Wurstthekenfrau sprechen, die mir das Teil freundlich in Papier und Plastik hüllt.

Auf dem Weg zur Kassa, zwischen Zeitschriften und Putzmittelregal, ist ein Stand mit warmen Winterschlapfen aufgebaut – ich habe ja eh immer so kalte Füße – und ich erblicke eine ganze Menge übriggebliebener Silvesterglücksbringer zu einem außerordentlich niedrigen Preis. Silvester war zwar erst gerade, aber nächstes Jahr freuen sich meine Freunde bestimmt. Daraufhin nehme ich auch noch Schlapfen für meine Schwester und für meine Mutter mit, weil die beiden letztens auch über kalte Füße klagten. Kurz vor der Kassa stehen dann noch meine Lieblingsschwedenbomben. Zum Glück bin ich mit dem Auto da!

Ich erreiche die Kassa, den kapitalistischen Ort.
In meinen Händen das Geld ist fort.

Sandra Stadlbauer

www.verdichtet.at | Kategorie: Lesebissen | Inventarnummer: 16010

 

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