Sauna im Schnee

Der Fleischhauer Karl Metzger hat Feierabend gemacht und heizt nun seine Sauna auf, die er vor Jahren in der alten Selchkammer installiert hat. Es ist eine liebgewonnene Gewohnheit, ein unverzichtbares Ritual geworden, diese kleine freundschaftliche Sauna-Runde am Samstag, sonst könnte das Wochenende gar nicht stattfinden.

Frau Metzger hat schon alles vorbereitet und nun kommen – pünktlich wie immer – der benachbarte Gemüsehändler mit Gattin und Erich, der verwitwete Parfumerist, bei der Hintertür herein. Sie grüßen einander mit der vertrauten Gelassenheit von schwer arbeitenden Menschen, die wissen, was sie aneinander haben, legen ab und nehmen ihre Plätze ein.

Herr Metzger hat vom Gehsteig ein paar von den Schulkindern übriggelassene Schneebälle hereingetragen und legt sie nun auf die heißen Steine. Vorher hat er sie aus einer Laune heraus mit Marillenbrand beträufelt. Das hätte er vielleicht nicht tun sollen, denn durch Selbstentzündung beginnt der Barack mit leiser blauer Flamme zu brennen, was in der dämmrigen Saunakammer gut aussieht, und es duftet nach reifen Marillen.

„Jo Karli, ich hab gar net g’wusst, dass d’ so romantisch sein kannst!“, gurrt Adele, die Selchermeistersgattin. Herr Metzger legt noch zwei alkohol-triefende Bälle auf, und das war offenbar zu viel, denn der in Sekundenschnelle verdampfte Alkohol verpufft blitzartig, die Saunasteine prasseln durch die Luft und der heiße Rost landet am Gesäß von Herrn Metzger, was ein rotes Muster wie die eingeschnittene Schwarte am Schweinsbraten hinterlässt.

„Auweh!“, schreit Herr Metzger, „ausse do!“ Er reißt die Tür auf und alle stolpern in den Hof hinaus und lassen sich in den wadenhohen Schnee fallen.

Die Schneekristalle schmelzen am heißen Körper und kitzeln unsagbar auf der Haut, das prickelt wie Sekt und macht übermütig. Im Nu ist eine richtige Schneeballschlacht im Gang und die schwammigen Fünfziger hüpfen jauchzend herum wie ausgelassene Schulkinder.

„Koarl, des war super“, lobt die Gemüsehändlerin beim abschließenden Umtrunk: „Endlich war einmal was los!“

An jenem denkwürdigen Abend wurde Frau Adele Metzger nach langer Pause wieder in die eheliche Pflicht genommen und stiftete dafür am Sonntag eine dicke Kerze.

Robert Müller

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