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Besuch bei den anonymen Katzenhassern

Ich: Hallo, ich bin Klaus. Ich bin Katzenhasser.

Alle: Hallo Klaus!

Ich: Also, ich tu mir jetzt schon ein bisserl hart, hier zu stehen und mit euch zu reden über etwas, das tief in mir drinnen ist, aber ich muss ja. Der Richter hat mich zu den Treffen der „Anonymen Katzenhasser“ verdonnert und, na ja, das ist halt neu für mich. Habt’s also bitte Geduld mit mir.

Mit dem Katzenhassen habe ich – ehrlich gesagt – schon in meiner Kindheit und Jugend angefangen. Meine Familie wohnte damals auf einem Bauernhof. Dort gab es immer Katzen. Eine, eine schwarze, war mir sehr ans Herz gewachsen. Ich streichelte sich, sie schlief in meinem Bett. Eines Tages überfuhr sie der Bauer mit dem Traktor, unabsichtlich, wie er sagte, und mein Vater befahl mir, sie zu begraben. Es war Winter. Es war schweinekalt und die tote Katze war steifgefroren, ich nahm sie am Schwanz und sie stand – so waagerecht von mir weg. Ich begrub sie im Misthaufen, die Erde war ja auch gefroren.

Nach diesem – wie ich heute weiß – traumatischen Erlebnis ließ ich lange keine Katze an mich heran, dann doch wieder, eine rotgestreifte, auch sie lebte nicht lange, ich begrub sie am Rande des Kartoffelfelds. Ich schwor mir, nie wieder eine Katze zu haben.

Das hielt, bis ich Student wurde in der großen Stadt. Mit der Freundin zog in unsere WG eine Katze ein, der das aber nicht gefiel. Sie schiss allen WG-Bewohnern in die Schuhe. Also wurde in der Runde  – mit Ausnahme der Katzenbesitzerin – beschlossen, das Tier, nun ja, wie soll ich sagen, zu entsorgen halt. Das Los fiel auf mich. Ich nahm den WG-eigenen Baseballschläger und begrub die Katze gegenüber in der Hundefreilaufzone.

Kurz darauf suchte ich zum ersten Mal psychologische Hilfe. Die Therapeutin – sie hatte eine Karthäuser-Katze, so eine edle, graue, die eines Tages spurlos verschwand –, sie riet mir jedenfalls zu einer Hyposensibilisierung. Ihr kennt das bestimmt von Allergien. Dabei setzt man sich langsam steigenden Dosen des Allergens aus, bis man sich an die Allergie gewöhnt hat. So ungefähr hatte ich das verstanden.

Ich begann mit einem Katzenfell, legte mir dann eine ganz kleine Katze zu und tauschte die Tierchen – immer häufiger auch lebendig – gegen immer größere Exemplare in den Tierheimen um. Im Urlaub fuhr ich ins Disneyland und umgab mich mit Aristocats. Inzwischen war ich wieder zurück aufs Land gezogen und dort fand ich mich eines Tages mit einem Puma wieder. Ich hatte ihn billig vom insolventen „Zirkus Muzikatz“ gekauft und in einem durchaus großzügigen Gehege im Garten gehalten. Der Kontakt mit der zahmen Großkatze sollte mein Gesellenstück in Sachen Abhärtung werden. Denn mittlerweile hatte ich meine Katzenhasserei halbwegs im Griff, aber als der Puma begann, mir um die Beine zu streichen und mich allein seines Gewichts wegen immer wieder in den Dreck zu werfen, und dann auch noch anfing, mir Köpfchen zu geben, mit seinen Pranken auf meinen Schultern, und mich dabei halb bewusstlos zu schlagen mit seinem stinkenden Schädel, nun ja, da begrub ich ihn – eh in der Nacht – auf dem Fußballplatz des FC Alkoven.

Leider erwischte mich dabei der Platzwart, ihn hatte seine Katze darauf trainiert, sie um Mitternacht ins Haus zu lassen. Er holte die Polizei. Kurz: Ich bekam wegen Tierquälerei und Sachbeschädigung zwölf  Monate auf Bewährung und muss so lange eure Treffen absolvieren. Ich hoffe, ihr könnt mir irgendwie helfen, … (böser Blick) vielleicht mit der einen oder anderen Katze, ich nehme auch dreibeinige und räudige. Katzenbabys kein Hindernis … Danke für eure Aufmerksamkeit.

Alle: Danke, Klaus.

Klaus Buttinger

www.verdichtet.at | Kategorie: ärgstens | Inventarnummer: 22037

 




Fliegenfischen in Ansfelden oder Widerstand

Zwei Steinwürfe vom am dichtesten befahrenen Autobahnabschnitt in Oberösterreich, einen Steinwurf von der buntesten Agglomeration von Baubedarfsselbsthilfetempeln entfernt, fließt die  Krems Richtung Traunfluss. Ihr Wasser befindet sich zwei Meter tief eingegraben in die sie umgebenden Maisäcker. Ein dünner Korridor aus Büschen und Bäumen dämpft die Geräusche der menschlichen Rastlosigkeit zu einem Hintergrundrauschen. In dem tiefen, grünen Tal  kann man für wenig Geld Fliegenfischen.

Ich bin gerne dort, fange aber meistens nichts. Das liegt an den faszinierenden Begegnungen, die man in dieser Alltagsoase hat. Sie halten einen von der Jagd nach Schuppensilber ab. Da hüpft eine Wasseramsel mit ihrem charakteristischen weißen Brustlatz um die Flusssteine. Ein blauer Blitz saust vorbei – ein Eisvogel taucht nach einem jungen Schneider. Langsam schlängelt sich eine ausgewachsene Ringelnatter mit erhobenem Kopf auf mich zu.  Ich stehe bis zu den Knien im langsam fließenden Wasser und sehe einen Rehbock zwanzig Meter entfernt, der dasselbe tut. Wir starren uns ein paar Minuten lang an. Beide haben wir es nicht eilig an diesem Morgen. Das Hermelin hingegen schon. Erstaunlich schnell durchhüpft es auf seinen kurzen Beinen den Slalom aus Ufervegetation.

Meine Fliegen interessieren heute nur ein paar vorwitzige Jung-Aitel. Ich hake sie schnell ab und lasse sie wieder schwimmen. Ein paar Bäume habe ich mit meinen Fliegen bereits dekoriert, es ist  nicht leicht, hier im engen Dschungel zu werfen, ohne im Geäst hängen zu bleiben. Auch der Unterwasserbewuchs kassiert manchen Köder.

Dieser Hänger ist allerdings anders. Der Fliegenhaken dürfte sich in etwas, das aus der Entfernung wie ein Stofffetzen aussieht, verfangen haben.  Beim Näherwaten erkenne ich, es handelt sich um eine Damenhandtasche, die hier schon länger zwischen den Steinen gesteckt haben dürfte. Ich ziehe sie aus dem Schlamm und untersuche den Fund an einer schottrigen Uferstelle.  Kaputte Taschenlampe, durchweichte Prospekte, Lippenbalsam, ein Bund bereits angerosteter Schlüssel, eine Geldbörse. Darin Kredit- und Kontokarte, ein Behindertenausweis und eine Handvoll Stammkundenkunststoff, alle lautend auf Sieglinde R. aus Graz.  Schlüssel, Ausweis und Plastikgeld packe ich in meinen Rucksack.

Am Abend suche ich ein Polizeiwachzimmer in Wels auf. Ich lege das nasse, noch immer leicht dreckige Geborgene auf die Budel, von wo es ein Beamter mit spitzen Fingern aufnimmt. Eine schnelle Recherche in seiner Datenbank ergibt, dass Frau R. die Tasche vor einem halben Jahr in einem Linzer Eissalon gestohlen worden ist. Der Dieb oder die Diebe haben die Tasche dann wohl von der Ansfeldner Kremsbrücke in den Fluss geworfen, nicht ohne vorher die Beute von sagenhaften zwanzig Euro Bargeld aus der Börse genommen  zu haben.

Wenn man in der Krems bei Ansfelden steht, kann man das silbrige Aufblinken von Fischleibern im Wasser bemerken. Die Lichtreflexe werden von Barben  verursacht, die sich beim Abnagen von Algen auf die Seite drehen. Barben sind prächtige, große Fische, doch keiner mag sie. Ihr Fleisch schmeckt nach Schlamm, sie haben extrem viele Gräten und sind harte Kämpfer an der Angel – fast nicht aus dem Wasser zu bekommen.  Ungenießbarkeit  und Widerstand zahlen sich aus.

Klaus Buttinger

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 21032