Schlagwort-Archiv: verliebt verlobt verboten

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Zaubertinte

Hör zu, ich muss dir etwas sagen.
Es geht um das, was zwischen uns war und ist.
Du weißt, die Kinder sind schon groß,
so oft warst du nicht bei mir zu Haus.
Ich war alleine, und wer brauchte mich dann noch?
Da sah ich ihn,
er sprach mich an, machte mir Avancen.
Ich wies ihn ab.
„Mein Herr, Sie sind sehr freundlich, aber nein,
ich liebe meinen Mann.“
„Wo ist er denn, Ihr Mann?“, fragte er darauf zurück.

Er hatte Recht, du warst nicht hier, mein Lieber.
Und schließlich wurde ich schwach,
tat, was ich nicht wollte, eigentlich,
aber in diesem Moment wollte ich es doch.
Mir war egal, wer er war.
Was zählte, war, dass er sich um mich kümmerte.
Seit ich jung bin, bin ich schon an deiner Seite.
Und nun bin ich aus deinen Augen verschwunden.
Schau hin, wenn du mich in deinen Armen hältst,
falls du das noch tust.
Siehst du mich, oder nicht?

Wasserglas und Füllfeder

Wasserglas und Füllfeder

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 23036

Glückskeks

Nach dem Mahl im chinesischen Restaurant bekamen sie je einen warmen Pflaumenschnaps und einen Glückskeks. Er brach seinen Glückskeks auf. Auf dem Zettel darin stand: „Sie werden sich heute verlieben.“ Er sah sie an. Nun brach sie ihren Glückskeks auf. Auf dessen Zettel stand: „Sie werden sich heute verlieben.“ Sie sah ihn an.

Wow!

Die golden-rote Verpackung des GLÜCKSKEKSes

Die golden-rote Verpackung des GLÜCKSKEKSes

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 23032

Im nächsten Leben

A.s Augen blickten sie sanft und leidenschaftlich an, als sie zwischen all den Getränkekisten standen. „Du Frauenheld“, flüsterte Lara schließlich, leise lachend und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Der sanfte Druck seiner Hand auf ihrem unteren Rücken ließ sie erschaudern; sie fühlte sich geborgen und erregt. Für einen Moment vergaßen beide die Welt außerhalb des Wirtschaftshofes, die Kollegen sowie die Gäste, die empfangen und bedient werden wollten.

„Du wirst sehen, dass ich kein Frauenheld mehr bin“, flüsterte A., ehe er seine Zigarette ausdämpfte und wieder auf seine Station ging; die Saison neigte sich dem Ende zu, der Gastgarten des Lokals S. war brechend voll. Lara lächelte, während sie zu ihrem Arbeitsplatz am Gästeempfang zurückging; ihre Welt war im Chaos, seine Aufmerksamkeit beruhigte sie. Er flirtete seit Tagen mit ihr, nichts von ihrer Trennung wissend; bei jeder zufälligen Begegnung suchte er ihre Nähe, indem er zumindest ihre Hand streifte. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass sich zwei der Guten zum falschen Zeitpunkt kennengelernt hatten; sie hatten die Fronten längst geklärt.

Es war kurz nach 22 Uhr, als Lara und ihre Kollegin Babsi die Tür des Gästeempfangs abschlossen und zum Wirtschaftshof gingen, um ihre leeren Flaschen in die Leergut-Kisten zu stellen und noch etwas zu trinken. A. wartete mit einem weißen Spritzer auf Lara, er hatte immer versucht, sie in den letzten Tagen abzufangen, wenn ihr Dienst endete. Er wollte, dass sie wusste, dass es ihm leid tat, dass sie sich gegenseitig nicht geben konnten, was sie gerade brauchten, aber sie sollte spüren, dass er da war.

Der Gastgarten leerte sich bereits, etwas Ruhe kehrte ein. Lara und A. standen etwas abseits, Arm in Arm, versunken in die Präsenz des Anderen. A. hielt Lara, so fest er konnte, und küsste sie auf die Stirn. „Lerne endlich, dich selbst zu mögen“, sagte er leise, während er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, „deine wunderschönen Lippen …“ Lara lehnte ihre Stirn an seine, schloss die Augen und ließ den Sturm in sich toben. Sie wollte ihn küssen, seine Haut auf der ihren spüren – in seinen Armen einschlafen und an seiner Brust aufwachen. Noch lauter aber war die warnende Stimme ihrer Seele, dass niemand sie glücklich machen konnte, solange sie nicht bei sich war. Und sie musste noch alles Vorangegangene verarbeiten.

„Im nächsten Leben Lara“, sagte A., während er ihr Gesicht zwischen seinen Händen hielt. Sie senkte ihren Blick, wollte ihrer Angst, ihrer Unsicherheit ausweichen. „Bitte weine nicht!“, A. hielt sie noch fester. „Nein“, sie schüttelte den Kopf. Als sie später ihre Wohnung betrat, fühlte sich die Dunkelheit so kalt an, das leere Bett schien sie wegzustoßen. Für einen Moment meinte sie, seine Umarmung zu spüren, seinen Geruch wahrzunehmen.

Denn manchmal sehnt sich das Herz nach dem Unerfüllten, dem Unmöglichen.

Cornelia Hell

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten| Inventarnummer: 22138

Das Leben schenkt uns so viel

„Ich musste in jenen Augenblicken, in denen ich an dieses eine Jahr zurückdachte, häufig an die verpassten Gelegenheiten denken. Gott bewahre, meine Schüchternheit.
Meine Gedanken gingen in die Ferne, einmal nahm ich sogar eine Landkarte aus der schuleigenen Kartothek heimlich mit nach Hause. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

Später fragte ich mich, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir uns nachmittags bei dir zuhause getroffen hätten. Unter dem Vorwand, dir mit dem Deutschen zu helfen und bei formalen Schwierigkeiten, die der Alltag in einer deutschen Kleinstadt eben mit sich bringt, hätte ich glänzend dein Vertrauen gewinnen können. Und das verspätete Nachhausekommen wäre für mich ein Grund gewesen, noch motivierter zu sein.
Du warst mir mit Sicherheit doch weit überlegen.

Jedenfalls verabrede ich mich hier, zehn Jahre später, wieder mit dir. Der Wunsch nach der Wirklichkeit der Bilder. Um einfach zurückzugeben, was ich für dich empfand: Wie wäre es mit einer Einladung ins Kino gewesen? Ich hätte dir irgendetwas beibringen können  –  zusammen kochen.

Später wurde mir klar, dass eines der schönsten Dinge, die ich dir anbieten hätte können, ein Ausflug zum Wandern oder an einen Badeteich gewesen wäre. Absichtslos das Sein genießen. Eigenes oder fremdes oder beides. Ohne Blicke und ohne Worte und ohne Berührungen und ohne Gedanken.
Mein inneres Auge begann genau in diesem Moment mit Sehnsucht die Landkarte entlangzuwandern. Das Leben schenkt uns so viel.“

Michael Bauer

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 22050

Mein Häschen

Dagmar:         Wir müssen es deiner Frau sagen.

Das war der erste Satz meines One-Night-Stands an mich, als ich sie nach ein paar Tagen besuchte, um zumindest einen Two-Nights-Stand aus Dagmar zu machen.

Ich:                 Nein, auf keinen Fall! Weshalb denn, bitte?

Dagmar:         Deine Frau muss doch Bescheid wissen.

Ich:                 Nein, muss sie nicht. Was soll das denn bringen?

Dagmar:         Na, du musst dich jetzt doch scheiden lassen.

Ich:                 Nein, wieso sollte ich das tun?

Dagmar:         Wegen mir.

Das sah jetzt ganz schlecht für mich aus.

Ich:                 Öh.

Dagmar:         „Öh“ ist nicht das, was ich von dir hören will, mein Häschen. Ich kann deiner Frau auch einen Brief schreiben. Wär dir das lieber?

Ich:                 Nein, wär es nicht. Können wir nicht einfach meine Frau aus dem Spiel lassen, Dagi?

Dagmar:         Ich finde, sie soll wissen, woran sie ist.

Ich:                 Und woran soll sie sein?

Dagmar:         Aus dem Rennen.

In Wirklichkeit war ich aus dem Rennen, wusste ich.

Das Paar im blau-weißen Boot mit Außenbordmotor auf dem Wörthersee

Das Paar im blau-weißen Boot mit Außenbordmotor auf dem Wörthersee

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 22040

Marlies-Momente

Und manchmal erinnerte ich mich noch an sie. Wir kannten uns ziemlich gut, damals noch, in der elften Klasse, als wir uns zum ersten Mal sahen: Marlies und ich. Als sie plötzlich und unvermittelt neben mir Platz nahm. Natürlich krümmte sich der Raum um sie herum. Sie hatte das, was man als das „gewisse Etwas“ bezeichnen könnte. Jedenfalls waren die anderen nicht so aufregend. Sie hatte auch andere Interessen als die anderen: Als sie einmal in der Klasse nach ihrem Lieblingsfilm gefragt wurde, nannte sie „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“. Ein anderer Mitschüler kannte nur James Bond.

Jahre vergingen und wir verloren uns aus den Augen. Doch ich hatte gelernt, Menschen wie Marlies zu schätzen, die es vollbrachten, dass sich alles rund um sie veränderte. Schnell begann ich ein Studium und merkte, wie mich meine Kommilitonen anödeten. Sicher, ich hatte das falsche Fach studiert, ohne es zu merken. Dies fiel mir lange Zeit aber gar nicht auf, und ich nahm teil an den anderen Späßen. Doch auf einmal kamen diese Austauschstudierenden und wollten in der Mensa mit uns über Bücher reden. Was sie alles kannten. Dante. Boccaccio, Shakespeare. Eine Studienkollegin sagte, sie kenne nur „Lord of the Flies“. Bzzzz. Und das, ohne rot zu werden.

Manchmal – aber das ist eher schon die Ausnahme – treffe ich Menschen wie Marlies. Menschen, die aus der Masse hervorstechen und eben den Raum krümmen. So jemandem zu begegnen, ist mir manchmal unheimlich, dann fühle ich mich verletzt, eingeschüchtert. Aber hin und wieder verspürte ich den großen Wunsch, genauso zu werden wie sie.

Marlies studierte jetzt irgendeine Geisteswissenschaft. Und was sie machte, das musste ja gut sein. Sie war jedenfalls keine dieser oberflächlichen Studierenden, die, sobald die Schule zu Ende war, kein Buch mehr in die Hand genommen hatten. Und es war ja nicht nur das. Klar, dass sie einen besseren Musikgeschmack und Lebensstil hatte als die anderen.

Manchmal frage ich mich, was aus mir geworden wäre, hätte ich solche Leute wie Marlies nicht getroffen. Ich würde noch immer dieselben dummen Späße machen wie die anderen aus meiner Klasse und würde mich nicht genieren, dumm zu schwadronieren, und das noch mit vierzig.

Sicher, es gibt in der Soziologie so etwas wie das „kulturelle Kapital“. Dies wird durch die Eltern gewissermaßen vererbt. Manche haben mehr davon, manche weniger. Gerade am Beginn des Studiums gibt es ein Aussortieren zwischen den prestigeträchtigen Fächern Jus und Medizin, den als „brotlos“ verschrienen Geisteswissenschaften und einigen biederen Alternativen. Klar bedeutet es für Menschen aus einem bildungsungeübten Haushalt überhaupt schon einen Aufstieg, studieren zu können. Nach einiger Zeit müsste man aber doch merken, dass man manchmal für dumm verkauft wird. Und irgendwann gehen, wenn es einem zu blöd wird.

Meine ganzen Jahre verbrachte ich damit, Leuten wie Marlies zu imponieren. Und genau das war auch meine Motivation: dass es viel schöner war, Zeit mit geistreichen Menschen zu verbringen als mit anderen. Leider waren solche Begegnungen wie die mit Marlies viel zu selten und manchmal wusste ich auch nicht die Chance zu nutzen.

„Die Wege des Herrn sind unergründlich. Sie zu hinterfragen hat keinen Sinn“: So oder so ähnlich heißt es in der Bibel. Ich hoffte innerlich auf mehr Marlies-Momente, doch die kamen immer sehr unerwartet. Und ich habe gelernt, diese Momente auch anzunehmen, in Dankbarkeit und Demut. Denn das Schöne auf der Welt ist eine sehr zarte Pflanze auf einem unwirtlichen Planeten ...

Michael Bauer

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 22038

Italia 1952

Meine Gattin wirft mit Geschirr nach mir. Italia 1952. „Dein Bärtchen war mir immer schon verdächtig!“, schreit sie. „Dieses blöde Menjoubärtchen tragen doch nur Aufreißertypen, so wie du! Ich hasse dich!“ Die Sauciere trifft mich am linken Oberarm. „Meine Benedetta, wie leidenschaftlich sie doch ist! Wie sehr ich sie doch liebe!“

Die Blume aus dem Märchen beim Lendkanal

Die Blume aus dem Märchen beim Lendkanal

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 22015