Archiv des Autors: Redaktion verdichtet.at

Uber

Ich habe mir bei Uber einen Wagen mit Fahrer bestellt. Ich warte vor der Haustür. Jetzt biegt ein quietschentengelbes, kleines Auto um die Ecke und bleibt vor mir stehen. „Allahu akbar“, begrüßt mich der Fahrer, der ein Roboter ist. Falsche Sprache natürlich. Seitlich am Roboter drücke ich den Knopf für Deutsch. Jetzt klappt es. Mr. Robot stellt sich mir vor. Er will High Five und Faust an Faust mit mir machen. Er hat wohl aufgrund meines Surfverhaltens herausgefunden, dass ich Snowboarder bin. Das bin ich auch, aber kein Kind mehr, bei dem Scheiß mache ich nicht mit. Ich steige in die Kiste. Während er fährt, erklärt mir der Roboter die Gegend, wie bei einer Stadtführung. Ich schalte den Burschen auf lautlos. Als wir angekommen sind, erscheint auf seiner Brust der Fahrpreis in schwarzen Ziffern. Unter seinem Bauch, wo menschliche Männer Unterhosen tragen, befindet sich ein Schlitz für Kredit- und Bankkarten. Ich zahle bar, runde auf und lege neunzehn Euro auf die Ablage, wo in alten Modellen ein Aschenbecher war.
Das nächste Mal fahre ich mit dem Fahrrad.

Oktoberfest - bayerische-Dirndl-Badeente und bayerische Lederhose-Badeente

Oktoberfest – bayerische-Dirndl-Badeente und bayerische Lederhose-Badeente

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 24088

 

Produktion

Ich bin Produktionsmitarbeiter. Ich fertige Landmaschinen. Ich arbeite mit zwei Robotern zusammen. Einer ist links von mir, er gibt mir das Werkstück, das ich weiterbearbeite und dann dem Roboter rechts von mir übergebe. Die Roboter haben keine Namen. Ich habe sie für mich Horst und Klaus getauft. Früher arbeiteten sie von Zäunen umgeben, um für Menschen garantiert ungefährlich zu sein. Danach wurden die Roboter befreit. Wir sind jetzt alle drei Arbeiter, aber wenn produktionstechnisch etwas geändert wird, bin ich das schwächste Glied. Ich muss mich den Robotern unterordnen.

Die Abseilübung von drei Feuerwehrmännern vom Turm der Berufsfeuerwehr am 10. Mai 2023

Die Abseilübung von drei Feuerwehrmännern vom Turm der Berufsfeuerwehr am 10. Mai 2023

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: es menschelt | Inventarnummer: 24087

Nashörner

Auf einem Foto in einer Zeitschrift, das für den Kaziranga Nationalpark in Assam, Indien, wirbt, sind ein ausgewachsenes Nashorn und ein sehr kleines zu sehen. Das kleine ist wirklich sehr klein. Wahrscheinlich ist es die Mutter mit ihrem Kind. Das Kind hat noch kein Horn.

Ich male ihm eines auf seine Schnauze. Jetzt freut es sich. Auf dem Foto sieht man, wie es nun grinst und die Zähne zeigt.

Ich schätze, das habe ich gut gemacht.

Zwergi in der steinernen linken Hand

Zwergi in der steinernen linken Hand

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Von Mücke zu Elefant | Inventarnummer: 24086

„Meine Zeit ist zu Ende“

„Meine Zeit ist zu Ende“, sagte sie.
Legte sich auf die Seite
im blütenweißen Bett,
wandte ihren Blick zum Fenster.
Die Sonne verschwand,
und der Regen fiel.

Das Kinderpflaster auf regennassem Asphalt am 31. August 2022

Das Kinderpflaster auf regennassem Asphalt am 31. August 2022

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude | Inventarnummer: 24085

Im Käfig

Ich bin das Tier im Käfig.
Die Menschen betrachten mich.
Gern hätte ich einen Bau,
in dem ich mich verstecken kann,
doch habe ich ihn nicht.
Hier im Käfig ist meine natürliche Umgebung imitiert,
doch sie ist es nicht.

Auch ihr, die ihr mich anstarrt,
steckt in einem Käfig,
nur da er keine Stäbe hat,
wisst ihr es nicht.
Ihr habt verlernt zu jagen,
ihr werdet gefüttert,
von anderen Lebewesen,
die euch Menschen als Tiere halten.

Weiß-grau gekleidete Damen mit bunten Drachen an Stangen am regnerischen 13. August 2022 auf dem Neuen Platz

Weiß-grau gekleidete Damen mit bunten Drachen an Stangen am regnerischen 13. August 2022 auf dem Neuen Platz

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 24084

Archiv März 2024

29.3.24: Claudia Lüer: Für meinen Vater – Liebeserklärung
29.3.24: Johannes Tosin: Im Zug
29.3.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Kolo Moser: Sessel, 1900
29.3.24: Johannes Tosin: Dreißig Engel halten uns
23.3.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Adolf Loos: Roter Bugholzsessel für das Café Museum
23.3.24: Johannes Tosin: Berührung
23.3.24: Johannes Tosin: Bügeln
17.3.24: Bernd Watzka: Die wilde Rose
17.3.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Thonet: Kindersessel, 1885
17.3.24: Johannes Tosin: Die heutige Kleine Zeitung
17.3.24: Wilfried Ledolter: Mein Lanzarote
17.3.24: Johannes Tosin: Die Reise in die Zukunft
9.3.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Thonet: „14er“, 1859
9.3.24: Bernd Watzka: Rhododendren
9.3.24: Johannes Tosin: Das erste Mal
9.3.24: Robert Müller: Schuach
9.3.24: Johannes Tosin: Hallo Schatz
2.3.24: Bernd Remsing: Sesselgedichte: Thonet: „4er“, 1849
2.3.24: Annamaria Bortoletto: Hunger
2.3.24: Johannes Tosin: Katze
2.3.24: Claudia Lüer: Jetzt bist du Staub
2.3.24: Johannes Tosin: Vogel
2.3.24: Bernd Watzka: Gundelrebe vs. Rose
2.3.24: Wilfried Ledolter: Dank an einen wahren Freund

Für meinen Vater – Liebeserklärung

Es gibt Ereignisse im Leben, die so tief einschneiden, dass unsere Herzen für immer verwundet bleiben und Worte fehlen, um das zu beschreiben.

Alles, was du sagst,
klingt durch meine Räume.
Das, wonach du fragst,
bereichert meine Träume.
All das, was du denkst,
nährt meine Theorien.
Ich kann in deinem Licht
vor meinen Ängsten flieh’n.
Das, woran du hängst,
das veränder ich nicht.
Denn das, was du mir schenkst,
ist unersetzlich für mich.

Alles, was du weißt,
hast du mir beigebracht.
War mein Herz vereist,
hast du mit mir gelacht.
Hast noch an mich geglaubt,
als ich längst aufgegeben hab.
Hast auf mich gebaut
und mich gestärkt, Tag für Tag.
Hast mir so viel gegeben
und nie an dich gedacht.
Hast mein ganzes Leben
über mich gewacht.

Mit dir zusammen sah ich
meinen ersten Regenbogen.
Du bist mit mir im Traum
bis zu den Sternen geflogen.
Alles, was du fühlst,
wohnt auch in meinem Herzen.
Das Wasser, das dich kühlt,
dimmt auch meine Schmerzen.
Das, was du erinnerst,
spinnt meine Seele fort,
verpackt als Kostbarkeit
an einem sich’ren Ort.

Das, was du verschweigst,
sprech ich für dich aus.
Das, womit du haderst,
lös ich für dich auf.
Was du hast durchgestanden,
das reibt mich nicht mehr auf.
Die Schätze, die wir fanden,
heb ich für meine Kinder auf.
Ich hatte großes Glück
mit dir auf meinem Weg.
Das geb ich jetzt zurück,
denn dir verdank ich, dass ich leb.

Alles, was ich weiß,
ist, dass wir uns wiedersehen.
Doch bis ich zu dir reis,
will ich noch weitergehen.
Dann bist du die Musik,
die in meinem Herzen klingt.
Und der warme Wind,
der mir ein Nachtlied singt.
Die unsichtbare Hand,
die mich durch schwere Zeiten trägt.
Du bleibst in meinem Sinn,
bis ich nicht mehr leb.

In memoriam Gerhard Lüer
Für meinen Vater, Beschützer und liebenden Wegbegleiter – dem wunderbarsten Menschen, dem ich in diesem Leben so intensiv begegnen durfte.

 

Claudia Lüer

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary | Inventarnummer: 24083

 

Diese Stunde

Komm zu mir!
Ich halte dich fest, bis du nicht mehr frierst,
bis du keine Angst mehr hast.
Vertrau mir!
Ich bin nicht dein Lebensretter,
aber dein Retter für diese Stunde.

Das Herz aus roten Rosen im Untergeschoss der City Arkaden für den Valentinstag des Jahres 2024, von vorn

Das Herz aus roten Rosen im Untergeschoss der City Arkaden für den Valentinstag des Jahres 2024, von vorn

Das Herz aus roten Rosen im Untergeschoss der City Arkaden für den Valentinstag des Jahres 2024, von hinten

Das Herz aus roten Rosen im Untergeschoss der City Arkaden für den Valentinstag des Jahres 2024, von hinten

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: verliebt verlobt verboten | Inventarnummer: 24081

Wasser

1,5 Liter Wasser pro Tag waren ausreichend. Im Winter sicherlich, im heißen Sommer konnte man zusätzlich Wasser vom See trinken, wenn man in ihm badete. Was aber bald unterbunden wurde, weil Wasserwächter auftauchten, die auf Verdacht hin Menschen mit Präzisionswaagen vor und nach dem Baden abwogen.

Im Jahr darauf wurde die Ration auf einen Liter Wasser pro Mensch und Tag gesenkt. Wozu eigentlich, weshalb diese Verknappung? Der Staat bezieht seine Energie, seine Elektrizität hauptsächlich aus Wasserkraft. Wasser ist hier allgegenwärtig, in Seen, Teichen, Tümpeln, Flüssen, in Massen.

Was aber geschehen war, war, dass der Staat Verträge mit nordafrikanischen Staaten abgeschlossen hatte, ihnen den Großteil dieses Wassers zu verkaufen. Auf regelmäßiger Basis. Durch Pipelines mit gewaltigen Durchmessern, die am Boden des Mittelmeeres verankert waren, wurde das Wasser an seine Bestimmungsorte befördert. Die Sahara ergrünte.

Mit einem Liter wurde es im Sommer schwierig, denn dieser Sommer war besonders heiß. Man musste sich im Schatten aufhalten, dann ging es, dann genügte ein Liter Wasser für den Tag.

Ein Jahr danach durfte man nur noch 0,75 Liter pro Tag verbrauchen. Gleichzeitig wurde die Sonne brennender. Es war kaum noch möglich, mit einem dreiviertel Liter Wasser sein Auslangen zu finden. Auch war es nicht gestattet, dass eine Person zugunsten einer anderen weniger verbrauchen durfte. In allen Gebäuden wurden die Wasserzuflussrohre ausgebaut, in den Städten und Gemeinden wurde kein Wasser mehr an Haushalte transportiert. Es gab kein fließendes Wasser mehr.

Bei 0,75 Liter Wasser am Tag zählt jeder Tropfen. Die Menschen wissen jetzt, wie sich das anfühlt.

Kommendes Jahr soll die tägliche Ration auf einen halben Liter Wasser pro Mensch gesenkt werden, sagt man. Wie wird es dann werden? Schlecht, aber wie schlecht genau, werden wir sehen.

Das Stift Viktring mit dem Turm hinter dem Wasser am 28. April 2023

Das Stift Viktring mit dem Turm hinter dem Wasser am 28. April 2023

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: Perfidee | Inventarnummer: 24082

Sternenstadt

Beengt ist es hier.
Kein Platz.
In den Häusern, auf den Straßen,
zwischen all den Menschen.
Nur kurz schläft die Stadt,
wenn keine U-Bahn fährt,
die Gürtelstraße frei ist.
Jemand schreit.
Jemand stirbt.
Jemand gebiert.
Der eine geht zu den Sternen,
der andre kommt von ihnen.

Die orangeroten Rolltreppen in der U-Bahnstation Karlsplatz

Die orangeroten Rolltreppen in der U-Bahnstation Karlsplatz

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: ¿Qué será, será? | Inventarnummer: 24080